Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Entrichtungsfrist von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen
Leitsatz (amtlich)
1. Freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung können auch dann nur bis zum Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, wirksam entrichtet werden, wenn sie der Erhaltung der Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit dienen.
2. Schlüssiges Verhalten als Bereiterklärung zur Entrichtung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge.
Orientierungssatz
Zur Verfassungsmäßigkeit der unterschiedlichen Entrichtungsfrist von Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen:
Es stellt keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG dar, daß Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Rentenversicherung länger als freiwillige Beiträge entrichtet werden können.
Normenkette
RVO § 1418 Abs 1 Fassung: 1977-06-27; AVG § 140 Abs 1 Fassung: 1977-06-27; RVO § 1420 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; AVG § 142 Abs 1 Nr 2 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art 2 § 6 Abs 2 S 1 Nr 2 Fassung: 1983-12-22; AnVNG Art 2 § 7b Abs 1 S 1 Nr 2 Fassung: 1983-12-22; GG Art 3 Abs 1 Fassung: 1949-05-23
Verfahrensgang
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger noch im Januar 1985 freiwillige Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung für die Monate November und Dezember 1984 wirksam entrichten konnte.
Der 1931 geborene Kläger entrichtete als selbständiger Bäckermeister bis Juni 1972 Pflichtbeiträge nach dem Handwerkerversicherungsgesetz (HwVG), danach freiwillige Beiträge bis April 1981 und für die ersten sieben Monate des Jahres 1982. Im Mai 1984 wies ihn die Beklagte darauf hin, daß er zur Erhaltung seines Versicherungsschutzes bei Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit freiwillige Beiträge für die Monate Januar bis Juni 1984 spätestens bis zum 30. Juni 1984 und für die Monate Juli bis Dezember 1984 spätestens bis zum 31. Dezember 1984 entrichten müsse. Der Kläger entrichtete daraufhin am 28. Juni 1984 sechs Beiträge, am 27. Juli 1984 einen Beitrag, am 21. September 1984 zwei Beiträge und am 1. November 1984 nochmals einen Beitrag, im ganzen zehn Monatsbeiträge in Höhe von je 84 DM. Den zur Entrichtung von Beiträgen für die Kalendermonate November und Dezember 1984 bestimmten Betrag in Höhe von 168 DM überwies er erst am 9. Januar 1985; sein Konto wurde insoweit am 16. Januar 1985 belastet, die Gutschrift auf dem Konto der Beklagten erfolgte am 17. Januar 1985. Mit Bescheid vom 15. April 1985 lehnte es die Beklagte ab, den zuletzt eingegangenen Betrag noch für das Jahr 1984 gutzuschreiben und wies darauf hin, daß künftige freiwillige Beiträge nicht mehr zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes für Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit geeignet seien. Daraufhin machte der Kläger mit Schreiben vom 23. April und 9. Juni 1985 geltend, er habe die Überweisung des Betrages von 168 DM schon am 28. Dezember 1984 ausgeschrieben, aber versehentlich erst später weitergeleitet. Er sei der Meinung gewesen, daß die Frist für die Zahlung freiwilliger Beiträge für das Jahr 1984 nur für Personen gelte, die noch keine Beiträge entrichtet hätten. Außerdem sei er über das Jahresende 1984 bis in den Januar 1985 hinein verreist gewesen und krank zurückgekommen. Diese Umstände hätten ihn an der rechtzeitigen Zahlung gehindert. Mit Bescheid vom 3. Juli 1985 lehnte die Beklagte nochmals die Annahme der Beiträge wegen verspäteter Entrichtung ab und wies auch den im Schreiben vom 9. Juni 1985 von ihr gesehenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. März 1986 zurück; eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht möglich, weil der Kläger schuldhaft die rechtzeitige Zahlung versäumt habe.
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) verurteilte die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 3. Juli 1985 idF des Widerspruchsbescheides vom 20. März 1986, "die freiwillige Beitragsleistung für die Monate November und Dezember 1984 als wirksame Beitragsleistung in der Rentenversicherung für das Jahr 1984 anzuerkennen". Es sah in dem Ausfüllen des Überweisungsauftrages am 28. Dezember 1984 in Verbindung mit der vorhergegangenen Beitragszahlung für die ersten zehn Monate des Jahres 1984 eine Bereiterklärung des Klägers zur Nachentrichtung, welche der Entrichtung freiwilliger Beiträge gleichstehe. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 19. August 1987 mit anderer Begründung zurück: Entgegen der Meinung des SG habe hinsichtlich der Beiträge für November und Dezember 1984 keine rechtzeitige Bereiterklärung vorgelegen, da der Wille des Klägers, bestimmte Beiträge zu entrichten, der Beklagten gegenüber nicht erkennbar in Erscheinung getreten sei. Auch die Entrichtung von zehn Monatsbeiträgen im Jahre 1984 stelle entgegen der Ansicht des SG keine Bereiterklärung dar. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei ausgeschlossen, da der Kläger dafür hätte sorgen müssen, daß das Überweisungsformular vom 28. Dezember 1984 seiner Bank noch rechtzeitig zuging. Gleichwohl seien die Beiträge für November und Dezember 1984 rechtzeitig entrichtet worden. § 1418 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) sei nämlich verfassungskonform dahin auszulegen, daß freiwillige Beiträge ebenso wie Pflichtbeiträge bis zum Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, wirksam entrichtet werden könnten, wenn sie - wie hier - zur Aufrechterhaltung einer schon erworbenen Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- bzw Erwerbsunfähigkeit gezahlt würden. Nur so könne der Eingriff in bestehende Rentenanwartschaften durch das Haushaltsbegleitgesetz (HBegleitG) 1984 in verfassungsgemäßer Weise begrenzt werden. Außerdem sei eine Differenzierung zwischen Pflichtbeiträgen und freiwilligen Beiträgen - weil weder notwendig noch sachgerecht - nach dem Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) nicht zu rechtfertigen. Insbesondere Handwerker seien, da sie in der Regel persönlich im Betrieb mitarbeiteten, insoweit besonders schutzwürdig. Ihnen verbleibe bei wortgetreuer Auslegung des § 1418 Abs 1 RVO praktisch keine Frist zur Disposition und Aufbringung der Mittel.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1418 Abs 1 RVO und trägt zur Begründung vor: Der Gesetzgeber habe für die Entrichtung von freiwilligen Beiträgen und von Pflichtbeiträgen eindeutig unterschiedliche Regelungen getroffen. Das sei nicht willkürlich, da allein der freiwillig Versicherte auf die Entrichtung seiner Beiträge Einfluß habe, während dies beim Pflichtversicherten in der Regel nicht der Fall sei. Auch gehe das LSG von falschen Voraussetzungen aus, wenn es meine, daß die selbständigen Pflichtversicherten (im Gegensatz zu den freiwillig Versicherten) die für sie geltende längere Entrichtungsfrist voll ausschöpfen könnten. Dem stehe nämlich die sofortige Fälligkeit der Pflichtbeiträge sowie deren Abbuchung durch den Versicherungsträger entgegen. Die volle Ausschöpfung der Nachentrichtungsfrist stelle in diesen Fällen die Ausnahme dar. Zudem habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in seinem Beschluß zum HBegleitG 1984 die Verfassungsmäßigkeit auch der Übergangsregelung zur Aufrechterhaltung der Anwartschaft bejaht. Die vom LSG vertretene Ansicht führe darüber hinaus zu einer unzulässigen Differenzierung zwischen sog anwartschaftserhaltenden und sonstigen freiwilligen Beiträgen hinsichtlich der für ihre Entrichtung geltenden Fristen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Urteile des LSG vom 19. August 1987 und des SG vom 12. November 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Angriffe gegen das angefochtene Urteil für verfehlt und trägt ergänzend vor: An der Entscheidung des LSG sei lediglich zu kritisieren, daß die von ihm, dem Kläger, im Jahre 1984 geleisteten Zahlungen nicht als ausreichend für die Abgabe einer Bereiterklärung angesehen worden seien. Denn mit der Entrichtung der Beiträge im Anschluß an den Hinweis auf die Gesetzesänderung durch die Beklagte habe er dieser gegenüber hinreichend deutlich gemacht, daß er die zur Erhaltung der Anwartschaft erforderlichen Mindestbeiträge auch weiterhin zahlen wolle. Einer ausdrücklichen schriftlichen Erklärung habe es insoweit nicht bedurft.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist im Ergebnis unbegründet. Der Kläger hat noch im Januar 1985 wirksam freiwillige Beiträge für November und Dezember 1984 entrichtet, so daß sämtliche Monate des Jahres 1984 mit Beiträgen belegt sind.
Allerdings war die Überweisung der beiden Monatsbeiträge im Januar 1985 für sich genommen keine wirksame Beitragsentrichtung für die nicht mit Beiträgen belegten Monate November und Dezember des abgelaufenen Kalenderjahres: Dazu bedurfte es vielmehr noch des Hinzutretens weiterer, als Bereiterklärung zu deutender Umstände. Nicht zu folgen ist insoweit der Auffassung des LSG, daß auch freiwillige Beiträge, wenn sie der Erhaltung der Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit dienen, innerhalb der gleichen Frist wie Pflichtbeiträge entrichtet werden können.
Gemäß § 1418 Abs 1 RVO (§ 140 Abs 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes -AVG-) in der seit 1980 geltenden Fassung des 20. Rentenanpassungsgesetzes -RAG- (BGBl 1977 I S 1040) sind Pflichtbeiträge unwirksam, wenn sie nach Ablauf eines Jahres nach Schluß des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden; freiwillige Beiträge sind dagegen bereits unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden. Nach dem Wortlaut der letzten Bestimmung hat der Kläger die von ihm für November und Dezember 1984 vorgesehenen beiden freiwilligen Monatsbeiträge durch Einzelüberweisung (§ 5 Abs 2 der Rentenversicherungs-Beitragsentrichtungsverordnung -RV-BEVO-) zu spät, nämlich erst nach Ablauf des Jahres 1984, entrichtet, und zwar gleichgültig, ob der achte Tag vor der Wertstellung bzw Buchung auf dem Konto der Beklagten (dh der 9. Januar 1985) oder der Tag der Belastung auf dem Konto des Klägers (dh der 16. Januar 1985) als Entrichtungszeitpunkt zugrunde gelegt wird (§ 6 Satz 1 Nr 3 der RV-BEVO).
Die erst im Januar 1985 entrichteten Beiträge waren auch nicht deswegen noch für 1984 fristgerecht entrichtet, weil sie zur Erhaltung der Anwartschaft des Klägers auf eine Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente erforderlich waren. Bis zum 31. Dezember 1983 waren diese Renten nach den §§ 1246, 1247 RVO (§§ 23, 24 AVG), jeweils Abs 1 in der seit der Rentenreform 1957 geltenden Fassung, bereits dann zu gewähren, wenn der Versicherungsfall der Berufs- oder der Erwerbsunfähigkeit eingetreten und die Wartezeit erfüllt war. Wer - wie der Kläger - bis zum 31. Dezember 1983 die Wartezeit erfüllt hatte, besaß insoweit schon vor dem Eintritt eines der genannten Versicherungsfälle eine echte Rentenanwartschaft.
Erst seit dem 1. Januar 1984 knüpfte der Gesetzgeber durch Änderung der Absätze 1 und Einfügung von Absätzen 2a in die §§ 1246, 1247 RVO bzw in die §§ 23, 24 AVG im HBegleitG 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S 1532) die Gewährung einer Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit an weitere versicherungsrechtliche Voraussetzungen: Im allgemeinen setzt der Anspruch auf eine dieser Renten seither voraus, daß der Versicherte vor Eintritt des Versicherungsfalles eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, dh in der Regel von den letzten 60 dem Versicherungsfall vorausgehenden Kalendermonaten 36 mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt hat. Im Regelfall erfordert das die überwiegende Ausübung einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Fünfjahreszeitraum vor Eintritt des Versicherungsfalles. Um indessen nach dem alten Recht erworbene Rentenanwartschaften zu schützen, traf der Gesetzgeber in Art 2 § 6 Abs 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) bzw in Art 2 § 7b Abs 1 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) eine Übergangsregelung. Nach dieser steht Versicherten, die bereits vor dem 1. Januar 1984 eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hatten, unter bestimmten Voraussetzungen auch nach dem 31. Dezember 1983 ein Rentenanspruch zu, ohne daß die durch das HBegleitG 1984 eingeführten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen vorzuliegen brauchen. Zur Aufrechterhaltung seiner Rentenanwartschaft hatte der Versicherte jedoch idR Beiträge zu entrichten, und zwar in der Weise, daß jeder Kalendermonat in der Zeit vom 1. Januar 1984 bis zum Ende des Kalenderjahres vor Eintritt des Versicherungsfalles mit Beiträgen - ggf auch freiwilligen - belegt war (Art 2 § 6 Abs 2 Satz 1 Nr 2 ArVNG; Art 2 § 7b Abs 1 Satz 1 Nr 2 AnVNG). Wer also, wie der Kläger, nach dem 31. Dezember 1983 nicht mehr in einer rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit stand, konnte und kann seit dem 1. Januar 1984 seine Rentenanwartschaft idR nur durch die lückenlose Entrichtung von freiwilligen Beiträgen für alle auf Dezember 1983 folgenden Kalendermonate - oder durch die Zurücklegung bestimmter gleichgestellter Zeiten - aufrechterhalten. Daß diese Regelung verfassungsgemäß ist, insbesondere nicht gegen Art 3 und 14 GG verstößt, hat das BVerfG in seinem Beschluß vom 8. April 1987 (BVerfGE 75, 78 = SozR 2200 § 1246 Nr 142) entschieden.
Auch bei einer Entrichtung von freiwilligen Beiträgen zum Zweck der Anwartschaftserhaltung gilt indessen § 1418 Abs 1 RVO (§ 140 Abs 1 AVG), nicht anders als bei der Entrichtung von sonstigen freiwilligen Beiträgen. Auch dann ist also eine Beitragsentrichtung nur bis zum Ablauf desjenigen Kalenderjahres wirksam, für das die Beiträge gelten sollen, und nicht - wie bei Pflichtbeiträgen - bis zum Ablauf noch des folgenden Kalenderjahres. Wenn das LSG gleichwohl gemeint hat, die für Pflichtbeiträge getroffene Regelung im Wege einer "verfassungskonformen Auslegung" auf freiwillige Anwartschaftsbeiträge übertragen zu können, so hat es damit die dem Richter gezogenen Grenzen der Gesetzesauslegung überschritten.
Weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Vorschrift lassen eine Auslegung in der vom LSG vorgenommenen Weise zu. Ausgangspunkt und Grenze jeder Auslegung ist der Wortsinn des Rechtssatzes: Was jenseits des möglichen Wortsinns liegt, dh mit ihm auch bei weitester Auslegung nicht mehr vereinbar ist, kann - im allgemeinen - nicht als Inhalt des Gesetzes gelten (vgl Larenz Methodenlehre 5. Aufl S 305 und S 329). Das gilt auch für die sogenannte verfassungskonforme Auslegung (Larenz aaO S 326 BVerfGE 54, 277, 299; 55, 134, 143). Der Wortsinn des § 1418 Abs 1 RVO bzw § 140 Abs 1 AVG ("freiwillige Beiträge sind unwirksam, wenn sie nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollen, entrichtet werden") ist eindeutig; die darin bestimmte Entrichtungsfrist wird durch die vorausgehende Bestimmung einer längeren Frist für die Entrichtung von Pflichtbeiträgen noch bekräftigt.
Die unterschiedliche Fristenregelung für Pflichtbeiträge und für freiwillige Beiträge wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1980 durch das 20. RAG eingeführt. Bis dahin galt für beide Arten von Beiträgen dieselbe Entrichtungsfrist von zwei Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, für das sie gelten sollten. Der Senat verkennt nicht, daß dem Gesetzgeber seinerzeit bei der Verkürzung der Entrichtungsfrist für freiwillige Beiträge nicht bewußt sein konnte, daß sich diese auf die Erhaltung bestehender Rentenanwartschaften auswirken konnte, da sich die Notwendigkeit, zu deren Erhaltung freiwillige Beiträge zu entrichten, erst aufgrund der durch das HBegleitG 1984 geschaffenen Rechtslage ergab. Das rechtfertigt es aber nicht, § 1418 Abs 1 RVO (§ 140 Abs 1 AVG) nach Inkrafttreten des HBegleitG 1984 entgegen seinem Wortlaut unterschiedlich auszulegen, je nachdem, ob es sich um anwartschaftserhaltende oder um sonstige freiwillige Beiträge handelt. Eine derartige Umgestaltung der fraglichen Regelung muß, sofern sie sich als notwendig erweisen sollte, dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben. Wenn das LSG also § 1418 Abs 1 RVO (§ 140 Abs 1 AVG) nach dem Inkrafttreten des HBegleitG 1984 (teilweise) für verfassungswidrig hielt, so durfte es die von ihm angenommene Verfassungswidrigkeit nicht im Wege der Auslegung korrigieren, sondern hätte nach § 100 GG den Rechtsstreit aussetzen und die Entscheidung des BVerfG einholen müssen.
Im übrigen hält der Senat die Regelung in § 1418 Abs 1 RVO (§ 140 Abs 1 AVG) auch iVm den Bestimmungen des HBegleitG 1984 entgegen der Ansicht des LSG nicht für verfassungswidrig. Insbesondere sieht er keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG darin, daß Pflichtbeiträge länger als freiwillige Beiträge entrichtet werden können. Der Gleichheitssatz verbietet dem Gesetzgeber, vergleichbare Sachverhalte willkürlich ungleich zu behandeln, dh an sie unterschiedliche Rechtsfolgen zu knüpfen, ohne daß dafür ein objektiver Differenzierungsgrund vorhanden ist (st Rspr des BVerfG, vgl zuletzt BVerfGE 74, 182, 200; 78, 104, 121). Für die verschiedene Regelung der Beitragsentrichtungsfrist bei freiwillig Versicherten und Pflichtversicherten sprechen aber sachliche Gründe. Der Gesetzgeber erstrebte, als er im 20. RAG die - früher für Pflichtbeiträge und freiwillige Beiträge gleiche - Entrichtungsfrist für freiwillig Versicherte um ein Jahr verkürzte (vgl Art 2 § 1 Nr 44 des 20. RAG), "eine Gleichbehandlung von Pflichtversicherten und freiwillig Versicherten" (vgl Begründung zum Regierungsentwurf BT-Drucks 8/165 S 48 f). Offensichtlich hatte er dabei den Umstand im Auge, daß Versicherungspflichtige, insbesondere abhängig Beschäftigte, ihren Beitrag laufend zu entrichten haben, während freiwillig Versicherten der gesamte Zeitraum, in welchem Beiträge wirksam entrichtet werden können, zur Verfügung steht. Da den freiwillig Versicherten jedoch die Wahl des Zeitpunktes der Beitragsentrichtung weiterhin offenstehen sollte, wurde, um willkürliche Verzögerungen der Beitragsentrichtung einzuschränken, die Entrichtungsfrist für sie um ein Jahr verkürzt.
Daran hat die Neufassung der §§ 1246 und 1247 RVO (§§ 23 und 24 AVG) und die Einfügung des Art 2 § 6 Abs 2 ArVNG (Art 2 § 7b Abs 1 AnVNG) durch das HBegleitG 1984 auch für diejenigen freiwillig Versicherten nichts geändert, die seitdem Beiträge zur Erhaltung ihrer Anwartschaft entrichten. Denn auch bei ihnen muß eine ungerechtfertigte Beitragsverschiebung durch eine zu lang bemessene Beitragsentrichtungsfrist verhindert werden. Freiwillig Versicherte mit Anwartschaft auf eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit sind dabei gegenüber den übrigen freiwillig Versicherten nicht stärker schutzbedürftig.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen geboten, weil der Gesetzgeber inzwischen im Rentenreformgesetz 1992 vom 18. Dezember 1989 (BGBl I S 2261) mit Wirkung zum 1. Januar 1992 in § 197 Abs 2 und 3 des SGB 6 die Entrichtungsfrist für freiwillige Beiträge bis zum 31. März des dem Geltungszeitraum folgenden Kalenderjahres verlängert und für den Fall eines drohenden Anwartschaftsverlustes eine Härteregelung vorgesehen hat. Diese künftige Erleichterung bei der Entrichtung von freiwilligen, insbesondere anwartschaftserhaltenden Beiträgen, läßt das geltende Recht unberührt, macht es insbesondere nicht lückenhaft.
Gleichwohl hat der Kläger die beiden Monatsbeiträge für November und Dezember 1984 im Januar 1985 noch wirksam entrichtet, da er sich - entgegen der Auffassung des LSG - zu ihrer Entrichtung rechtzeitig iS des § 1420 Abs 1 Nr 2 RVO bereiterklärt hat. Nach dieser Vorschrift steht einer Entrichtung von Beiträgen iS des § 1418 RVO ua die Bereiterklärung des Versicherten gegenüber einer zuständigen Stelle gleich, wenn die Beiträge binnen angemessener Frist entrichtet werden. Die Bereiterklärung kann dabei als formfreie Willenserklärung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Dies ist allgemein anerkannt (vgl RVA in EuM 40, 219; 40, 502; Urteile des Senats vom 13. September 1979, SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 29 - und vom 25. August 1982, DAngVers 1982, 477 - Lilge, Gesamtkommentar Anm 3 zu § 1419 RVO; Zweng/Scheerer/Bussmann, Handbuch der Rentenversicherung II zu § 1419; Harthun-Kindl in Koch/Hartmann III 2 c zu § 141 AVG). Allerdings muß auch eine schlüssige Bereiterklärung der zuständigen Stelle gegenüber "erklärt", dh für sie als solche erkennbar werden. Das war hier der Fall. Der Kläger hat nämlich durch die Entrichtung freiwilliger Beiträge für alle Kalendermonate des ersten Halbjahres 1984 und die Mehrzahl der Kalendermonate des zweiten Halbjahres 1984 der Beklagten hinreichend verdeutlicht, daß er für sämtliche Kalendermonate des Jahres 1984 Beiträge entrichten und sich auf diese Weise - entsprechend der von der Beklagten erteilten Belehrung - zunächst die Rentenanwartschaft für das zweite Halbjahr 1984 und sodann auch für die Folgezeit erhalten wollte. Wenn der Senat in seiner bisherigen Rechtsprechung weiter gefordert hat, die Bereiterklärung müsse den Willen erkennen lassen, konkret bestimmbare Beiträge zu entrichten, so ist diese Forderung hier ebenfalls erfüllt. Da der Kläger für die Monate Januar bis Oktober 1984 Beiträge in der niedrigsten Beitragsklasse entrichtet hatte, konnte die Beklagte seinem bisherigen Verhalten entnehmen, daß er beabsichtigte, auch die noch fehlenden Monate November und Dezember 1984 mit entsprechenden Beiträgen zu belegen.
Die Überweisung des dafür erforderlichen Geldbetrages erfolgte auch "binnen angemessener Frist" nach der Bereiterklärung. Da diese auch noch in der Überweisung des Beitrags für Oktober 1984 am 1. November 1984 enthalten war, bekundete der Kläger seinen Beitragsentrichtungswillen noch zu diesem Zeitpunkt; erst dann begann also die angemessene Frist für die Einzahlung der Beiträge zu laufen. Daraus folgt, daß die Frist nicht vor dem 9. Januar 1985, als die noch fehlenden Beiträge entrichtet wurden, verstrichen war; bei Inlandsaufenthalt des Versicherten wird jedenfalls eine Frist von drei Monaten in der Regel noch als angemessen anzusehen sein, wobei auch die Verwaltungspraxis diese Zeitspanne zugrunde legt (vgl Albrecht, DRV 1980, 116, 119).
Nach allem konnte die Revision der Beklagten im Ergebnis keinen Erfolg haben.
Sollte es der Kläger wegen der unberechtigten Zurückweisung der Beiträge für die Monate November und Dezember 1984 durch die Beklagte unterlassen haben, für die auf das Jahr 1984 folgenden Kalenderjahre Anschlußbeiträge zu entrichten, müßte die Beklagte auch diese Beiträge nach den Grundsätzen des sog Herstellungsanspruchs noch annehmen.
Im Kostenpunkt beruht die Entscheidung auf § 193 SGG.
Fundstellen