Arbeiten 4.0: Studenten schlecht auf Digitalisierung vorbereitet

Nicht einmal jeder zweite Student fühlt sich von seinem Studium gut auf die Anforderungen der Digitalisierung vorbereitet, so das Ergebnis einer Studie. Experten kritisieren schon länger, dass das Thema noch nicht in Studienordnungen und Ausbildungscurricula angekommen ist.

Angesichts des fehlenden Inputs zum Thema "Digitalisierung" im Studium werden viele Studenten offenbar zu Autodidakten: 55 Prozent von ihnen geben an, sich die erforderlichen Fähigkeiten selbst angeeignet zu haben. Das hat eine Online-Umfrage des Jobportals Talerio unter 227 Studenten aus zwölf Fachrichtungen ergeben.

Die unzureichende Vorbereitung an den Hochschulen scheint jedoch aus Sicht der Studenten nicht an der mangelnden Qualifikation des Lehrpersonals zu liegen – denn nur sieben Prozent der Befragten sind der Meinung, dass ihre Dozenten sich zu wenig mit Internet- und Digitalthemen auskennen.

Digitalisierung als Inhalt und Vermittlungsform

Das legt die Vermutung nahe, dass es noch bei der Konzeption von Studiengängen hakt und die Digitalisierung darin noch keine ausreichend große Rolle spielt. Dabei könnte die Digitalisierung dort in zweierlei Hinsicht genutzt werden: als Inhalt und als Mittel zur Aufbereitung des Lernstoffs, also etwa in Form von digitalen Lerneinheiten. 

"Die meisten Hochschulen haben sich noch keine digitale Strategie zurechtgelegt", beklagte Jörg Dräger, Geschäftsführer des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE), im vergangenen Jahr gegenüber der "Welt". Bisher blieben die meisten Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, noch zu einem großen Teil ungenutzt.

Gleiches bemängelte im vergangenen Jahr auch die Projektgruppe Intelligente Bildungsnetze – eine von sechs Gruppen, die den jährlich vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie ausgerichteten IT-Gipfel vorbereiten. Die Mitglieder appellierten anlässlich des IT-Gipfels 2014 an die Politik, digitale Innovationen an deutschen Hochschulen entschlossener zu unterstützen – etwa, indem Bund und Länder Anreize für die Digitalisierung von pädagogisch wertvollen Inhalten für Studium und Weiterbildung schaffen sollten.

Keine Angst vor der Digitalisierung

Auch bei der Konzeption der Berufsausbildung sehen Experten noch Nachholbedarf in puncto Einbindung von Digitalisierungsthemen. So kritisierte etwa Professor Arnold Picot von der Ludwigs-Maximilians-Universität München im Interview mit der Haufe Online-Redaktion unzeitgemäße Ausbildungsinhalte. Diese seien nicht nur ein Problem der Schulen, sondern auch der mangelnden Ausbildung der Ausbilder in den Betrieben. "Die Ausbildung bereitet zu wenig auf die digitale Arbeitswelt vor", so der Professor für Betriebswirtschaftslehre.

Dabei würden die Studenten mehr auf Digitalisierungsthemen zugeschnittenen Curricula sicherlich offen gegenüber stehen – denn eine große Mehrheit (84 Prozent) der von Talerio befragten Nachwuchsakademiker haben der Befragung zufolge keine Angst vor der Digitalisierung der Arbeitswelt.

Optimistisch in seine digitalisierte berufliche Zukunft blickt gut jeder zweite befragte Student: 55 Prozent glauben, dass durch die Digitalisierung neue Jobs entstehen. Knapp jeder Dritte (29 Prozent) denkt sogar, dass insbesondere akademische Berufe nicht von der Automatisierung betroffen sind.

Mehr neue Jobs durch Digitalisierung?

Die Frage, ob die Digitalisierung künftig mehr Arbeitsplätze schaffen oder überflüssig machen wird, wird unter Experten derzeit heiß debattiert. So zeigte etwa kürzlich eine Studie der Boston Consulting Group (BCG), dass durch den Trend hin zur Industrie 4.0 in den kommenden zehn Jahren Insgesamt 390.000 neue Arbeitsplätze entstehen könnten. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) prognostiziert etwa allein für die Maschinenbau-Industrie bis 2018 insgesamt 10.000 neue Arbeitsplätze.

Daneben stehen aber auch Prognosen, die nahelegen, dass viele Jobs künftig wegfallen werden – so etwa eine  US-Studie, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung auf Deutschland (ZEW) in Hinblick auf den deutschen Arbeitsmarkt analysiert hat. Demnach würde künftig rund jeder achte Job durch die Digitalisierung wegfallen. Allerdings warnen die ZWE-Forscher davor, die zugrundeliegenden Zahlen eins zu eins auf Deutschland zu übertragen. Und auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles zeichnete kürzlich anlässlich der Auftaktveranstaltung zur Kampagne "Arbeiten 4.0" ein positives Bild von der künftigen Entwicklung in Deutschland: "Es werden Jobs vernichtet, aber auch viele neue entstehen", so Nahles.


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