Rz. 11

Die ärztliche Bescheinigung muss einerseits die Dauer und die Lage der Krankheit enthalten; nach Auffassung des BAG muss sie darüber hinaus erkennen lassen, dass der (ausländische) Arzt zwischen einer bloßen Erkrankung und einer mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Krankheit unterschieden und damit eine den Begriffen des deutschen Arbeits- und Sozialversicherungsrechts entsprechende Beurteilung vorgenommen hat.[1] Im Rahmen von § 9 BUrlG kommt es nämlich nicht allein auf das Vorliegen einer Erkrankung im medizinischen Sinne an, sondern letztlich darauf, dass der Arbeitnehmer seine konkret geschuldete Arbeitsverpflichtung nicht erfüllen kann, was nicht jedem (ausländischen) Arzt bewusst oder bekannt ist.

 

Beispiel

Nach BAG, Urteil v. 15.12.1987, 8 AZR 647/86

Ein türkischer Arzt hat in Ankara für einen in Deutschland arbeitenden Türken, der den Sommerurlaub in der Türkei verbrachte, folgendes Attest ausgestellt:

"Der … Herr I C geboren am 5.3.1932 … ist am 9.4.1984 bei mir untersucht worden. Es wurde an der linken Hand am Zeigefinger durch K T eine Quetschung und Prellung festgestellt. Nach der benötigten Behandlung wurde der Patient am 7.5.1984 zur weiteren Behandlung in das Krankenhaus der Sozialversicherungsanstalt nach Ankara in die chirurgische Abteilung überwiesen."

Lösung

Nach Auffassung des BAG ließ sich dem Attest nicht entnehmen, welche Folgen die Quetschung und die Prellung am linken Zeigefinger für die Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers hatte. Das Attest wurde deshalb nicht als ausreichendes ärztliches Zeugnis im Sinne von § 9 BUrlG angesehen.

Die Feststellung einer krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit durch den Arzt setzt nicht ausnahmslos eine körperliche Untersuchung und die Einholung einer detaillierten Information über die Art der zu erbringenden Arbeitsleistung voraus.[2] Welche Informationen der Arzt benötigt, um eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu attestieren, hängt von der Art der festgestellten Erkrankung ab.

 

Rz. 12

Beginnt die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit im Ausland, so sind für deren Nachweis im Falle der Geltendmachung von Ansprüchen auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach dem EFZG besondere Regelungen zu beachten. Nach § 5 Abs. 2 Satz 3 und 4 EFZG hat der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer bzw. Fortdauer der deutschen Krankenkasse anzuzeigen; abweichend hiervon bestimmen Art. 18 der Verordnung Nr. 574/72/EWG und zwischenstaatliche Sozialversicherungsabkommen, dass der Arbeitnehmer vom Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf einem Vordruck erhält und er sich an den ausländischen Sozialversicherungsträger zu wenden hat. Auch können deutsche Krankenkassen Entsprechendes festlegen.[3] So weisen z. B. die nach dem Deutsch-Türkischen Abkommen über die soziale Sicherheit in der Türkei auszustellenden zweisprachigen Vordrucke u. a. aus, dass "der Versicherte Geldleistungen beantragt wegen Arbeitsunfähigkeit infolge … (Krankheitsbezeichnung)". Der Text macht deutlich, dass der türkische Arzt ebenso wie ein Arzt in der Bundesrepublik Deutschland zwischen der Erkrankung und der zur Arbeitsunfähigkeit führenden Erkrankung zu unterscheiden hat. Ist das Formular ordnungsgemäß ausgestellt, so ist davon auszugehen, dass der Arzt in der Türkei diese Unterscheidung auch tatsächlich vorgenommen hat.[4]

 

Beispiel

Nach BAG, Urteil v. 1.10.1997, 5 AZR 499/96[5]

Der klagende Arbeitnehmer verbrachte den Erholungsurlaub in der Türkei, seinem Heimatland. Während des Urlaubs suchte er dort ein Krankenhaus auf und erhielt eine ärztliche Bescheinigung, die in deutscher Übersetzung wie folgt lautet:

„Türkische Republik Gesundheitsministerium Nizip Staatskrankenhaus

Nummer : 7300 – 703 Betreff: Ö N I Z I P – 20.6.1994

Nach der Untersuchung am 20.6.1994 mit der Protokollnummer 762 wurde bei Herrn Ö akute Amebiyazis festgestellt. Es ist eine 20-tägige Bettruhe angeordnet.”

In der Folge wurde dem Arbeitnehmer von derselben Stelle eine weitere Bescheinigung in türkischer Sprache erteilt, deren deutsche Übersetzung lautet:

„Türkische Republik Gesundheitsministerium Nizip Staatskrankenhaus

Nr. 73 – 84 N I Z I P – 18.7.1994

A T T E S T

Bei der wiederholten Untersuchung des Herrn Ö am 18.7.1994 wurde die akute lomber diskopati immer noch festgestellt und deswegen 20 (zwanzig) Tage Bettruhe angeordnet.

Chirurg Dr. A Staatskrankenhaus Chefarzt”

Lösung

Nach Auffassung des BAG wird aus den Attesten nicht deutlich, dass der behandelnde Arzt zwischen Erkrankung und Arbeitsunfähigkeit unterschieden hat. Der behandelnde Arzt habe nur attestiert, dass der klagende Arbeitnehmer krank war und dass zu seiner Heilung jeweils eine 20-tägige Bettruhe "angeordnet" wurde. Dass der Arbeitnehmer wegen dieser Erkrankung tatsächlich arbeitsunfähig war, sei den Attesten nicht zu entnehmen. Ob die Anordnung einer Bettruhe von jeweils nahezu 3 Wochen aus ärztlicher Sicht angezeigt war, habe der Senat nicht zu entscheiden. Jedenfalls lasse sich dieser Anordnung nicht entnehmen, dass der Arbeitneh...

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