Entscheidungsstichwort (Thema)

Einheitliche Leitungsmacht und organisatorische Einheit von Arbeitsmitteln bei gemeinsamem Betrieb. Kein gemeinsamer Betrieb bei Ausrichtung gemeinsamer Weihnachtsfeier mehrerer Unternehmen. Kein Schadensersatzanspruch des Arbeitnehmers wegen Herausgabe des dienstlich genutzten PKW. Entfernen der Abmahnung kein Löschungsverlangen nach Art. 17 DSGVO

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zu den Voraussetzungen eines gemeinschaftlichen Betriebs zweier Unternehmen.

2. Der Umstand, dass die Servicetechniker zweier Unternehmen Kunden des jeweils anderen Unternehmens besuchen, begründet keinen gemeinschaftlichen Betrieb der beiden Unternehmen, wenn die Servicetechniker jeweils im eigenen Unternehmen disponiert werden, ihr Einsatz also nicht zentral gelenkt wird.

3. Eine unzulässige Maßregelung i.S. des § 612a BGB setzt eine Rechtsausübung des Arbeitnehmers voraus. Der Eintritt einer Arbeitsunfähigkeit ist ein organisches und/oder psychisches Geschehen, keine Rechtsausübung.

4. Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen des Arbeitsausfalls in Folge Arbeitsunfähigkeit stellt keine unzulässige Maßregelung i.S. des § 612a BGB dar.

5. Die Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus der Personalakte, weil diese unrichtig, unbestimmt oder unverhältnismäßig sei (Entfernungsanspruch nach §§ 242 und 1004 Abs. 1 BGB), hat wegen des unterschiedlichen Lebenssachverhalts einen anderen Streitgegenstand als die Klage auf Entfernung einer Abmahnung aus datenschutzrechtlichen Gründen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses (Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1(a) DS-GVO).

 

Normenkette

KSchG § 23; BGB § 612a; DS-GVO Art. 17 Abs. 1 Buchst. a); KSchG § 1 Abs. 1; BGB § 280 Abs. 1, §§ 242, 1004 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 15.11.2019; Aktenzeichen 6 Ca 25/19)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 20.05.2021; Aktenzeichen 2 AZR 560/20)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim - Kammern Heidelberg - vom 15. November 2019 (6 Ca 25/19) geringfügig abgeändert:

    1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.676,58 Euro brutto zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 29. April 2019 zu zahlen.
    2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
  2. Soweit sich die Berufung des Klägers gegen die Abweisung des allgemeinen Feststellungsantrags (Klagantrag Ziff. 2) richtet, wird sie als unzulässig verworfen.
  3. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
  4. Die erstinstanzlichen Kosten trägt der Kläger zu 25/27, die Beklagte zu 2/27. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
  5. Die Revision wird in Bezug auf die Entscheidungen über die Klaganträge Ziff. 1 und 7 zugelassen. Im Übrigen wird sie nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 05. Februar 2019 wirksam ordentlich zum 31. März 2019 kündigen konnte. Der Kläger erhebt außerdem folgende Forderungen gegen die Beklagte:

- Entschädigung für den Entzug des Dienstfahrzeugs im Zeitraum 17.12.2018 bis 31. März 2019 (3,5 x 375,- Euro brutto):

1.312,50 Euro brutto

- Abgeltung von elf Urlaubstagen:

2.090,00 Euro brutto.

Schließlich verlangt der Kläger von der Beklagten auch für den Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, dass diese die Abmahnungen vom 17. und 18. Januar 2019 aus seiner Personalakte entfernt.

Der Kläger arbeitete seit dem 13. Juli 2015 für die Beklagte als Servicetechniker. Sein Monatseinkommen betrug zuletzt 3.450,00 Euro brutto. 2018 verdiente er einschließlich der Einmalzahlungen im Schnitt monatlich 3.521,00 Euro brutto. Der Kläger wurde im Außendienst bei den Kunden eingesetzt. Er fuhr ein Dienstfahrzeug, einen Renault Trafic, Typ III, den er am Ende eines Arbeitstages nicht bei der Beklagten, sondern bei sich daheim abstellte. Ein Gebrauchsvorteil durch die private Nutzung des Dienstfahrzeugs wurde nicht versteuert.

Die Beklagte vertreibt W-Einrichtungen und W-Geräte, die sie zumindest zum Teil von der AS-W-Technik GmbH (im Folgenden: AS) in G bezieht. Außerdem bietet die Beklagte ihren Kunden Serviceleistungen einschließlich der Kalibrierung der W-Geräte an. Zum Zeitpunkt der Kündigung beschäftigte die Beklagte i. S. des § 23 Abs. 1 KSchG 3,5 Arbeitnehmer:

- DD, kfm. Angestellte

- FW (66 oder 67 Jahre alt), kfm. Angestellter

- den Kläger, Servicetechniker und

- einen zweiten Servicetechniker.

Der Geschäftsführer der Beklagten ist auch alleiniger Geschäftsführer der AS. Die AS vertreibt ebenfalls W-Einrichtungen und W-Geräte. Diese sind entweder in Gänze angekauft oder werden aus angekauften Komponenten von der AS nach den Bedürfnissen der Kunden zusammengebaut. Ebenso bietet die AS Serviceleistungen an. Sie beschäftigte zum Zeitpunkt der Kündigung regelmäßig 15 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, darunter

- im kaufmännischen Bereich: AB, MK

- im Servicebereich: einen Leiter und sechs bis sieben Techniker.

Serviceleiter waren vom 01. Juni 2012 bis 30. November 2017 DB und von Juli 2018 bis 31. Oktober 2019 MKo.

Die ...

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