"Auf Abwesenheitszeiten einstellen"
Haufe Online-Redaktion: Das BAG hat entschieden, dass bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeit der Urlaubsanspruch nicht zu kürzen ist. Was bedeutet das für Arbeitgeber?
Anne Praß: Bisher konnte der Arbeitgeber beim Wechsel eines Arbeitnehmers von Voll- in Teilzeit, unter Reduzierung der Wochenarbeitstage, Resturlaub anteilig kürzen. Das bedeutet bei einem Wechsel von einer Fünf- in eine Vier-Tage-Woche wurde der Urlaubsanspruch aus der Fünftagewoche auf vier Fünftel gekürzt, die Anzahl der Urlaubswochen blieb gleich, nicht jedoch die Anzahl der Urlaubstage. Nach der neuen BAG-Entscheidung ist eine solche Kürzung nicht mehr möglich. Hat ein Arbeitnehmer 20 Tage Resturlaub und reduziert seine Arbeit von fünf Tagen auf einen Tag pro Woche, so hat er weiter 20 Tage, umgerechnet also 20 Wochen Urlaub. Dies bedeutet für den Arbeitgeber, dass er sich auf erhebliche Abwesenheitszeiten von Arbeitnehmern einstellen muss, die beispielsweise aus der Elternzeit wieder kommen. Vor allem in kleineren Unternehmen, die mit dem Einsatz von Mitarbeitern geplant haben, dürften in unserem Beispiel 20 Wochen (Rest-) Urlaub nur schwer aufzufangen sein.
Haufe Online-Redaktion: Was sollten Unternehmen also künftig beachten?
Praß: Arbeitgeber sollten darauf hinwirken, dass der Resturlaub der in Teilzeit wechselnden Mitarbeiter vor der Reduzierung der Arbeitszeit verbraucht wird. Bei Elternzeit sollte der Urlaub vor Antritt der Elternzeit oder vor einem Wechsel in den Mutterschutz genommen werden. Zudem: Sofern der Urlaub zum Jahreswechsel verfällt, sollte dieser Termin auch für einen Wechsel der Arbeitstage pro Woche genutzt werden. Von der Rechtsprechungsänderung nicht betroffen ist der Teilzeitwechsel ohne Reduzierung der Arbeitstage, zum Beispiel auf fünf Tage pro Woche jeweils halbtags.
Haufe Online-Redaktion: Hilft es auch beim Wechsel in Teilzeit, wenn man – im Hinblick auf den Urlaubsverfall bei Dauererkrankung – vertraglich zwischen gesetzlichem Urlaub und vertraglichem Mehrurlaub unterschieden hat?
Praß: Dies geht aus der Pressemeldung nicht hervor. Liest man allerdings den Wortlaut genau, so lässt sich dem entnehmen, dass das BAG sich aufgrund des EuGH-Urteils nur gezwungen sieht, die grundsätzliche Umrechnung der Urlaubstage aufzugeben. Ob das BAG, wie bei der Thematik Urlaub bei Dauererkrankung, der Rechtsprechung des EuGH noch Grenzen zieht, bleibt abzuwarten. Dies wird sich erst aus den Entscheidungsgründen oder Folgeentscheidungen ergeben.
Haufe Online-Redaktion: Was passiert im umgekehrten Fall, also bei einem Wechsel von Teilzeit mit weniger Wochenarbeitstagen in Vollzeit?
Praß: Konsequenterweise muss auch bei einem Wechsel von Teil- in Vollzeit unter Aufstockung der Wochenarbeitstage der Resturlaubsanspruch aus der geringeren Teilzeittätigkeit nach Tagen gleichbleiben. Wochenmäßig betrachtet verliert der Arbeitnehmer dabei Urlaubswochen. Nach der Entscheidung des EuGH, der das BAG mit der aktuellen Entscheidung gefolgt ist, ist eine solche Wochenbetrachtung unzulässig, da sie die Ruhephase des tatsächlichen Urlaubs und die normale berufliche Inaktivität während arbeitsfreier Tage verwechselt.
Haufe Online-Redaktion: Betrifft das neue Urteil auch das Urlaubsentgelt?
Praß: Die Rechtsprechungsänderung bezieht sich nur auf die Anzahl der Urlaubstage, die der Arbeitnehmer nach dem Wechsel in die Teilzeit zur Verfügung hat. An der Berechnung des Urlaubsentgelts ändert sich nichts.
Haufe Online-Redaktion: Kein Verfall von Urlaub bei Dauererkrankung, Anspruch auf Urlaubsabgeltung auch nach dem Tod, Kürzung von Urlaub bei Wechsel in Teilzeit: Welchen Grundsatz im deutschen Urlaubsrecht könnte der EuGH als nächstes in Frage stellen?
Praß: Auch § 17 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) enthält eine anteilige Kürzung von Urlaub in der Elternzeit. Auch hier wird diskutiert, ob diese Regelung europarechtswidrig ist.
Dr. Anne Dziuba ist Fachanwältin für Arbeitsrecht bei Beiten Burkhardt in München.
Das Interview führte Michael Miller.
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