Chancengerechtigkeit: Was die Karriere von Frauen hemmt

Männerdominierte Führungsstrukturen, zu wenig Unterstützung für Mütter, sexistisches Verhalten: Viele Führungskräfte sind sich einig, was Frauen die Karriere erschwert. Doch die Unternehmen hinken hinterher, wie eine Wirkungsanalyse der Fidar zeigt. Ein Praxisleitfaden gibt Tipps für mehr Chancengerechtigkeit in Aufsichts- und Führungspositionen.

Fidar hat es sich zum Ziel gesetzt, den Frauenanteil in den deutschen Aufsichtsräten signifikant und nachhaltig zu erhöhen. Erstmals hat der Verein nun mit wissenschaftlicher Unterstützung Führungskräfte der Wirtschaft zu den Hemmnissen befragt, die Frauen am Aufstieg in Führungspositionen hindern. Der Praxisleitfaden wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

Denn trotz positiver Entwicklungen gibt es bislang keine Chancengerechtigkeit in den Chefetagen. Der Praxisleitfaden basiert auf einer Befragung von knapp 200 Frauen und Männer in Führung und Aufsicht in der Privatwirtschaft, Dialogrunden mit weiblichen und männlichen Aufsichtsräten und Vorständen sowie ausführlichen Hintergrundgesprächen mit Entscheiderinnen und Entscheidern führender Unternehmen.

Defizite bei der Umsetzung einer Gleichstellungskultur

Die Wirkungsanalyse zeigt, das gleichberechtigte Teilhabe nicht oder nur oberflächlich umgesetzt wird. Die Sicht der Betroffenen macht deutlich: Zentrale Voraussetzung für Fortschritte bei der gleichberechtigten Teilhabe ist eine Gleichstellungskultur im Unternehmen. Doch die Umsetzung konkreter Maßnahmen hinkt hinterher. So klaffen Wunsch und Realität häufig weit auseinander:

  • Ein Großteil der Befragten (92 Prozent) sehen in der Sanktionierung von sexistischem Verhalten ein zentrales Element zur Steigerung des Frauenanteils – aber nur 68 Prozent der Unternehmen ergreifen Maßnahmen dazu.
  • Knapp 80 Prozent der Befragten halten Fördermaßnahmen für Personen mit Erziehungs- und Pflegeverantwortung für wichtig. Umgesetzt werden diese allerdings nur in 37,5 Prozent der Unternehmen.
  • Etwa 80 Prozent der Befragten schätzen die Wirksamkeit von Zielgrößen als hoch ein, aber nur in weniger als 50 Prozent der Unternehmen werden sie eingesetzt.
  • 90 % der Befragten sehen in nachvollziehbaren Prozessen bei der Besetzung von Positionen in Aufsichtsrat und Vorstand Potenzial zur Steigerung des Frauenanteils. Aber nur 48 % halten die Prozesse im eigenen Unternehmen für entsprechend transparent.

Die häufigsten Hemmnisse für den Aufstieg von Frauen in Führungspositionen

Die Vorgaben des Gesetzgebers sind teilweise nur rudimentär – selbst in Unternehmen, die gesetzlichen Regelungen unterliegen. Aus Sicht der Befragten schränken auch bestehende Machtstrukturen Karrierechancen von Frauen zum Teil gravierend ein. Weibliche und männliche Führungskräfte schätzen die Hemmnisse teilweise unterschiedlich ein:

  • 71 Prozent der befragten Frauen sehen männerdominierte Führungsstrukturen als Hemmnis, 50 Prozent der befragten Männer teilen diese Ansicht.
  • Rund die Hälfte der Frauen (48 Prozent) empfinden autoritäre Führungskulturen als Hindernis (Männer: 30 Prozent); ebenso viele sagen dies über unterschiedliche Wertevorstellungen von Frauen und Männern (Männer: 30 Prozent).
  • 40 Prozent der weiblichen Führungskräfte nehmen die Präsenzkultur als hinderlich für den Aufstieg von Frauen wahr (Männer: 30 Prozent).
  • Ein Führungsstil, der auf vorwiegend auf Kontrolle statt Vertrauen setze, ist für 36 Prozent der Frauen ein Hindernis (Männer 30 Prozent).

"In einem von männlichem Hierarchiedenken geprägten Unternehmen kann gleichberechtigte Teilhabe nicht gelingen", sagt Monika Schulz-Strelow, Gründungspräsidentin von Fidar, die die Studie geleitet hat. Es seien dringend Veränderungen notwendig. "Aber diese müssen von innen heraus kommen“, betont sie. „Hier sind die Unternehmen selbst gefordert, Maßnahmen zu ergreifen und umzusetzen." Über alle Hierarchieebenen müsse eine gleichberechtigte Unternehmenskultur etabliert und gelebt werden.

Sechs Tipps für mehr Chancengerechtigkeit im Unternehmen

Der Fidar-Praxisleitfaden gibt Handlungsempfehlungen, wie Unternehmen den Frauenanteil in der Führung erhöhen können:

  • Eine verbindliche Strategie zur Erhöhung des Frauenanteils auf allen Leitungsebenen durch einen Code of Conduct formulieren, der im Unternehmensleitbild festgeschrieben wird.
  • Eine menschenzentrierte Unternehmenskultur etablieren, in der Sexismus nicht toleriert wird.
  • Rekrutierung und Beförderung transparent gestalten durch objektive Kriterien bei der Stellenbesetzung.
  • Vereinbarkeit von Beruf- und Privatleben verbessern durch mobiles Arbeiten, Homeoffice, Kinderbetreuung und Familienservicedienstleister.
  • Frauen gezielt durch Netzwerke, Mentoringprogramme und Coachings empowern.
  • Role Models und Male Allies fördern – wobei Männern eine Schlüsselrolle zukommt, indem sie sich für eine gleichstellungsorientierte Kultur einsetzen und so mit gutem Beispiel vorangehen.

"Unser Ziel ist, aus der Praxis für die Praxis konkrete Handlungstipps zu geben", betont Fidar-Präsidentin Prof. Dr. Anja Seng. Der Praxisleitfaden steht hier zum Download bereit.

Führungspositionengesetze zeigen langsam Wirkung

Vor allem dort, wo gesetzliche Vorschriften greifen, hat die Anzahl der Frauen in Führungspositionen signifikant zugenommen. In den Aufsichtsräten der derzeit 179 Unternehmen im DAX, MDAX und SDAX sowie in den Unternehmen, die im Regulierten Markt gelistet sind und paritätisch mitbestimmt werden, beträgt der Frauenanteil 36,5 Prozent. In den Vorständen erreicht er 19,3 Prozent.

Es reiche jedoch nicht, wenn sich nur in den Aufsichtsräten und Vorständen etwas verändere, meint Bundesfrauenministerin Lisa Paus. "Die Umsetzung von vorgegebenen Zielgrößen geht nur schleppend voran. Hier sehen wir, wie groß der Handlungsbedarf in vielen Unternehmen ist – insbesondere dort, wo keine Quotenregelungen gelten." Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend fördert das Projekt.


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Schlagworte zum Thema:  Diversity, Frauenquote, Gleichstellung