Merkel gegen Punktesystem für zusätzliche Zuwanderung

Aus dem Fachkräftemangel soll keine dauerhafte Wachstumsbremse werden – das ist das Ziel der Bundesregierung. Zusammen mit den Sozialpartnern will sie dafür sorgen, dass der Bedarf an qualifiziertem Personal aus dem In- und Ausland gedeckt wird. Allerdings gehen die Meinungen über Mittel und Wege deutlich auseinander.

Die Wirtschaft fordert unter anderem ein Punktesystem für die Einwanderung zusätzlicher Fachkräfte aus Nicht-EU-Ländern. Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht darin aber keine Notwendigkeit. "Wir haben Freizügigkeit in 27 Ländern, zu uns kann jeder kommen, der Arbeit findet und Arbeit sucht", sagte sie nach ihrem Treffen mit den Spitzen von Arbeitgebern und Gewerkschaften auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin.

Bluecard erleichtert Zuwanderung

Zudem könnten sich die bisherigen Anstrengungen zur Fachkräftesicherung durchaus sehen lassen: "Wir können Erfolge vorweisen, haben aber auch noch viel Arbeit vor uns." Merkel nannte die neue Bluecard für erleichterte Zuwanderung von Spezialisten aus dem Nicht-EU-Raum, verbunden mit niedrigeren Gehaltsgrenzen. Die Wirkung dieser Regelungen, die Anfang August in Kraft treten sollen, würden im kommenden Jahr überprüft.

Vor dem Treffen in Meseberg hatten Regierung und Bundesagentur für Arbeit (BA) eine Kampagne zur Gewinnung von Fachkräften aus dem In- und Ausland gestartet. Allein bis 2025 fehlten etwa drei Millionen Arbeitskräfte in Deutschland, so BA-Chef Frank-Jürgen Weise. Damit steht Deutschland aber nicht allein da. Experten von Roland Berger gehen davon aus, dass aufgrund des demografischen Wandels bis 2030 weltweit 200 bis 300 Millionen qualifizierte Fachkräfte fehlen werden.

Frauen und junge Menschen stärker fördern

Einig waren sich alle Beteiligten beim Thema Förderung junger Menschen: Wichtig sei es, auch die 1,5 Millionen jungen Menschen in Deutschland ohne Berufsabschluss für den Job zu qualifizieren. Auch flexiblere Arbeitszeiten, vor allem für Frauen, damit sie Beruf und Familie besser verbinden können, waren im Gespräch. Letztendlich dürfe das Heben des inländischen Arbeitskräfte-Potenzials und das Anwerben ausländischer Spezialisten kein Gegensatz sein, betonte DGB-Chef Michael Sommer. Beides müsse sich sinnvoll ergänzen.

Großes Fachkräftepotenzial in den Schwellenländern

Tim Zimmermann, Partner von Roland Berger Strategy Consultants, sieht auch die Unternehmen in der Pflicht. Entscheidend sei, dass sie ihre globale Personalstrategie überdenken. Denn die Schwellenländer bieten westlichen Firmen durchaus hervorragende Möglichkeiten im Personalbereich. Bereits heute sind acht von zehn Arbeitnehmern in Schwellen- und Entwicklungsländern tätig. Auch die Zahl der Hochschulabsolventen ist enorm gewachsen - zwischen 2006 und 2011 um 30 bis 50 Prozent.

Einziger Haken: Der Universitätsabschluss erfüllt nur in zehn bis 20 Prozent der Fälle internationale Standards. Dazu gehört unter anderem die englische Sprache. "Anders als in den Industrieländern, in denen Englisch als internationale Firmensprache selbstverständlich ist, beherrschen in vielen Schwellenländern nur wenige Menschen die englische Sprache", so Zimmermann. Ein Weg aus dem Dilemma könnte aber verstärkte Aus- und Weiterbildung der lokalen Mitarbeiter sein.

dpa
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