Argumente für mehr Privatsphäre im Büro

Hybrid Working klingt perfekt: zu Hause konzentriert arbeiten, zum Austausch ins Büro. Doch in der Praxis klappt das oft nicht. Der Wunsch nach Privatsphäre endet nicht am Unternehmens­tor. Eine Studie zeigt Lösungs­wege aus diesem Dilemma. 

Sitzen Sie gerade im (Großraum-)Büro oder im Homeoffice? Eine klassische Meeting-Frage, die vor zwei Jahren nicht so selbstverständlich gewesen wäre wie heute. Betrachtet man die Entwicklung von Bürokonzepten, bilden sich neue Arbeitsformen und -konzepte über einen längeren Zeitraum, bis sie sich etablieren. Die letzten 24 Monate katapultierten Arbeitgeber und Arbeitnehmende in eine neue Form der Arbeit. Kamen zwischenzeitlich Fragen auf, ob das Büro überhaupt noch benötigt wird, ist nun klar: Räumlichkeiten bleiben nicht nur für die Attraktivität des Arbeitgebers (Stichwort The Great Resignation), sondern auch als Arbeitsort unverzichtbar – die neue Form der Arbeit, die sich etablieren wird, ist hybrid. 

Büro nicht nur als Ort der Zusammenarbeit

Wenn Unternehmen jetzt die Funktion ihrer Arbeitsräume für hybrides Arbeiten überdenken, gehen nicht wenige davon aus, dass das Büro ausschließlich ein Ort der Zusammenarbeit sein wird. Werden Arbeitnehmende gefragt, haben allerdings bereits frühere Studien gezeigt: Angestellte klagen über Konzentrationsschwierigkeiten in offenen Arbeitsumgebungen. Auch die aktuelle Studie von Steelcase belegt: Die Möglichkeit, bei der Arbeit einen privaten Bereich zu nutzen, ist für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jetzt wichtiger denn je. Insbesondere, wenn ein Großteil der Arbeit per Video stattfindet und zukünftig vermehrt stattfinden wird.

Angestellte in Deutschland geben an, dass für sie vollständig oder teilweise abgeschlossene Arbeitsbereiche wichtiger sind als vor der Pandemie (58 Prozent), dicht gefolgt von Bereichen zur hybriden Zusammenarbeit (57 Prozent), Privatsphäre (56 Prozent) und Nischen zur Einzelnutzung in hybriden Besprechungen (55 Prozent). Eine große Anzahl an Räumen zur Zusammenarbeit wissen im Vergleich weniger Mitarbeitende zu schätzen (42 Prozent). Grund für den Ruf nach mehr Privatsphäre im Büro ist, dass Arbeitnehmende in der Homeoffice-Zeit erlebt haben, wie es ist, ohne Ablenkungen arbeiten zu können. 

Ohne Rückzugsmöglichkeit im Büro leidet die Produktivität

Beim Übergang zur hybriden Arbeit möchten Menschen also, dass das Büro Zusammen-, aber auch Fokusarbeit unterstützt. Die Annahme von Unternehmen, dass Fokusarbeit, die allein durchgeführt wird, auch künftig zu Hause stattfindet, ist problematisch. Warum?

Für die meisten Angestellten zieht sich der Bedarf nach Privatsphäre wellenförmig durch den Arbeitstag. Die zu erledigenden Aufgaben variieren zwischen intensiver Zusammenarbeit mit anderen, einfachen, aber individuellen Arbeiten, wie zum Beispiel das Beantworten und Schreiben von E-Mails, oder Aufgaben, die konzentriert erledigt werden müssen. 

Den Grad der Privatsphäre im Büro selbst regeln

Ohne die Möglichkeit, die benötigte Privatsphäre selbst zu regeln, sehen sich Angestellte in offenen Umgebungen ständig mit Ablenkungen konfrontiert. Das führt dazu, dass sie sich deutlich mehr anstrengen müssen, um ihre Arbeit zu erledigen. Hinzu kommt: Der Mensch als soziales Wesen strebt danach, von seinem sozialen Umfeld geschätzt zu werden. Um möglichst viel Akzeptanz von Kolleginnen und Kollegen zu erhalten, überprüfen wir in Anwesenheit anderer kontinuierlich unser Verhalten und Auftreten. Diese (unterbewusste) Selbstkontrolle ist störend und raubt zusätzlich Energie. 

Menschen möchten also phasenweise ungestört arbeiten, der Arbeitsweg erlaubt es aber häufig nicht, im Laufe eines Tags mal im Büro, mal im Homeoffice zu arbeiten. Wenn das Büro keine Rückzugsorte bietet, bedeutet das, dass Produktivität und Wohlbefinden leiden.

Um Privatsphäre im Raum zu schaffen, ist es wichtig zu wissen, dass es verschiedene Arten gibt:

  • Akustische Privatsphäre: keine Störung durch Lärm und/oder die Möglichkeit, selbst Lärm zu verursachen, ohne dabei andere zu stören.
  • Visuelle Privatsphäre: nicht von anderen gesehen werden und/oder sich von visuellen Ablenkungen freimachen.
  • Territoriale Privatsphäre: Forderung nach einem eigenen kontrollierbaren Raum.
  • Informatorische Privatsphäre: Inhalte (analog und/oder digital) und/oder Unterhaltungen vertraulich behandeln.

Privatsphäre meint also nicht immer nur einen eigenen Raum mit vier Wänden und einer Tür. Abhängig von der nötigen Form können auch völlig offene Räume für Privatsphäre sorgen. Bereits visuelle Privatsphäre, etwa durch abschirmende Trennwände, trägt dazu bei, dass sich Mitarbeitende besser in offenen Büroumgebungen konzentrieren können. In einer anderen Situation hilft gegebenenfalls eher ein abschließbarer Raum mit Glasscheiben für territoriale sowie akustische Privatsphäre, der jedoch freien Blick auf das Geschehen in der Umgebung gewährt. 

Ökosystem für unterschiedliche Arbeitsweisen

Wie kann nun beiden Bedürfnissen, dem Wunsch nach mehr Privatsphäre sowie nach Zusammenarbeit, im Büro entgegengekommen werden? Bei der Einrichtung oder Umgestaltung von (offenen) Arbeitsumgebungen sollte Mitarbeitenden im Idealfall ein Ökosystem an Arbeitsbereichen für unterschiedliche Arbeitsweisen zur Verfügung gestellt werden. So wird gewährleistet, dass sie sich den Bereich aussuchen können, der für sie und ihre Aufgabe im Arbeitsalltag am besten geeignet ist. 

Vergleichbar mit einer Nachbarschaft, in der wir in unserem Zuhause eingebettet sind, stellen Umgebungen und Arbeitsbereiche eine Basis für Teams, einzelne Mitarbeitende, Abteilungen oder Projektteams dar. Unter anderem:

  • Einzelarbeitsbereiche, die einer bestimmten Person zugeordnet sind oder von einem Team geteilt werden.
  • Bereiche zur Zusammenarbeit für analoge und virtuelle Interaktionen, die verschiedene Arten der Zusammenarbeit unterstützen.
  • Orte mit ausreichender Privatsphäre, um allein fokussiert zu arbeiten oder sich zurückzuziehen, wenn man für sich sein will oder sich erholen möchte.
  • Bereiche, in denen man zusammenkommt, sich austauscht und von seinen Teamkolleginnen und -kollegen lernt.

Hybride Zukunft jetzt angehen

Können Mitarbeitende aus einem Raumsystem aus zusammenhängenden Zonen und Umgebungen wählen, die ihren physischen, kognitiven und emotionalen Bedürfnissen gerecht werden, können sie Inspiration und Energie aus der Zusammenarbeit mit anderen schöpfen. Gleichzeitig haben sie aber auch die Möglichkeit, Rückzugsmöglichkeiten zu nutzen.  

Die Zukunft liegt in der Ausgewogenheit der angebotenen Bereiche, die die unterschiedlichen Arbeitsmodi abdecken. Wir werden künftig verstärkt in hybriden Arbeitsmodellen arbeiten, da Menschen weiterhin mobil und flexibel arbeiten wollen. Das sorgt für noch mehr individuelle Entscheidungen innerhalb der Arbeitsumgebung und sollte bereits jetzt in der Gestaltung beachtet werden. 


Dieser Beitrag ist im aktuellen Sonderheft "Personalmagazin plus: Neue Arbeitswelten" erschienen, das Sie hier kostenlos als PDF herunterladen können.


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Schlagworte zum Thema:  New Work, Büro, Büroarbeitsplatz