Jedes Jahr machen Beschäftigte in Deutschland zahlreiche Überstunden - und mehr als ein Fünftel von ihnen wird dafür nicht bezahlt. Zugenommen hat zuletzt die Bedeutung von Überstunden, die durch Freizeit ausgeglichen werden können. Das geht aus den aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts (Destatis) und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor.
Überstunden sind für viele Beschäftigte im Arbeitsalltag üblich. Aus den neuesten Zahlen des Statistische Bundesamts in Wiesbaden geht hervor, dass im Jahr 2021 insgesamt 4,5 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mehr Arbeit geleistet haben als in ihrem Arbeitsvertrag vereinbart. Das entspricht einem Anteil von 12 Prozent der insgesamt 37,8 Millionen Beschäftigten in Deutschland. Von den Arbeitnehmenden, die Überstunden machten, wurden 22 Prozent dafür nicht bezahlt. Die Bedeutung von Überstunden, die durch Freizeit ausgeglichen werden können, hat dafür stark zugenommen.
Knapp jeder Dritte macht mehr als 15 Überstunden pro Woche
Für die meisten Beschäftigten war der Umfang der Mehrarbeit relativ gering und auf wenige Stunden pro Woche begrenzt. Rund ein Drittel (33 Prozent) gab an, weniger als fünf Überstunden geleistet zu haben, bei 59 Prozent waren es weniger als zehn Stunden. Allerdings leistete mehr als ein Viertel (29 Prozent) der Beschäftigten mindestens 15 Stunden Mehrarbeit in der Woche. Dabei kam es bei den Männern mit einem Anteil von 14 Prozent etwas häufiger zu Mehrarbeit als bei den Frauen mit einem Anteil von 10 Prozent.
Überstunden: Bezahlt, unbezahlt oder Ausgleich durch Freizeit
Von den Personen, die 2021 mehr gearbeitet hatten als vertraglich vereinbart, leisteten knapp 22 Prozent unbezahlte Überstunden. Knapp 18 Prozent wurden für ihre Überstunden bezahlt. 72 Prozent nutzten ein Arbeitszeitkonto für die geleistete Mehrarbeit, sodass die Überstunden durch Freizeit ausgeglichen wurden. Mehrarbeit wurde damit teilweise über eine Kombination der drei Formen geleistet.
Die meisten Überstunden im Finanzsektor
Mit Blick auf die einzelnen Wirtschaftsbereiche zeigen die Zahlen von Destatis deutliche Unterschiede. Die meiste Mehrarbeit wurde 2021 im Bereich Finanz- und Versicherungsleistungen geleistet. Hier waren 19 Prozent von Überstunden betroffen, also fast jeder fünfte Beschäftigte. Mit 18 Prozent war der Anteil der Beschäftigten, die Überstunden leisteten, in der Energieversorgung ebenfalls sehr hoch. Am niedrigsten war der Anteil mit 6 Prozent im Gastgewerbe, gefolgt von der Kunst- und Unterhaltungsbranche mit 8 Prozent. Hier dürften sich vor allem die Beschränkungen während der Coronapandemie ausgewirkt haben.
Die Statistik zeigt die Anzahl der bezahlten und unbezahlten Überstunden je Arbeitnehmenden in Deutschland in den Jahren von 2000 bis 2021. Im Jahr 2021 machten die Beschäftigten in Deutschland im Durchschnitt 20 bezahlte und 21,8 unbezahlte Überstunden.
Überstunden von Fach- und Führungskräften in ihrer Berufslaufbahn
Erkenntnisse zu den Überstunden von Fach- und Führungskräften liefert der etwas ältere "Arbeitszeitmonitor 2021" von Compensation Partner. Für die Studie werteten die Vergütungsanalysten 346.405 Daten aus. Das Ergebnis: Der Durchschnitt an Überstunden sinkt seit der Finanzkrise 2009. Damals betrug die Überstundenzahl 6,5 Stunden pro Woche, laut dem letzten Report kommt der Durchschnitt aller Beschäftigten auf rund drei Überstunden pro Woche.
Während die Fachkräfte leicht unter dem Überstundendurchschnitt liegen, kommen Führungskräfte auf 7,6 Überstunden pro Woche. Unter ihnen erhalten nur 14 Prozent einen Überstundenausgleich, bei den Fachkräften sind es mehr als doppelt so viele.
Je höher das Gehalt, desto mehr Überstunden
Laut der Untersuchung von 2021 ergibt sich bei Fachkräften eine Korrelation zwischen der Anzahl der Überstunden und der Gehaltshöhe. Während Geringverdiener von bis zu 20.000 Euro im Jahr durchschnittlich 1,7 Stunden pro Woche mehr arbeiten, sind es bei einem Gehaltsniveau von 40.000 bis 60.000 Euro etwa 2,7 Stunden zusätzlich. Fachkräfte mit einem Jahresgehalt von über 120.000 Euro arbeiten im Schnitt sogar rund sechs Stunden länger pro Woche.
Mehr Überstunden im Alter
Auch das Alter der Fachkräfte steht im Zusammenhang mit der Anzahl der Überstunden. Mit zunehmendem Lebensalter steigt auch die Anzahl der Überstunden kontinuierlich an. Beschäftigte unter 20 Jahren machen im Schnitt 1,6 Stunden pro Woche extra, bei den über 60-Jährigen waren es 3,5 Stunden.
Branchenvergleich: Unternehmensberater machen die meisten Überstunden
Bei einem Blick auf die unterschiedlichen Branchen fällt auf, dass Beschäftigte in Unternehmensberatungen die meisten Überstunden leisten. Sie kommen 2021 auf durchschnittlich 4,7 Stunden zusätzlich pro Woche. Hier erhielten nur 20 Prozent aller Berufstätigen einen Ausgleich. Die wenigsten Überstunden verrichten Beschäftigte in der Steuerberatung/Wirtschaftsprüfung, sie leisten im Schnitt 1,6 Stunden pro Woche zusätzlich.
Regionale Unterschiede fallen kaum ins Gewicht
Der Bundesländer-Vergleich deckt nur minimale Unterschiede auf. Was auffällt – eine leichte Tendenz, dass in Bundeländern mit höherem Lohnniveau etwas mehr Überstunden geleistet werden. In Hessen, Hamburg und Baden-Württemberg sind es drei Überstunden pro Woche, im Vergleich dazu kommen Beschäftigte in Mecklenburg-Vorpommern auf 2,8 Stunden.
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