Internationale Standards: ISO-Norm fürs Personalmanagement

Nach über fünf Jahren nationaler Gremiendiskussion und internationaler Verhandlungen steht die erste ISO-Norm zum Personalmanagement vor der Veröffentlichung: Sie definiert die HR-Terminologie. Drei weitere ISO-Normen zur HR-Standardisierung sollen in diesem Jahr folgen.

Die eine Norm wurde im November verabschiedet, die andere startet jetzt in den internationalen Diskurs, der auf drei Jahre angelegt ist. Beide sind Teil der Idee über das DIN Deutsches Institut für Normung und das internationale Pendant ISO Internationale Organisation für Normung internationale Standards fürs Personalmanagement zu fixieren. Die erste Norm heißt ISO 30400. Sie beschreibt die internationale Terminologie von Personalmanagement und wird beim ISO Internationales Institut für Normung in Genf gerade für den Druck vorbereitet. Die zweite Norm heißt ISO/TC 260/WG 7 und betrifft das Human Capital Reporting. Eine Arbeitsgruppe zur ISO/TC 260/WG 7 wurde unter deutscher Federführung im November in Texas eingerichtet und traf sich vergangene Woche zur länderübergreifenden Sitzung in Berlin. Leiterin der Arbeitsgruppe ist Stefanie Becker, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Organisation, Personal- und Informationsmanagement der Universität des Saarlandes.

Konzept beruht auf einer Weiterentwicklung der Saarbrücker Formel

Das eingebrachte Konzept hat seine Basis im Standard HCR 10, einer Weiterentwicklung der Saarbrücker Formel von Professor Christian Scholz, die ein umfassendes Reporting verlangt, aber Aussagen zur Qualität der Personalarbeit aussparen will. Scholz, dessen Lehrstuhl sich von Beginn an der Debatte um die HR ISO beteiligt, ist „sehr optimistisch, dass sich im anstehenden ISO-Reportingstandard vieles vom HCR 10 wiederfindet.“ Er berechnet seit über zehn Jahren Kennzahlen im Personalwesen, veröffentlicht Modelle und Beispiele – und holte sich so manche Abfuhr, etwa die, sein System sei für den Mittelstand zu komplex und bürokratisch. Jetzt macht Scholz mit dem internationalen Standardisierungsprozess einen großen Sprung. „Manchmal muss man eben einen kleinen Umweg gehen, um ans Ziel zu gelangen“, sagt der Saarbrücker Hochschullehrer.

Reporting-Norm ISO/TC 260/WG 7: Berichterstattung auf  Basis von HR-Kennzahlen

Die Berichterstattung auf der Basis von HR-Kennzahlen soll in einer Richtlinie münden, die zu diversen mitarbeiterbezogenen Bereichen zentrale Informationen liefert. Im Detail wird in der Humankapital-Gruppe diskutiert werden, wie Aussagen zu Kosten, Mitarbeiterstruktur, Fähigkeiten, Nachhaltigkeit, Kultur und Produktivität möglich sind. Da der Arbeitsprozess am Anfang steht und die Fachleute aus den anderen Ländern noch Ideen beisteuern werden, ist derzeit offen, welche Faktoren sich für den gemeinsamen internationalen Standard durchsetzen werden.

Arbeit in nationalen und internationalen Gremien: Verfahren ist zeit- und arbeitsintensiv

Das Verfahren ist zeit- und arbeitsintensiv. Wie in allen Arbeitsgruppen werden Textvorlagen formuliert, herumgereicht, argumentativ untermauert oder kritisiert und kommentiert, umformuliert – und drehen dann die nächste Runde durch die nationalen und internalen Gremien. So geht es immer weiter, bis ein Text abstimmungsreif ist. Etwa viermal im Jahr treffen sich die Teilnehmer des nationalen Arbeitsausschusses, ein bis zwei weitere Male die beteiligten internationalen ISO-Experten. Zu denen gehören Fachleute aus kulturell so unterschiedlichen Ländern wie Nigeria und USA, Malaysia und die Niederlande, Korea und Mexiko, Pakistan und eben Deutschland. Webkonferenzen ergänzen die Treffen, doch die meiste Arbeit steckt im Studium der Papiere und den formulierten Änderungsvorschlägen.  Noch 2016 sollen Standards zu Human Governance, Workforce Planning und Recruitment verabschiedet werden.

DIN-Prozess: Prinzip der Geheimhaltung

In Deutschland findet die Diskussion im kleinen Kreis statt. 27 Teilnehmer hat das Spiegelgremium Personalmanagement im DIN. Vertraulichkeit wird groß geschrieben. Das Institut für Normierung bietet per Reglement einen geschützten Diskussionsraum. Weder die Namen der Mitglieder noch die Papiere und Zwischenstände dürfen kommuniziert werden. So soll gewährleistet sein, dass die Einflussnahme auf die fachliche Diskussion nicht durch Partikularinteressen torpediert wird. Allerdings mag das beim Thema Personalmanagement auch der Grund sein, warum die Wirtschaft so ruhig bleibt. Zwar sind Unternehmens- und Verbandsvertreter ebenso Ausschussmitglieder wie Wissenschaftler, aber was wann und in welcher Drastik bei Konzernlenkern und Mittelständlern ankommt, das scheint doch leicht eklektisch.

Interesse an aktiver Mitarbeit an der Norm dürftig

In Zeiten von TTIP wäre es möglicherweise an der Zeit das Prinzip der Geheimhaltung zu überdenken. Allerdings muss man auch bedenken, dass das deutsche Normungsinstitut – wie bei allen Themen – zum Start des Arbeitsausschusses alle Gruppierungen, Lehrstühle und Institutionen, die sich mit Personalthemen befassen, zur Mitarbeit eingeladen hat. Das Interesse war dürftig. Das Bundesministerium für Arbeit unterstützt den Personalmanagementausschuss finanziell, will aber inhaltlich keinen direkten Einfluss nehmen – obwohl es verhaltensbezogene und organisatorische Regelungen zum HRM nicht zielführend hält. Ein bisschen erinnert die ganze Situation an Stuttgart 21, wo die Gegner sich verwundert die Augen rieben, als die ersten Bäume fielen, und nicht schon während der wahrlich langen Planungsphase alle Mittel ausschöpften – etwa die dann von Baden-Württembergs rot-grüner Regierung initiierten Bürgerbefragung. 

Wissenstransfer zwischen Normentwicklern und Unternehmenspraktikern wünschenswert

Harald Ackerschott jedenfalls, Obmann des Arbeitsausschusses Personalmanagement, wünscht sich mehr engagierte HRler, die im Unternehmen etwas zu sagen haben, und Manager, die etwa als Führungskräfte Personalarbeit machen, als Aktive und Gäste in der Diskussion und im deutschen Spiegelgremium. „Wissenstransfer zwischen Normentwicklern und Unternehmenspraktikern bringen relevante Ergebnisse“, sagt der Bonner Psychologe. Ackerschott hat Erfahrung mit DIN-Verfahren. Denn er schob Ende der 1990er Jahre die DIN-Norm 33430 mit an, die die Anforderungen an Verfahren bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen und deren Einsatz beschreibt – also Qualitätskriterien für die Bewerberauswahl und Personalentwicklungsauslese definiert. Die Normierungspläne jetzt haben freilich eine andere Dimension. „Als ich den Businessplan für den Arbeitsausschuss Personalmanagement sah“, erinnert er sich, „sah ich, es waren dicke Bretter zu bohren.“

Furcht vor mehr Bürokratie

Die Ausgangsbasis der Teilnehmer bestand in einer Gegnerschaft zu dem, was die US-Vereinigung von Personalleuten SHRM Society for Human Resource Management initiiert hatte. In Deutschland mit seinen Personalregelwerken und Ritualen, die mit Arbeitszeit-, Ausbildungs- und Betriebsverfassungsgesetz, Tarifverhandlungen, Gesundheitsmanagement und Weiterbildungszertifizierungen ohnehin in Festschreibungen über die meisten Länder hinausgehen, ist die Befürchtung groß, dass durch ISO-Normen noch ein ordentliches Schüppchen Bürokratie obendrauf kommt. Das kann richtig sein, denn die Normen werden kommen. „Mit dem Gremium haben wir aber die Möglichkeit das Unvermeidbare mitzugestalten“, so Psychologe Ackerschott. Und tatsächlich haben die deutschen Fachleute schon des Öfteren bei internationalen Treffen mit Nein gestimmt. Wie beim Qualitätsmanagement nahm die deutsche Delegation eine Sonderrolle ein. Allerdings kann sie mit Zweidrittelmehrheit überstimmt werden, weil anders als im nationalen Ausschuss bei der ISO nicht das Konsens- sondern das Mehrheitsprinzip gilt und jedes Land eine Stimme hat.    

DIN-Gremium: Goinger Kreis und BDA vertreten, DGFP und BPM halten sich raus

In Deutschland sind der Goinger Kreis mit SAP-Personalmanager Nicolai Dyroff und die Deutsche Bank mit Hilger Pothmann im Spiegelgremium – zwei Konzernvertreter. Auch der BDA mit Alexander Böhne ist aktiv – immerhin also zumindest über den Dachverband auch der deutsche Mittelstand. Da mag so mancher Konsens mit Zähneknirschen der Mitglieder die Abstimmung passieren. Aber nach dem Beschluss wird er auf die internationale Ebene gehoben.  Bemerkenswert: Zum Start und bis heute immer noch nicht im Spiegelgremium vertreten sind zwei Interessenvertretungen, deren ureigene Klientel Personalmanager sind: die DGFP Deutsche Gesellschaft für Personalführung in Frankfurt und der BPM Bundesverband der Personalmanager in Berlin.

DGFP und BPM begrüßen Standards – warnen aber vor Überregulierung

Zwar äußert sich die Leiterin der BPM-Bundesgeschäftsstelle, Sandra Koch, in einer Mail zu internationalen Normierungsbestrebungen äußerst abwägend: „HR-Standards können dabei helfen, den Wertbeitrag von HR für den Unternehmenserfolg sichtbar zu machen, bergen jedoch gerade für kleine und mittlere Unternehmen die Gefahr der Bürokratisierung.“ Doch statt sich einzumischen, bleibt der BPM bei seiner Position, sich nicht aktiv an der Schaffung von internationalen HR-Standards zu beteiligen. Auch der DGFP genügt das Beobachten und der Austausch mit den deutschen Beteiligten, soweit es die DIN-Statuten es zu lassen. „Grundsätzlich halten wir eine Vergleichbarkeit der Personalarbeit – auch auf internationaler Ebene – für einen Fortschritt“, erklärt DGFP-Geschäftsführerin Katharina Heuer. „Aber es darf nicht zu filigran werden.“

Heuer: „Standards müssen transparent, leicht erfassbar und tatsächlich messbar sein“

Sie sieht in den Controllern ein Vorbild, die mit wenigen Kennzahlen und Richtlinien, die für alle Unternehmen tauglich sind, Vergleichbarkeit herstellen. Für Heuer müssen Standards „transparent, leicht erfassbar und tatsächlich messbar sein“. Konkret zum deutschen Projekt des Human Capital Reportings meint Heuer: „Eine Reporting-Guideline zu haben, kann helfen. Sie muss aber den vielfältigen nationalen Gegebenheiten und kulturellen Unterschieden gerecht werden.“

Kommt nach der Veröffentlichung die große Überraschung?

Die DGFP-Geschäftsführerin warnt vor einer Überregulierung. Ob die aber droht, kann eigentlich nur beurteilen, wer mit einem Mitglied im Spiegelgremium dabeisitzt und mitarbeitet. Denn die Verschwiegenheit, die das DIN in seinen Regularien fest geschrieben hat, bedeutet eben auch, dass nicht alle – nach den DIN-Regularien im Idealfall gar keine – Papiere nach außen dringen. Hoffentlich fällt da keiner von seinem bequemen Sofa, wenn die Normen, deren Einhaltung keine Pflicht ist, die aber im internationalen Geschäft mittelbaren Zwang auslösen können, verabschiedet sind und veröffentlicht werden.

Schlagworte zum Thema:  HR-Management