Studie zu HR-Startups: Alles auf Neustart Infografik

Wie gelingt die Zusammenarbeit zwischen Start-up und Corporate? Welche Erwartungen zur Kooperation bestehen? Eine Studie der Wiesbaden Business School, der Beratungs­gesellschaft HKP und des Personalmagazins bringt Licht ins Dunkel.

Damit sich eine stabile Beziehung etabliert, müssen die Beteiligten Erwartungserwartungen ausbilden – nach dem Systemtheoretiker Niklas Luhmann sind das Erwartungen, die sich auf die Erwartungen des Gegenübers beziehen: Welches Verhalten erwarte ich von meinem Gegenüber und welches zeige ich, weil ich seine Erwartungen antizipiere? Anders formuliert: Was glaube ich, dass mein Gegenüber will, und verhalte ich mich entsprechend? Zumindest aber sollten die Beteiligten wissen, welche Erwartungen vom jeweils anderen Partner zu erwarten sind. In den Worten eines HR-Start-up-Gründers ausgedrückt: Zentral ist, dass „jeder wissen muss, was er will, wann er etwas will und was er nicht versteht“. Aber genau hier besteht Verbesserungspotenzial, wie die Studie offenlegt. Die größten Missverständnisse gibt es entlang der folgenden Erwartungserwartungen.

  • 63 Prozent der HR-Start-ups erwarten ein spürbares Vertrauen vom Kooperationspartner, aber nur 29 Prozent der Corporates erwarten, dass HR-Start-ups diese Erwartung haben.
  • 67 Prozent der HR-Start-ups erwarten unmittelbare Umsätze aus einer Kooperation mit Corporates, aber nur 36 Prozent der Corporates erwarten, dass HR-Start-ups so denken.
  • Während nur 24 Prozent der HR-Start-ups sich von Corpo­­­­rates eine Unterstützung durch deren Fachexpertise erwarten, denken 52 Prozent der Corporate-Vertreter, dass dies eine Erwartung der HR-Start-ups sei.
  • 31 Prozent der HR-Start-ups erwarten, dass Corporates fertige Produkte beziehungsweise Lösungen haben wollen, aber nur zwölf Prozent der Corporates erwarten dies tatsächlich.

Unterschiedliche Auffassungen zu Regelwerken

Aus den Interviews ergibt sich außerdem eine Differenz hinsichtlich der Regelwerke. HR-Start-ups erhoffen sich weniger umfangreiche Compliance Guidelines, da die Bearbeitung solcher Vorgaben „viel Zeit in Anspruch (nimmt), mit der man was Besseres hätte anstellen können“. Die unausgesprochene Erwartung ist also: Corporates sollen von ihren Regelwerken abrücken. Dass dies zu einer Enttäuschung führen muss, zeigt sich an der klaren Aussage eines Corporate-Vertreters: HR-Start-ups müssen sich an Vorgaben halten, weil „gewisse Prozesse in großen Unternehmen erstmal schlichtweg gesetzt sind“.

Unterschiedliche Erwartungen können mehr oder weniger gravierende Folgen haben: Im unschädlichsten Fall werden sie nur enttäuscht. Problematischer ist es, wenn die Kooperationspartner falsche Prioritäten setzen und Zeit, Ressourcen und Nerven auf unwichtige Dinge verschwenden. Noch gravierender ist es, wenn aus den Missverständnissen Misstrauen erwächst, weil die Ursachen für Konflikte und Kommunikationsprobleme nicht verstanden werden. Ein erster Schritt zur Verbesserung ist es, sich die Unterschiede bewusst zu machen. Da diese aber nicht statisch sind, muss immer wieder ein Update der Erwartungen und Erwartungserwartungen erfolgen. Dabei helfen Offenheit, Neugier und Geduld.

Die Studienergebnisse zeigen aber auch, dass nicht alle Erwartungen aneinander vorbeigehen. Bei Aspekten wie „Zugang zu Vertriebskanälen/Kunden“, „schnelle Entscheidungen“ und „Abfärben der Start-up-Kultur auf die der Corporates“ schätzen die Studienteilnehmer die Erwartungen der jeweils anderen Seite weitgehend richtig ein. Gerade der letzte Aspekt passt zum Zeitgeist: Viele sprechen davon, dass Agilität weniger ein Methodenthema ist, sondern eines der Kultur oder des „Mindsets“, weshalb es aus dieser Sicht nur folgerichtig ist, dies von Start-ups zu lernen – oder es zumindest auf einen Versuch ankommen zu lassen.

Startbedingungen für eine Kooperation aus Corporate-Sicht

Bevor eine Kooperation mit etablierten Unternehmen eingegangen werden kann, müssen HR-Start-ups eine Reihe von Kriterien erfüllen. Für unsere Studie haben wir eine Liste an Punkten aus der Literatur und den Experteninterviews zusammengestellt und die Corporates gebeten, diese nach Kann-, Soll- und Muss-Kriterien zu sortieren. Betrachtet man die Häufigkeit, mit der ein Kriterium als „Muss“ gekennzeichnet wird, ergibt sich eine Rangfolge der Kriterien, die von Start-ups erwartet werden: An erster Stelle steht demnach ein DSGVO-konformer Umgang mit Daten, dies wird von beinahe allen Corporates (95 Prozent) als „Muss“ genannt. 

Darauf aufbauend, kommt es für Corporates auf eine benutzerfreundliche Bedienung des Produkts (64 Prozent geben „Muss“ an) und auf die ethische Vertretbarkeit der angebotenen Lösung (55 Prozent) an. Ein niedriges Ausfallrisiko des Start-ups ist für 31 Prozent ein Muss-Kriterium, ähnlich bedeutend sind die Kriterien „soziokulturelle Anschlussfähigkeit“ (29 Prozent) und „Kompatibilität mit Corporate-HR-IT-System“ (19 Prozent). Die Kenntnisse über Prozesse und Strukturen von Corporates sind für 14 Prozent der Corporates ein Muss. 

Natürlich limitiert man durch die Vorgabe von Merkmalen die Ergebnisse, weshalb weitere Bedingungen existieren, die nicht abgebildet sind. Immerhin zeigen sich aber Schwerpunkte, wenn man die Kriterien relativ zu den anderen Punkten der Liste betrachtet. Dann wird deutlich, dass rechtliche und ethische Aspekte (wie beispielsweise „DSGVO-konformer Umgang mit Daten“ und „ethische Vertretbarkeit der angebotenen Lösung“) wichtige Showstopper und unbedingt einzuhalten sind. Allerdings ist die zweitwichtigste Anforderung eine technisch-funktionale: die benutzerfreundliche Bedienung des Produkts beziehungsweise der Lösung. 

(Miss-)Erfolgsfaktoren bei der Kooperation von Corporates mit HR-Start-ups

Ist die Kooperation einmal gestartet, gibt es einige Faktoren, die ihren Erfolg oder Misserfolg bestimmen. Die Auswertung der offenen Antworten auf die Frage, was der wichtigste Faktor für eine erfolgreiche Kooperation sei, zeigt deutlich, dass es vor allem auf weiche Faktoren wie Kommunikation, Beziehungen oder Vertrauen ankommt. Die häufigste genannte Antwort (27 Prozent) bezieht sich auf das Kommunikationsverhalten: Es soll offene, direkte und schnelle Ab- und Aussprachen geben. Am zweithäufigsten wird gegenseitige Unterstützung genannt (23 Prozent), und an dritter Stelle stehen Vertrauen, Respekt und Geduld (19 Prozent). Produktbezogene Erfolgsfaktoren (zum Beispiel ein funktionierendes Produkt, Problemlösung wie erwartet) folgen erst auf dem vierten Rang (13 Prozent). Auf dem letzten Platz der „Top-5-Erfolgsfaktoren“ landet der strukturbedingte Faktor „schnelle Entscheidungen“ mit elf Prozent.
Die Relevanz von strukturellen Faktoren steigt allerdings deutlich, wenn man nach dem größten Misserfolgsfaktor fragt: Zwar sind weiche Aspekte wie „Mangel an Vertrauen oder Angst vor Risiken“ (25 Prozent) und „Mangel an Kommunikation und abweichende Erwartungen an Ergebnisse“ (23 Prozent) immer noch die wichtigsten Misserfolgsfaktoren, aber nun nehmen strukturbedingte Faktoren die Plätze drei bis fünf ein: Auf Platz drei landet das Problem „zu lange Entwicklungszyklen und zu wenig Flexibilität“ mit 17 Prozent, darauf folgt das „Nicht-Einhalten-Können von Compliance-Richtlinien“ mit 14 Prozent. Als fünftwichtigster Misserfolgsfaktor werden „fehlende Ressourcen“ von zwölf Prozent genannt.

Eine Schlussfolgerung daraus lautet: Mit passenden Strukturen gibt es eine gemeinsame Basis, ohne die eine Kooperation wahrscheinlich scheitert – aber es ist eben nur die Basis gelegt. Anders formuliert: Nach der Pflicht kommt noch die Kür und die zeigt sich im menschlichen Miteinander.

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