Beteiligte

Kläger und Revisionskläger

Beklagte und Revisionbeklagte

 

Tatbestand

I.

Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU).

Der 1929 geborene Kläger, dem die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ab September 1989 vorzeitiges Altersruhegeld gewährt (Bescheid vom 29. November 1989), entrichtete von April 1944 bis Juni 1962, zuletzt aufgrund einer Beschäftigung als Strumpfwirker und Fabrikarbeiter, Pflichtbeiträge, danach bis Dezember 1975 freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung der Arbeiter und 1976/77 als Angestellter Pflichtbeiträge zur Angestelltenversicherung. Ab Januar 1978 war er als Selbständiger erwerbstätig und führte freiwillige Beiträge zur BfA, ab Dezember 1979 im Kontenabbuchungsverfahren, ab. Der letzte Beitrag wurde im Januar 1984 abgebucht. Im Februar 1984 teilte das Kreditinstitut der BfA mit, das Konto des Klägers sei gelöscht. Die BfA bat den Kläger mit Schreiben vom 3. Mai 1984 und Erinnerungsschreiben vom 21. Juni 1984, er möge ein anderes Konto für die Abbuchung der Beiträge benennen. Unter dem 15. August 1984 teilte sie ihm mit, da er nicht geantwortet habe, gehe sie davon aus, daß er an einer Weiterführung der freiwilligen Versicherung nicht interessiert sei. Sein Konto sei daher gelöscht worden. Zum 31. Dezember 1984 meldete der Kläger sein Gewerbe ab. Auf seinen Antrag vom 1. März 1985 gewährt ihm die Gemeinde R. Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Den im Mai 1985 gestellten Rentenantrag des Klägers lehnte die BfA mit dem streitigen Bescheid vom 14. August 1985 ab, weil er in seinem bisherigen Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne schweres Heben und Tragen und ohne Überkopfarbeit vollschichtig tätig sein könne.

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgericht -SG- Lübeck vom 1. März 1988; Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts -LSG- vom 7. Juni 1989). Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei vor dem 1. Juli 1984 nicht so gemindert gewesen, daß zumindest BU vorgelegen hätte. Der Kläger habe entgegen § 23 Abs. 1 und Abs. 2a, § 24 Abs. 1 und Abs. 2a des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zuletzt vor Eintritt der EU oder BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht ausgeübt und auch in der Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 1984 keine ununterbrochenen Aufschubzeiten i.S. von §§ 23 Abs. 2a, 24 Abs. 2a AVG zurückgelegt. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch auf Zulassung zur Nachentrichtung von freiwilligen Beiträgen für 1984 stehe ihm nicht zu. Die 1978 ausgesprochene Erklärung, zur Entrichtung von freiwilligen Beiträgen bereit zu sein, sei vor dem Eintritt des Versicherungsfalls im Mai 1985 erloschen.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 141 Abs. 2, 142 Abs. 1 Nr. 2 AVG und des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Er trägt vor, zu Unrecht habe das LSG in Frage gestellt, daß seine Erklärung, freiwillige Beiträge entrichten zu wollen, eine Bereiterklärung i.S. von § 141 Abs. 2 AVG sei, und fälschlich angenommen, daß sie vor Eintritt des Versicherungsfalls erloschen sei. Der Abbuchungsauftrag sei lediglich durch einen Wechsel der Bankverbindung und eine Verschlechterung der finanziellen Situation nicht mehr ausgeführt worden. Ferner habe die Beklagte sich nicht mit einem schlichten Mahnschreiben, das auf die Höhe der noch offenen Beiträge hinweise, begnügen dürfen, sondern ihn auf die versicherungsrechtlichen Folgen hinweisen müssen. Dies sei ihr ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, weil sie bereits über ein Merkblatt verfügt habe, in dem die am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen Rechtsänderungen erläutert würden und das sie ohne unvertretbaren Verwaltungsmehraufwand dem Mahnschreiben hätte beifügen können. Nach ordnungsgemäßer Beratung hätte der Kläger die - inzwischen (1987) abgegebene - Erklärung des Sozialamtes beigebracht, daß die fehlenden Beiträge von dort übernommen würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen LSG vom 7. Juni 1989, das Urteil des SG Lübeck vom 1. März 1988 und den Bescheid vom 14. August 1985 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, nach fristgemäßer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für 1984 die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zweifelhaft sei bereits, ob die Erklärung des Klägers bei Beginn seiner selbständigen Tätigkeit, freiwillige Beiträge im Abbuchungsverfahren zu entrichten, eine Bereiterklärung i.S. von § 141 Abs. 2 AVG sei. Diese Vorschrift setzte ein höheres Maß an Verbindlichkeit und Berechenbarkeit einer Beitragsentrichtung für einen bestimmten Zeitraum voraus. Die Rechtswohltat, daß eine Bereiterklärung bereits der tatsächlichen Beitragsentrichtung gleichgestellt werde, solle nicht denjenigen zugute kommen, die zum Zeitpunkt ihrer Erklärung noch nicht wissen können, für welchen Zeitraum Beiträge überhaupt entrichtet werden sollen, und ob nicht durch Änderungen in den Verhältnissen (Beginn von Versicherungspflicht, Zahlungsunfähigkeit usw) neue Entscheidungen zu treffen sind. Jedenfalls sei die Bereiterklärung des Klägers aus dem Jahre 1978 1984 erloschen. Der mehrfach an die Fortsetzung der Beitragszahlung erinnerte Kläger habe nämlich entgegen § 141 Abs. 2 AVG die Beiträge nicht in angemessener Frist geleistet. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stehe dem Kläger nicht zu, weil er nicht durch einen Aufklärungs- oder Beratungsfehler der Beklagten davon abgehalten worden sei, die ihm ungünstigen Konsequenzen des Abbruchs der Beitragsentrichtung zu erkennen. Auf die einzige naheliegende Gestaltungsmöglichkeit, nämlich die Fortsetzung der Zahlung freiwilliger Beiträge, sei der Kläger durch die Mahnschreiben hingewiesen worden. Außerdem sei er über die Änderungen "des BU/EU-Rechts" durch entsprechende Merkblätter (Sonderinformation 1984) hingewiesen worden.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist zulässig. Insbesondere liegt keine i.S. von § 168 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung darin, daß der Revisionsantrag u.a. auf die Verurteilung der Beklagten zu einer aufschiebend bedingten Leistung, nämlich zur Rentengewährung nach fristgemäßer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für 1984 gerichtet ist, während der Kläger vor dem Berufungsgericht schlechthin Rentengewährung begehrt hat. Denn sein Klagebegehren ist - ungeachtet der Fassung der Anträge (§ 123 SGG) - unverändert geblieben. Bereits in dem vor dem SG gestellten Antrag, aber auch im Berufungsverfahren hat der Kläger nämlich verdeutlicht, daß er Rente erst nach fristgemäßer Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für 1984 begehrt.

Dieses Klageziel kann er zulässigerweise mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) verfolgen. Dem steht nicht entgegen, daß das Gericht die begehrte Leistung nur unter einer aufschiebenden Bedingung zusprechen kann und daß deswegen der geltend gemachte Rentenanspruch materiell-rechtlich noch nicht "in jeder Beziehung spruchreif" i.S. von § 131 Abs. 2 SGG ist (aA Fichte DAngVers 1986, 334, 336). Die letztgenannte Vorschrift, die unmittelbar nur für die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten Verwaltungsaktes nach Verpflichtungsklage gilt, schließt nicht aus, daß ein Rechtsanspruch auf eine noch aufschiebend bedingte Leistung mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage verfolgt werden darf, wenn das Gericht - wie der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 4 S. 7) entschieden hat - die begehrte Rente unter der Bedingung ("unter Vorbehalt", so BSG a.a.O.) der Beitragsnachentrichtung zusprechen kann. Im Gegensatz zu dem materiell-rechtlichen, nach Grund und/oder Höhe noch von einer Beitragsnachentrichtung abhängigen Rentenanspruch ist dann nämlich der geltend gemachte, d.h. prozessuale Anspruch des Klägers auf Verurteilung der Beklagten zu einer aufschiebend bedingten Leistung selbst unbedingt, d.h. im Blick auf die Spruchreife nicht vom Eintritt einer Bedingung abhängig.

In Fällen der vorliegenden Art ist eine Verurteilung des Rentenversicherungsträgers zur Rentengewährung unter der Bedingung der Nachentrichtung von bestimmten Beiträgen und eine darauf gerichtete, mit der Anfechtungsklage kombinierte Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) aus folgenden Gründen statthaft: Zwar ergibt sich die Statthaftigkeit der Leistungsklage grundsätzlich erst aus der Fälligkeit des sachlich-rechtlichen Anspruchs (Hartmann, Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 47. Aufl 1989, Einführung vor §§ 257 - 259 Anm. 1 mwN; Rosenberg/Schwaab, Zivilprozeßrecht, 11. Aufl 1974, S. 464 m.w.N.). Den insoweit gemäß § 202 SGG entsprechend anwendbaren Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO; BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 37 S. 90; BSG SozEntsch 1/4 § 123 Nr. 15) sind jedoch Klagen vor der Fälligkeit der Forderung nicht fremd (§§ 257 bis 259 ZPO). Insbesondere gibt § 259 ZPO die Klage auf künftige Leistung (außer in den Fällen der §§ 257, 258 ZPO), wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, daß der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen werde. Nach dieser Generalklausel für sämtliche, auch bedingte, zwar nach Grund und Höhe auf einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis beruhende, aber noch nicht fällige Ansprüche aller Arten kann Klage auf künftige, von einer in das Urteil aufzunehmenden Bedingung abhängige Leistung erhoben und entsprechend verurteilt werden u.a. dann, wenn der Schuldner den Anspruch ernstlich, wenn auch gutgläubig, nach Grund oder Höhe bestreitet (BGHZ 5, 342; NJW 1978, 1262; BAG FamRZ 1983, 900; Hartmann, a.a.O., § 259 Anm. 1 A und 1 B mwN; Rosenberg/Schwaab, a.a.O., S. 465 m.w.N.). Voraussetzung hierfür ist jedoch, daß der Anspruch auf die künftige Leistung nicht erst in der Zukunft entsteht, also bloß in Aussicht steht, sondern bereits im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in seinem Bestand gewiß ist (BGHZ 43, 31; 5, 342; Hartmann a.a.O.; Rosenberg/Schwaab, a.a.O.; jeweils m.w.N.). Gerade hieran fehlt es in Fällen der hier in Frage stehenden Art, wenn der Rentenanspruch nicht ausschließlich im Blick auf die Rentenhöhe, sondern auch dem Grunde nach, d.h. in seiner Entstehung, von der noch ausstehenden Beitragsentrichtung abhängt. Denn dann ist bei Abschluß des Gerichtsverfahrens ungewiß, ob der Rentenanspruch jemals entstehen wird, weil es im freien Entschluß des Versicherten steht, ob er Beiträge nachentrichtet. Dann aber scheidet eine Klage in entsprechender Anwendung (§ 202 SGG) des § 259 ZPO aus.

Über diese Vorschrift hinausgehend eröffnet § 142 Abs. 2 AVG (= § 1420 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung - RVO; = § 134 Abs. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes - RKG; ähnlich: § 198 Sechstes Buch SozialgesetzbuchSGB VI) Versicherten die Möglichkeit, die Sozialgerichte wegen eines Rentenanspruchs zulässigerweise anzurufen, dessen Entstehen (§ 40 Abs. 1 Erstes Buch SozialgesetzbuchSGB I) noch von der Entrichtung von Beiträgen abhängig ist. Nach dieser Vorschrift werden Zeiträume, in denen eine Beitragsstreitigkeit im Vorverfahren gemäß § 80 Nr. 2 SGG oder im Verfahren vor den Sozialgerichten oder in denen ein Verfahren über einen Rentenanspruch schwebt, u.a. in die Nachentrichtungsfristen des § 140 AVG nicht eingerechnet. Gemäß letztgenannter Vorschrift (Abs 1 a.a.O.) sind Pflichtbeiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden. Das bedeutet, daß § 142 Abs. 2 AVG zum einen die Abhängigkeit des Rentenanspruchs von der Beitragsentrichtung im Blick hat und zum anderen die Möglichkeit, u.a. ein sozialgerichtliches Verfahren "über einen Rentenanspruch" einzuleiten und abzuschließen, bevor die für den Rentenanspruch nach Grund und/oder Höhe erheblichen Beiträge vollständig entrichtet worden sind. Sachgrund hierfür ist, daß den Versicherten während eines schwebenden Renten- oder Beitragsverfahrens nicht zugemutet werden soll, Beiträge zu entrichten, deren Wirtschaftlichkeit sie wegen des ungewissen Ausgangs des anhängigen Verfahrens noch nicht abschätzen können. Diesen besonderen beitragsrechtlichen Vorgaben des materiellen Rechts ist im sozialgerichtlichen Verfahren in Anlehnung an den in § 259 ZPO enthaltenen Rechtsgedanken dadurch Rechnung zu tragen, daß im "Verfahren über einen Rentenanspruch" (§ 142 Abs. 2 AVG) die mit der Anfechtungsklage kombinierte Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) gegeben wird, die auf den Erlaß eines Grundurteils (§ 130 Satz 1 Regelung 1 SGG), also eines - unbedingten, d.h. selbst nicht unter einem Vorbehalt stehenden - Endurteils (dazu BSG SozR 3100 § 19 Nr. 18 S. 57f. m.w.N.) abzielt, in dem der Rentenversicherungsträger zur Gewährung einer Rente unter der Bedingung verurteilt wird, daß die im Einzelfall für die Entstehung des Rentenanspruchs noch erforderlichen Beiträge wirksam (§ 140 AVG) und anrechenbar (dazu BSG SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 5 S. 10ff.) nachentrichtet werden (im Ergebnis wohl ebenso BSG SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 4 S. 7). Hierfür besteht auch ein unabweisbares Bedürfnis in der Praxis. Hängt nämlich - wie, worauf noch einzugehen ist, im vorliegenden Fall der Rentenanspruch von einem Mindestmaß an Beitragszahlungen für bestimmte Zeiträume ab, die ihrerseits nach dem Eintritt anderer Anspruchsvoraussetzungen (hier: Versicherungsfall) zu bemessen sind, oder wird der Rentenanspruch mangels ausreichender Beiträge abgelehnt und die Berechtigung des Versicherten, sie noch nachzuentrichten, bestritten, kann der Versicherte vor Abschluß des "Verfahrens über den Rentenanspruch" nicht wissen, ob und ggf welche Beiträge er noch entrichten darf bzw. muß.

Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für den von ihm erhobenen Rentenanspruch nicht vorliegen und auch nicht mehr erfüllt werden können.

Gemäß § 24 Abs. 1 AVG in der bis zum 31. Dezember 1983 gültigen Fassung war einem Versicherten Rente wegen EU schon dann zu gewähren, wenn er eu war und die Wartezeit - eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten vor Eintritt der EU (§ 24 Abs. 3 Satz 1 Buchst a AVG) - erfüllt war. Unter den gleichen Voraussetzungen war bis dahin einem Versicherten Rente wegen BU zu gewähren, wenn er bu war (§ 23 Abs. 1 und 3 AVG). Diese Wartezeiten hat der Kläger mit den bis Januar 1984 geleisteten Beiträgen erfüllt. Schon seit dem 1. Januar 1984 gilt § 24 Abs. 1 AVG jedoch idF, die er durch Art 2 Nr. 10 HBegleitG 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl. I S. 1532 - nF), § 23 Abs. 1 AVG idF, die er durch Art 2 Nr. 9 HBegleitG 1984 (a.a.O.) erlangt hat. Danach hängt die Gewährung einer Rente wegen EU oder BU zusätzlich davon ab, daß der Versicherte "zuletzt vor Eintritt der EU/BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat". Dies ist nach §§ 24 Abs. 2a, 23 Abs. 2a Satz 1 AVG nur der Fall, wenn von den letzten Kalendermonaten vor Eintritt der EU/BU mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind (Nr 1) oder - was hier ausscheidet, die EU/BU aufgrund der in § 29 AVG genannten Tatbestände eingetreten ist (Nr 2). Bei der Ermittlung der 60 Kalendermonate nach Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 a.a.O. werden sog Aufschubzeiten (Schiebezeiten; u.a. Ersatzzeiten, Ausfallzeiten, Rentenbezugszeiten usw) nicht mitgezählt (Satz 2 a.a.O.). Nach den von der Revision nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsgründen angefochtenen und deshalb den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen, durch Bezugnahme auf die Akten noch hinreichend konkretisierten Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Erwerbsfähigkeit des Klägers nicht vor dem 1. Juli 1984 gesundheitsbedingt so weit gemindert worden, daß der Versicherungsfall der BU eingetreten sein könnte, und nicht vor Mai 1985 derart gemindert worden, daß der Versicherungsfall der EU gegeben sein könnte, haben ferner 1984 die tatsächlichen Voraussetzungen von Aufschubzeiten i.S. von § 23 Abs. 2a Satz 2 AVG nicht und in der Zeit vor 1984 jedenfalls nicht in einem Umfang vorgelegen, daß der Zeitraum von 60 Kalendermonaten bis in die Zeit der Entrichtung von Pflichtbeiträgen zurückverlegt werden kann. Bei dieser Sachlage hat - was keiner Darlegung bedarf - der Kläger entgegen §§ 24 Abs. 1, 23 Abs. 1 AVG zuletzt vor Eintritt der EU/BU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht ausgeübt.

Auch die Übergangsregelung des Art 2 § 7b des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) kann zu seinen Gunsten nicht eingreifen. Danach gelten die §§ 24 Abs. 1, 23 Abs. 1 AVG in der am 31. Dezember 1983 geltenden Fassung auch für Versicherungsfälle nach diesem Zeitpunkt, wenn der Versicherte vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt (Nr 1) - dies liegt beim Kläger vor - und jeden Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen oder mit sog Aufschubzeiten nach § 23 Abs. 2a Satz 2 AVG belegt hat (Nr 2), was - wie gesagt - beim Kläger nicht der Fall ist. Nach § 7b Abs. 1 Satz 2 AnVNG kommt es hingegen auf eine Beitragsentrichtung für 1984 nicht an, wenn vorher eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt worden ist und der Versicherungsfall bis zum 30. Juni 1984 eingetreten ist. Dies scheidet hier aus. Schließlich hat der Kläger entgegen § 7b Abs. 1 Satz 3 AnVNG, falls der Versicherungsfall der BU im zweiten Halbjahr 1984 eingetreten sein sollte, das erste Kalenderhalbjahr 1984 nicht vollständig mit Beiträgen oder sog Aufschubzeiten belegt.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des mit der Revision verfolgten Rentenanspruchs kann der Kläger durch die von ihm beabsichtigte Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Monate Februar bis Dezember 1984 nicht mehr erfüllen. Dazu wäre er, weil er das "Verfahren über den Rentenanspruch" (§ 142 Abs. 2 AVG) erst mit dem Rentenantrag im Mai 1985 eingeleitet hat, nur dann berechtigt, wenn er sich vor Eintritt des Versicherungsfalls (§ 141 Abs. 2 AVG) und vor Ablauf des Jahres 1984 i.S. von § 142 Abs. 1 Nr. 2 AVG gegenüber der Beklagten bereit erklärt hätte, diese Beiträge zu entrichten, und sie binnen angemessener Frist eingezahlt hätte oder wenn er im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs beanspruchen könnte, so gestellt zu werden, als hätte er sich rechtzeitig zur Beitragsentrichtung bereit erklärt. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Kläger hat sich nicht rechtzeitig zur Entrichtung von Beiträgen für 1984 bereit erklärt. Nach § 140 Abs. 1 Regelung 2 AVG sind freiwillige Beiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden. Dazu bestimmt § 142 Abs. 1 Nr. 2 AVG, daß der Entrichtung der Beiträge i.S. des § 140 die Bereiterklärung des Versicherten zur Nachentrichtung gegenüber der zuständigen Stelle gleichsteht, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Die während des Verfahrens vor dem SG im Januar 1987 abgegebene Erklärung, das Sozialamt sei bereit, für ihn die Beiträge für 1984/1985 nachzuentrichten, ist nicht rechtzeitig abgegeben worden. Gemäß § 141 Abs. 2 und Abs. 1 AVG können freiwillige Beiträge nach Eintritt des Versicherungsfalls für Zeiten vorher nicht mehr entrichtet werden (dazu BSG SozR 5750 Art 2 § 6 Nr. 5 S. 10ff. m.w.N.), es sei denn, der Versicherte hat sich vorher gegenüber der zuständigen Stelle zur Entrichtung von Beiträgen für diese Zeiten bereit erklärt. Auf Versicherungsfälle, die in den Jahren 1984/1985 eingetreten sind, kann sich die Bereiterklärung aus dem Jahre 1987 daher nicht mehr auswirken. Ferner ist die Rentenantragstellung im Mai 1985, selbst wenn in ihr - was das LSG ebenfalls nicht geprüft hat - eine Bereiterklärung zu sehen wäre, nicht fristwahrend erfolgt. Denn freiwillige Beiträge können - wie gesagt - nach § 140 Abs. 1 Regelung 2 AVG nur bis zum Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden, so daß die der Entrichtung der Beiträge nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 AVG gleichgestellte Bereiterklärung ebenfalls bis Ende 1984 hätte abgegeben werden müssen. Anhaltspunkte dafür, der Kläger sei i.S. von § 140 Abs. 2 AVG ohne sein Verschulden gehindert gewesen, eine Bereiterklärung rechtzeitig abzugeben, sind weder dargetan noch ersichtlich. Schließlich ist der im Oktober 1978 gestellte Antrag auf bargeldlose Beitragsentrichtung in der Angestelltenversicherung für eine freiwillige Versicherung (§ 10 AVG) keine Bereiterklärung i.S. von § 142 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 141 Abs. 2 AVG. Eine solche "Bereiterklärung" ist eine formfreie Willenserklärung, die zwar auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden kann, aber als solche für die zuständige Stelle erkennbar und hinreichend bestimmt sein muß, indem sie sich auf einen näher bezeichneten Zeitraum bezieht und den Willen des Versicherten erkennen läßt, zumindest in zeitlicher Hinsicht bestimmbare Beiträge zu entrichten (BSG Urteil vom 7. Dezember 1989 - 12 RK 5/88, zur Veröffentlichung vorgesehen; BSGE 10, 264, 267). Diesen Anforderungen genügt die 1978 abgegebene Erklärung, die freiwillige Versicherung durchführen zu wollen, schon deswegen nicht, weil sie weder aus sich heraus noch nach den Umständen als Selbstverpflichtung verstanden werden konnte, für das Jahr 1984 freiwillige Beiträge zu leisten. Die Beklagte konnte und durfte sie ausschließlich in dem Sinn verstehen, daß der Kläger von seiner in § 10 AVG begründeten Versicherungsberechtigung gestaltend Gebrauch machen wollte.

Das Begehren des Klägers läßt sich auch nicht auf die Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs stützen. Der Beklagten kann - als Grundvoraussetzung dieses Anspruchs - ein fehlerhaftes Verwaltungshandeln, das für den vom Kläger geltend gemachten sozialversicherungsrechtlichen Nachteil ursächlich gewesen wäre, nicht angelastet werden. Nach der Lage des Falles könnte ein Herstellungsanspruch nur gegeben sein, wenn die Beklagte ihre Informations- und Beratungspflicht (§ 14 SGB I) verletzt hätte. Da der Kläger selbst 1984 um eine Beratung nicht nachgesucht hatte, käme ein Beratungsfehler nur in Betracht, wenn sich die Beklagte aufgrund konkreter Umstände des Einzelfalles hätte gedrängt fühlen müssen (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 16), ihn auf eine klar zutageliegende und für ihn günstige Gestaltungsmöglichkeit hinzuweisen. Damals (1984) bestand diese Gestaltungsmöglichkeit ausschließlich in der Weiterentrichtung freiwilliger Beiträge. Darauf hat die Beklagte den Kläger, wie das Berufungsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, mit den Schreiben vom 3. Mai 1984, 21. Juni 1984 und 15. August 1984 hingewiesen. Für die Erkenntnis, daß der Abbruch der freiwilligen Beitragszahlung sich versicherungsrechtlich nachteilig auswirken würde, bedurfte der Kläger keiner behördlichen Beratung. Ein besonderer Anlaß, ihn auf denkbare weitergehende Auswirkungen infolge der geänderten Gesetzeslage hinzuweisen, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Nach alledem haben die Vorinstanzen im Ergebnis zu Recht erkannt, daß dem Kläger der geltend gemachte, aufschiebend bedingte Rentenanspruch nicht zustand. Deshalb war seine Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI518187

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