New Work: Zehn Tipps

Viele Unternehmen versprechen sich von New Work mehr Flexibilität oder Produktivität. Doch wenn Sie die Sache falsch angehen, passiert leicht das Gegenteil. Wer hingegen diese zehn Punkte von Prof. Dr. Carsten C. Schermuly berücksichtigt, kann dystopische Arbeitsverhältnisse verhindern.

New Work ist eines der bestimmenden Themen in der deutschen Wirtschaft. Laut dem New-Work-Barometer, das jährlich vom Institute for New Work and Coaching der SRH Berlin zusammen mit dem Personalmagazin, der Unternehmensberatung HRpepper und dem Bundesverband der Personalmanager durchgeführt wird, gewinnt das Thema seit Jahren an Bedeutung. Gleichzeitig verkommt New Work immer mehr zum Containerbegriff. Und viele Initiativen, die sich als New Work verstehen, sind mittlerweile verunglückt (mehr dazu lesen Sie auch im Titelthema "Wenn New Work ins Abseits führt" im personalmagazin 09 2023).

In meinem Buch "New Work Dystopia" beschreibe ich das Scheitern von New Work im Unternehmen Kaltenburg. Das Unternehmen macht alles falsch, was man beim Thema New Work falsch machen kann. Doch welche Ansätze befördern den Erfolg? Diese zehn Handlungstipps habe ich in diesem Fall gegeben, um zukünftig dystopische Verhältnisse zu verhindern und New Work den Durchbruch zu verschaffen.
 

1. New Work aus der Zukunft denken

Viele Unternehmen denken New Work aus einer Methode – nach dem Motto, das führen wir jetzt auch einmal ein. Sie scheitern dann oft, weil die Methode nicht zur eigenen Kultur oder dem entsprechenden Arbeitsbereich passt. Viel sinnvoller scheint es, New Work aus der Zukunft zu denken. Entwicklungsmethoden wie PrOACT oder GROW schlagen Objectives als Fokus jeder Transformation vor. Dabei handelt es sich um zielbezogene Zukunftszustände. Es braucht dementsprechende Zukunftsdiagnostik. Wenn die gewünschte Unternehmenszukunft klarer ist, kann man einen Schritt zurückgehen und explorieren, welches New Work es für diese Zukunft braucht. Es gilt zu bedenken: Mehrere Wege führen zu New Work und keiner sicher zum Erfolg.
 

2. New Work braucht Sinn und Evidenz

New Work benötigt eine sinnvolle organisationspsychologische Zielstellung. Die Mitarbeitenden sollten verstehen, was durch New Work für sie, ihr Team und das Unternehmen besser wird. Hier kann zum Beispiel der psychologische Empowerment-Ansatz hilfreich sein. Dieser ist gut erforscht und erlaubt, die Wurzeln von New Work nach Frithjof Bergmann mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verbinden. New Work aus der Perspektive von Empowerment bedeutet, dass Mitarbeitende mehr Sinn, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz in ihrer täglichen Arbeitsrealität wahrnehmen und dadurch unter anderem proaktiver handeln.
 

3. New Work braucht Diagnostik und Dialog

Das Erleben von Sinn, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz (psychologisches Empowerment) ist messbar. Es gibt zuverlässige und valide Fragebogeninstrumente, die einen normorientierten Vergleich mit anderen Unternehmen zulassen. Auf diesem Weg erhält man nicht nur eine initiale Organisationsdiagnostik und einen Überblick über sinnvolle Möglichkeiten, sondern kann auch die Wirksamkeit von New-Work-Initiativen überprüfen. Statt mit der Gießkanne Methoden und Praktiken auf alle Mitarbeitenden zu schütten, können diagnostische Instrumente helfen, gezielt die Gruppen in Unternehmen zu identifizieren, die besonders von New-Work-Praktiken profitieren.
 

4. New Work braucht Befürwortende und Verantwortungsübernahme

New Work wird sich nicht von alleine in einem Unternehmen etablieren. Unternehmen können New Work auch nicht an eine Unternehmensberatung delegieren. Deswegen braucht es in allen Bereichen und Hierarchieebenen Menschen, die für das Thema Verantwortung übernehmen. Ein Ansatz, der den Erfolg stützen kann, ist ein New-Work-Ambassador-System. Dabei macht eine Organisation sichtbar, welche Organisationsmitglieder Expertise für New Work besitzen und wie man mit ihnen ins Gespräch kommen kann.
 

5. New Work braucht Haltung und gute Kommunikation

Häufig rufen Akteurinnen und Akteure aus der New-Work-Szene nach einer "richtigen" Haltung oder einem adäquaten Mindset. Leider definieren und operationalisieren sie nicht, wie dieses Mindset aussehen soll. Es genügt nicht, Haltung einzufordern, wenn man nicht klärt, was darunter konkret zu verstehen ist. New Work benötigt eine Balance zwischen den beiden grundsätzlichen Haltungen "Humanisierung" und "Effizienz", aber auch zwischen "alt" und "neu". New Work produziert allein schon als Begriff Widerstand, weil man mit dem Adjektiv "new" scheinbar bestehende Prozesse in Frage stellt. Mitarbeitende sollten zudem mithilfe guter Kommunikation von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren das spezifische New Work im Unternehmen verstehen lernen.
 

6. New Work braucht Führung und einen anständigen Umgang mit Führungskräften

Führung hat bei jeder New-Work-Transformation besondere Relevanz. Führungspraktiken zu verändern, birgt viel Konfliktpotential. Das liegt unter anderem daran, dass bei vielen New-Work-Initiativen Machtfragen im Raum stehen: Wer führt? Wie soll geführt werden? Was geschieht mit denjenigen, die bisher führen oder Macht haben? Führungskräfte boykottieren zurecht New Work, wenn sich ihre Arbeitsbedingungen dadurch signifikant verschlechtern. Wenn Führungskräfte neue Positionen einnehmen oder neues Verhalten erproben sollen, dann brauchen auch sie ein attraktives Zukunftsangebot und entsprechende Lernmöglichkeiten.
               

7. New Work braucht vorbereitete Mitarbeitende

Das New-Work-Barometer 2023 setzte den Fokus auf Kompetenzen für New Work. Die Befragung zeigt, dass die mehr als 600 Teilnehmenden aus Unternehmen vor allem personale Kompetenzen oder Selbstkompetenzen für eine New-Work-Transformation als wichtig erachten. Unter den fünf als am wichtigsten bewerteten Kompetenzen finden sich Eigenverantwortung, Lernbereitschaft, Veränderungsfähigkeit und Selbstreflexion. Verändern sich durch New Work die Anforderungen und die Zusammenarbeit, kann man nicht erwarten, dass Mitarbeitende diese Kompetenzen sofort beherrschen. Deswegen sollten Unternehmen Mitarbeitende und Führungskräfte für New Work vorbereiten.
 

8. New Work braucht geregelte Freiheit

Viele New-Work-Beraterinnen und -Berater tragen stolz das Banner der Regelfreiheit vor sich her und verwechseln diese mit Selbstorganisation. Die Freiheit des oder der einen kann die Freiheit des oder der anderen einschränken. Ohne im sozialen System abgestimmte und akzeptierte Regeln, besteht – wie bei zu vielen Regeln auch – eine Gefahr für das soziale System. Das Problem: Organisationen scheuen sich häufig davor, neue Regeln und Prozesse zu definieren, weil sie Konflikte fürchten. Doch New Work benötigt geregelte Freiheit, um gedeihen zu können.
 

9. New Work braucht Vertrauen

Vertrauen ist die schönste Form des Muts, denn Vertrauen bedeutet, sich gegenüber anderen Menschen verletzlich zu machen. Es gehört auch der Mut dazu, Fehler offen anzusprechen. Die Forschung belegt, dass zum Beispiel virtuelle Führung oder geteilte Führung besonders gut funktionieren, wenn Vertrauen im Team besteht. Ist das Vertrauen nicht ausreichend ausgeprägt, kann es zu Problemen kommen. Unternehmen sollten also zunächst am Thema Vertrauen arbeiten, bevor sie sich New Work widmen.
 

10. New Work braucht eine passende Kultur, um wachsen zu können

Drei Wertedimensionen scheinen New-Work- und Empowerment-Prozesse besonders stark behindern zu können: Defensivität, Aggressivität und Diskriminierung. Wenn Passivität, Konkurrenzdenken oder der gezielte Ausschluss von Subgruppen in Unternehmen zu stark ausgeprägt sind, scheint New Work nicht den Boden vorzufinden, um gedeihen zu können. Stattdessen sollten Unternehmen positive Werte für Leistung, aber auch für Empowerment fördern. Werte und Normen für sinnhafte und selbstbestimmte Arbeit sowie für kompetente und mächtige Mitarbeitende sind der Schlüssel zu New Work.



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