Recruiting-Spielregeln im Frankfurter Bankensektor

Spätestens seitdem klar ist, dass viele Banken von der Themse an den Main ziehen, ist der Kampf um die besten Talente entbrannt. Denn der Markt gibt bei weitem nicht so viele Experten her wie von den Finanzinstituten gefragt. Recruiter und Headhunter stehen vor neuen Herausforderungen.

Der immer näher rückende Brexit und der Zuzug zahlreicher Banken, die bislang in Großbritannien ansässig waren, hat den Frankfurter Bankenmarkt stark in Bewegung gebracht. Umso wichtiger sind daher passgenaue Recruiting-Strategien, mit denen es den Geldhäusern in Zeiten des Brexits gelingen kann, begehrte Talente für sich zu gewinnen und dauerhaft zu binden.

Um bei der Personalgewinnung erfolgreich zu sein, geht es nämlich nicht nur um Schnelligkeit, Transparenz und Glaubhaftigkeit seitens der potenziellen Arbeitgeber, sondern vor allem auch darum, in einem stark umkämpften Wettbewerb die gewichtigsten Argumente auf seiner Seite zu haben.

Die Ansprüche steigen, die Banken müssen reagieren

Vor allem die jüngere Generation hat deutlich gestiegene Ansprüche an ihre künftigen Arbeitgeber. Talente wollen nicht nur eine Stellenbeschreibung lesen und sich daraufhin klassisch bewerben. Für Banken heißt das: Sie müssen sich viel stärker als Marke positionieren. Für Personalberater bedeutet das: Headhunter müssen sich viel tiefgehender mit dem Unternehmen befassen und Insiderwissen erlangen. Nur so können sie Kandidaten glaubhaft erläutern, wie Finanzinstitute geleitet werden, welche Rahmenbedingungen gelten, wie Erfolgsbeteiligungen aussehen und welche Kultur im Unternehmen herrscht.

Das klassische Set-up eines Jobprofils reicht heute schlicht nicht mehr aus, um das Interesse eines Kandidaten zu wecken. Der Casual Friday, an dem auch Banker nicht im Anzug im Büro erscheinen müssen, Weiterbildungsangebote oder die Möglichkeit eines Zweitstudiums gehören längst zu Selbstverständlichkeiten, die ein Unternehmen jungen Professionals bieten muss. Ganz gleich ob große Auslands- und Investmentbank oder deutsches Geldhaus – Banken müssen sich ein jüngeres Antlitz verleihen und im Gesamtbild moderner und attraktiver daherkommen. Ansonsten haben sie keine Chance, die Zusage eines begehrten Experten zu erhalten.

Neue Rollen der Recruiter und Personalberater

Den Recruitern kommt deshalb eine bedeutende Rolle bei der Personalgewinnung zu. Sie sind es, die wissen und verstehen müssen, wie die Banken in ihrem Portfolio funktionieren und welche Benefits sie bieten. Jede Personalberatung ist darauf angewiesen, im engen Dialog mit den Geldhäusern zu stehen, Leitfäden über deren Philosophie, Ziele und Ideale zu erhalten. Diese elementaren Informationen werden dringend vorab benötigt, um sich gut vorbereiten zu können und im Gespräch auf alle Fragen die richtigen Antworten zu haben.

Ganz generell müssen Headhunter deutlich mehr Zeit für die Personalakquise einplanen und sich auf jedes Talent individuell einlassen. Das Spiel läuft nach neuen Regeln: Erfüllt der mögliche neue Arbeitgeber gewisse Kriterien von vornherein nicht, kommt es gar nicht erst zum Gespräch. Eine Vermittlung der besten Talente ist dann nicht möglich. Sie können sich unter vielen Optionen die für sie attraktivste aussuchen.

Weiche Faktoren machen den Unterschied

Jeder Kandidat hat andere Ambitionen, sich einem Arbeitgeber anzuschließen. Dem einen ist der mit der Stelle oder dem Namen des Unternehmens verbundene Status wichtig, dem anderen der bessere Verdienst, dem nächsten flexiblere Arbeitszeiten oder eine gute Work-Life-Balance. Gerade deshalb ist es bei der Personalfindung und -gewinnung unabdingbar, vorab genau zu wissen, welcher Kandidat was genau sucht – und wo er es finden kann.

Weiche Faktoren, wie ein lockerer Dresscode oder angebotene Freizeitaktivitäten, können heute den Unterschied machen. Viele Banken, darunter Institute aus Deutschland, den USA, der Schweiz oder den Niederlanden, haben hier längst reagiert. Anzüge müssen in Frankfurt oft nur noch bei externen Terminen getragen werden.

Frisch und professionell im Arbeitgebermarketing

Diese Maßnahmen richten sich vor allem an junge Talente im Alter zwischen 23 und 30 Jahren, die mit Blick auf ihre Arbeitsumgebung flexibel und frei entscheiden wollen. Während eine britische Großbank in England noch immer sehr konservative Vorstellungen hat, ist ihre Policy in Deutschland mittlerweile deutlich lockerer geworden – nicht zuletzt deshalb, um im „War for talents“ in Frankfurt keinen Wettbewerbsnachteil zu erleiden.

Auch deutsche Landes- und Großbanken haben mit einem frischeren Auftritt nachgezogen. Der Wettbewerbsdruck hat bei allen Geldhäusern massiv zugenommen und Banken arbeiten massiv am Aufbau ihrer Marke. Die angespanntere Wettbewerbssituation lässt sich auch einem professionelleren Handeln der HR-Abteilungen ablesen. Diesen stehen heute deutlich mehr Budgets und besser ausgebildete Recruiter zur Verfügung als noch vor wenigen Jahren.

Der Druck auf die Personalberater nimmt zu

Für die klassischen Personalberater ist der Markt dadurch insgesamt nicht einfacher geworden. Da sich zahlreiche Banken längst ihre eigenen Sourcer leisten, nimmt der Druck auf die Personalberater zu. Wer die gewünschten Talente nicht liefert, dem droht das Aus im Frankfurter Finanzsektor.


Zum Autor: Marco Hermle ist Director Frankfurt der internationalen Personalberatung Robert Walters.


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