Wir dem Arbeitgeber Verfehlungen des Dienstleisters zugerechnet?

Schlechte Arbeitsbedingungen, andauernde Kontrolle: Amazon sieht sich heftiger Kritik ausgesetzt, auch wegen des Verhaltens der beauftragten Dienstleister. Wir haben die Arbeitsrechtlerin Dr. Nathalie Oberthür gefragt, inwieweit Unternehmen Verfehlungen von Dienstleistern verantworten.

Haufe Online-Redaktion: Frau Dr. Oberthür, inwieweit müssen Unternehmen für Verstöße geradestehen, die ein beauftragter externer Dienstleister gegenüber seinen Arbeitnehmer verursacht?

Dr. Nathalie Oberthür: Die Einhaltung der Arbeitgeberpflichten ist grundsätzlich Sache des jeweiligen Vertragsarbeitgebers. Dieser ist dafür verantwortlich, für rechtmäßige Arbeitsbedingungen zu sorgen, auch wenn die Mitarbeiter in einem Kundenbetrieb eingesetzt werden. Verletzt der externe Dienstleister seine Arbeitgeberpflichten, hat der Kundenbetrieb hierfür grundsätzlich nicht zu haften. Eine Ausnahme gilt bei der Arbeitnehmerüberlassung, wenn etwa der Verleiher das Gebot des Equal Pay verletzt oder, wie im Fall von Amazon offenbar geschehen, Kost und Logis nicht als Vergütungsbestandteil ausgewiesen hat; für zu Unrecht nicht entrichtete Sozialabgaben haftet gemäß § 28e Abs. 2 SGB IV der Entleiher ebenso wie der Vertragsarbeitgeber.

Haufe Online-Redaktion: Der Kundenbetrieb muss also in Sachen Arbeitsbedingungen beim Dienstleister nicht eingreifen?

Dr. Nathalie Oberthür: Wie gesagt, grundsätzlich ist der jeweilige Vertragsarbeitgeber dafür verantwortlich. Verschiedene Ausnahmen gibt es im Bereich des technischen Arbeitsschutzes. So sieht etwa § 8 des Arbeitsschutzgesetzes vor, dass der Kundenbetrieb mit dem Vertragsarbeitgeber im Hinblick auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der im Betrieb eingesetzten Arbeitnehmer kooperieren und sich vergewissern muss, dass diese die im Einzelfall gebotenen Schutzanweisungen erhalten haben.  

Darüber hinaus können sich für Leiharbeitnehmer aus bestehenden Betriebsvereinbarungen weitere Pflichten des Kundenbetriebs ergeben. Soweit im Kundenbetrieb Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen werden, etwa im Hinblick auf die Festlegung der Arbeitszeit oder die betriebliche Ordnung, kann das entsprechende Mitbestimmungsrecht auch für die Leiharbeitnehmer durch den Betriebsrat des Kundenbetriebes wahrgenommen werden. Werden Leiharbeitnehmer in den persönlichen Geltungsbereich derartiger Betriebsvereinbarungen einbezogen, muss der Kundenbetrieb diese gegenüber den Leiharbeitnehmern wie gegenüber eigenen Mitarbeitern einhalten.

Haufe Online-Redaktion: Inwieweit können oder müssen Unternehmen ihre beauftragten Dienstleister kontrollieren?

Dr. Nathalie Oberthür: Soweit der Kundenbetrieb keine Arbeitgeberfunktionen auszuüben hat, ist er grundsätzlich weder berechtigt noch verpflichtet, die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Arbeitgeberfunktionen durch den externen Dienstleister zu kontrollieren.

Unabhängig von einer rechtlichen Verantwortung kann der Kundenbetrieb jedoch durch Fehlverhalten eines Dienstleisters insbesondere in der öffentlichen Meinung einen erheblichen Imageschaden erleiden, wie dies derzeit bei Amazon zu beobachten ist. Insbesondere bei enger Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister empfiehlt sich daher für den Kunden, durch vertragliche Vereinbarungen mit dem Dienstleister dafür zu sorgen, dass dieser gegenüber seinen Mitarbeitern gewisse Mindeststandards einhält. Der Vertrag kann insbesondere vorsehen, dass der Dienstleister bestimmte Mindestlöhne zahlt, bestimmte, vom Kundenbetrieb vorgegebene Verhaltensstandards einhält et cetera. Die Einhaltung dieser Verpflichtungen sollte kontinuierlich  überwacht und durch Vertragsstrafenregelungen abgesichert werden;  insbesondere bei einer engen Zusammenarbeit mit oder gar einer gewissen Abhängigkeit von dem Dienstleister gibt diese Sanktion bessere Einflussmöglichkeiten als die Kündigung der Vertragsbeziehung.

Dr. Nathalie Oberthür ist Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht bei RPO Rechtsanwälte in Köln.

Schlagworte zum Thema:  Leiharbeit, Zeitarbeit