Stellenanzeigen in der Pflege fordern zu viel
In der Pflege hat sich der Arbeitsmarkt eindeutig zu einem Nachfragemarkt entwickelt. In dieser Situation müssten Stellenanzeigen für Job und Arbeitgeber werben, Mehrwerte aufzeigen und die Bewerberzielgruppen durch knackige Argumente überzeugen. Doch eine qualitative Analyse von gut 100 Stellenanzeigen für Pflegekräfte zeigt ein Bild wie von einem anderen Planeten.
Die Anforderungen stehen im Vordergrund
In einem derart umkämpften Markt wäre eigentlich der Mut der Unternehmen gefragt, auf ein Anforderungsprofil zu verzichten und stattdessen den Platz für eigene Arbeitgeberargumente zu nutzen. Die Analyse zeigt jedoch: Traditionelle Anforderungsprofile werden nach wie vor in Ehren gehalten. Sie sind stellenweise fast dreimal so lang wie die Rubrik „Wir bieten“ – falls eine solche überhaupt existiert. Steht das Anforderungsprofil – wie so häufig – noch vor der Jobbeschreibung, signalisiert das: „Wir bieten nicht, wir fordern.“
Bewerberprofile ohne echte Selektionswirkung
Diese unzeitgemäße Priorisierung macht einen Arbeitgeber nicht gerade attraktiv. Nach Aussagen von Pflegedienstleitern brauchen Pflegekräfte heute nicht einmal 24 Stunden, um einen neuen Job zu finden. Was bringt es, wenn eine Universitätsklinik in dieser Situation unter „Ihr Profil“ neben einer „abgeschlossenen Berufsausbildung zum Gesundheits- und Krankenpfleger“ auch „Flexibilität, Zuverlässigkeit und Teamgeist“, „ein hohes Maß an Verantwortungsbereitschaft und Empathie“ sowie „Belastbarkeit und Stressresistenz“ einfordert? Solche generischen Soft-Skill-Anforderungen entfalten kaum eine verlässliche Selbstselektionswirkung, kosten aber wertvollen Platz.
Jobbeschreibungen fehlen oder sind oberflächlich
Das zeigt auch ein Blick auf andere Abschnitte der Stellenanzeigen, etwa auf die Jobbeschreibung, die in der Mehrzahl der Anzeigen sehr stiefmütterlich behandelt wird. Dabei ist die Beschreibung der Aufgabe die passende Gelegenheit, diejenigen Bewerber anzuziehen, die zu Job und Pflegeeinrichtung passen. Doch die Jobbeschreibungen fehlen entweder völlig oder es handelt sich um lieblose Auflistungen des üblichen Reigens von Substantivierungen in Bullet Points.
Unternehmensporträts liefern kaum Informationen
Auch das „Selbstporträt“ als Klinikbetreiber liefert nur wenige Informationen zu den Besonderheiten der Arbeitskultur und den Arbeitgeberleistungen. „Das Universitätsklinikum X bietet medizinische Betreuung auf höchstem Versorgungsniveau an und deckt das gesamte Spektrum der modernen Medizin ab. Es vereint 21 Fachkliniken, neun interdisziplinäre Zentren und drei Institute …“ Diese Informationen sind auch für künftige Mitarbeiter nicht uninteressant, aber danach kommt nichts Spezifisches mehr. Der Arbeitgeber wird so zum Fragezeichen.
Es gibt auch positive Beispiele
In bewerberorientierten Märkten kommt dem Abschnitt „Wir bieten“ das entscheidende Gewicht zu. Je stärker das Arbeitgeberangebot vom Standard abweicht, desto mehr können Arbeitgeber punkten. Deshalb fallen aktuell vor allem Angebote von ambulanten, privaten Pflegedienstleistern auf, die zum Teil mit hohen Bruttogehältern und Dienstwagen werben, die „auch privat genutzt“ werden können. Aber auch traditionelle Krankenhausbetreiber sind in der Lage, differenzierende Angebote zu entwickeln und zu kommunizieren, wie die „Unterstützung bei pflegefernen Tätigkeiten durch Stationssekretäre“ zeigt. Natürlich geht es dabei auch darum, die Substanz im Arbeitgeberangebot zu verbessern.
Fünf Tipps für die Praxis
In einer extremen Marktlage kann der „bessere Verkauf“ und Kommunikation allein die Lage nicht retten. Wichtig ist immer der Blick in die Köpfe der eigenen Mitarbeiter: Warum kommen sie? Warum bleiben sie? Warum gehen sie wieder? Wir empfehlen fünf Schritte, um zu besseren Stellenanzeigen in der Pflege zu gelangen:
Erstens: Wagen Sie mehr Wettbewerbsorientierung. Schauen Sie sich die Stellenanzeigen Ihrer Wettbewerber genau an, entwickeln Sie Marktorientierung im Gespräch mit der Zielgruppe.
Zweitens: Streichen Sie das Anforderungsprofil ersatzlos. Dieses ist im Jobtitel „Examinierte(r) Gesundheits- und Krankenpfleger/in“ meist ausreichend erzählt.
Drittens: Bieten Sie überzeugende Jobprofile. Pflegekräfte suchen eine sinnstiftende Aufgabe, keine zusammenhanglose Reihe von Einzeltätigkeiten.
Viertens: Sprechen Sie die Sprache der Zielgruppe. An „Karriere“ haben die meisten Kranken- und Gesundheitspfleger wenig Interesse.
Fünftens: Bieten Sie den „kurzen Draht“ zur Bewerbung an. Machen Sie die Bringschuld der Pflegekräfte zu Ihrer Holschuld und gestalten Sie die Bewerbung so einfach wie möglich.
Den vollständigen Artikel „Stellenanzeigen für Pflegekräfte: zu viel fordern, zu wenig bieten“ lesen Sie im Sonderheft des Personalmagazins „Trends im Recruiting 2018“, das Sie hier herunterladen können.
Dr. Manfred Böcker ist geschäftsführender Gesellschafter der Employer Telling GbR.
Sascha Theisen ist geschäftsführender Gesellschafter der Employer Telling GbR.
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Felix Baumann
Mon Oct 26 13:48:23 CET 2020 Mon Oct 26 13:48:23 CET 2020
Aus unserer täglichen Arbeit mit Pflegeanbietern können wir dies nur bestätigen. Pflegekräfte wünschen sich Informationen, welche die Besonderheiten und spezifischen Benefits der Arbeitgeber präsentieren. In vielen Fällen werden allerdings Marketingtexte veröffentlicht, die wenig Content bieten. Eine informationsreiche Stellenanzeige mit einer übersichtlichen Darstellung der Benefits erhält bis zu 20-mal so viele Bewerbungen. Diese Erkenntnis können wir aus ca. 60.000 Stellenangeboten im Jahr 2020 auf ((Link redaktionell entfernt. Bitte beachten Sie unsere Netiquette. Haufe Online Redaktion)) ziehen.