2.1 Übertragene Entgeltansprüche (Abs. 1)
Rz. 2
Soweit Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den Insolvenzgeldzeitraum auf einen Dritten übertragen worden sind, bevor der Arbeitnehmer das Insolvenzgeld beantragt hat, steht auch der Anspruch auf Insolvenzgeld dem Dritten zu. Absatz 1 sichert insoweit die Akzessorität von Arbeitsentgelt und Insolvenzgeld. Kraft Verweisung (vgl. § 400 BGB) gelten die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 bis 850i ZPO. Nach § 850a ZPO sind u. a. Mehrarbeitsvergütungen zur Hälfte, das Urlaubsgeld, Jubiläumsgelder, Auslösungen, Gefahren-, Schmutz- und Erschwerniszulagen oder Heirats- und Geburtsbeihilfen unpfändbar.
Rz. 3
Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur Forderungsübergänge durch Rechtsgeschäft (Abtretung gemäß § 398 BGB) erfasst. Das BSG hat jedoch bereits zu § 141k AFG entschieden, dass der Tatbestand der Übertragung auch in den Fällen des gesetzlichen Forderungsübergangs gemäß § 412 BGB erfüllt ist, wenn der Gläubiger unterhaltssichernde Geldleistungen erbracht hat (BSG, Urteil v. 23.2.1988, SozR 4100, § 141k Nr. 4). Da der Gesetzgeber die Regelung des AFG in Kenntnis dieser Rechtsprechung übernommen hat, ohne eine Klarstellung vorzunehmen, hat diese erweiternde Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen weiterhin Bestand. Zahlt die Krankenkasse bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers Krankengeld, obwohl ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den zahlungsunfähigen Arbeitgeber besteht, geht der Arbeitsentgeltanspruch auf die Krankenkasse nach § 115 SGB X über und begründet bei Insolvenz des Arbeitgebers grundsätzlich einen Insolvenzgeldanspruch nach § 170 Abs. 1 Der Übergang des Entgeltanspruchs auf die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge wird dagegen nicht von § 170 umfasst (allg. Meinung, vgl. Krodel, in Niesel, SGB III, § 188 Rz. 4 m. w. N.).
Rz. 4
Folge der Abtretung des Arbeitsentgeltanspruchs ist der durch den Eintritt des Insolvenzereignisses bedingte Übergang des Anspruchs auf Insolvenzgeld auf den Abtretungsempfänger. Auch Zinsen und Nebenforderungen gehen dabei über. Die Bundesagentur für Arbeit kann mit befreiender Wirkung das Insolvenzgeld an den Arbeitnehmer zahlen, wenn sie von der Abtretung keine Kenntnis hat, § 407 BGB. Hat die Bundesagentur dagegen Kenntnis von der Abtretung und der Person des Erwerbers, kommt eine Zahlung mit befreiender Wirkung nur an den Erwerber in Betracht.
2.2 Pfandrechte am Arbeitsentgeltanspruch (Abs. 2 und 3)
Rz. 5
Sind Ansprüche auf Arbeitsentgelt für den Insolvenzgeldzeitraum verpfändet oder gepfändet worden, bevor der Arbeitnehmer den Antrag auf Insolvenzgeld gestellt hat, besteht das Pfandrecht auch an dem Anspruch auf Insolvenzgeld, Abs. 2. Kraft Verweisung (vgl. § 1274 Abs. 2 BGB) gelten auch bei vertraglichen Pfandrechten die Pfändungsbeschränkungen der §§ 850 bis 850i ZPO. Das Pfandrecht an den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt erlischt, wenn die Ansprüche auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind – also der Antrag auf Insolvenzgeld gestellt worden ist, § 169 – und sie das Insolvenzgeld an den Berechtigten gezahlt hat. Dies sind gemäß § 1281 BGB vor Fälligkeit der gesicherten Forderung (Pfandreife gemäß § 1282 BGB) der Arbeitnehmer und die Pfandgläubiger gemeinschaftlich, nach Pfandreife ausschließlich der Pfandgläubiger.
Rz. 6
Nach Abs. 3 erlöschen die an den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt bestehenden Pfandrechte, wenn die Ansprüche auf die Bundesagentur übergegangen sind und diese Insolvenzgeld an den Berechtigten erbracht hat. Nach Abtretung ist nur noch der Erwerber berechtigt, den Antrag auf Zahlung von Insolvenzgeld zu stellen.
2.3 Beschränkungen bei Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt (Abs. 4)
Rz. 7
Abs. 4 regelt eine besondere Fallgestaltung der Abtretung von Arbeitsentgeltansprüchen. Vom Regelungsgehalt des Abs. 4 wird nur die fremdbestimmte Vorfinanzierung von Arbeitsentgeltansprüchen erfasst, die vorrangig im Interesse des Finanzierenden liegt (z. B. zuletzt SG Speyer, Urteil v. 25.4.2018, S 1 AL 181/16 m. w. N.). Nicht erfasst werden von Abs. 4 bereits erarbeitete Arbeitsentgeltansprüche, die an einen Dritten abgetreten werden. Abs. 4 bezieht sich nur auf die kollektive Vorfinanzierung. Die individuelle Vorfinanzierung, bei denen sich Arbeitnehmer ihre Ansprüche auf Arbeitsentgelt vor Insolvenzeröffnung vorfinanzieren lassen, bleibt unberührt (Hunold, NZI 2015 S. 785 m. w. N.). Eine Vorfinanzierung der Arbeitsentgelte mittels des Insolvenzgeldes dient dazu, die Arbeitnehmer durch die Zahlung des Arbeitsentgelts zur Weiterarbeit zu bewegen. Mit der Vorfinanzierung können insofern kurzfristige Unternehmenskrisen überwunden werden. Die Vorfinanzierung ist grundsätzlich zulässig. Mit Abs. 4 unternimmt der Gesetzgeber einen neuerlichen Versuch, Missstände bei der Vorfinanzierung von Arbeitsentgelt (z. B. Hinauszögern der Insolvenz, Bevorzugung von Gläubigern durch das Ausklammern von Arbeitsentgeltansprüchen aus den Konkursforderungen, gezielte Bevorzugung bestimmter Gläubiger durch Schuldtilgung mit in der Zwischenzeit noch erwirtschafteten Einnahmen, Ausgliedern rentabler Unternehmensteile) zu unterbinden. Die Vorgängervorschrift (§ 141k Abs. 2a AFG), nach der vor Eröffnung des Insolve...