Betriebsverfassungsrecht

Matrixstrukturen sorgen für rechtliche Herausforderungen


Matrixstrukturen und Betriebsratswahl: Herausforderungen

International ausgerichtete Unternehmen setzen zunehmend auf Matrixstrukturen. Das bietet Vorteile, stellt HR-Praktiker aber auch vor betriebsverfassungsrechtliche Herausforderungen - nicht nur in Hinblick auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen. Worauf bei Matrixorganisationen rechtlich zu achten ist.

Die Implementierung grenzüberschreitender Matrixstrukturen gewinnt in der globalisierten Wirtschaft zunehmend an Bedeutung. Unternehmen setzen auf diese Organisationsform, um einen effektiven Personaleinsatz zu gewährleisten, den Wissenstransfer zu fördern und im Wettbewerb um Talente konkurrenzfähig zu bleiben.

Obwohl der Begriff Matrixstruktur keine gesetzliche Definition im deutschen Rechtssystem besitzt, zeichnet sich diese durch die funktionale Organisation betrieblicher Abläufe aus, die häufig entlang von Produktsparten, Geschäftsbereichen oder geografischen Regionen organisiert sind. In Konzernen führt diese Struktur zu einem Auseinanderfallen der rechtlichen und funktionalen Organisation, was verschiedene rechtliche Fragestellungen aufwirft.

Betriebsverfassungsrechtrechtliche Fragestellungen bei Matrixstrukturen

Von zentraler Bedeutung sind die Auswirkungen solcher Matrixstrukturen auf das Betriebsverfassungsrecht, insbesondere in Hinblick auf die bevorstehenden Betriebsratswahlen im Jahr 2026. Matrixstrukturen stehen grundsätzlich im Spannungsfeld zum Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Fragen zur Eingliederung und Zurechnung von Mitarbeitenden zum Betrieb, zur Bestimmung des zuständigen Betriebsrats und zur Wahrung der Mitbestimmungsrechte stellen HR-Praktiker vor neuen Herausforderungen.

Matrixstruktur: Auswirkungen auf Einstellungen und Versetzungen

Als standort- und unternehmensübergreifende Verantwortungs- und Führungsstrukturen führen Matrixstrukturen - aus arbeitsrechtlicher Sicht – häufig zur Aufteilung der Weisungsbefugnisse in ein disziplinarisches Weisungsrecht ("solid line") und ein fachliches Weisungsrecht ("dotted line"). Mitarbeitende können somit mehreren Vorgesetzten unterstellt sein und in mehreren Betrieben gleichzeitig eingegliedert werden. Die Eingliederung eines Arbeitnehmers in einen Betrieb im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG setzt voraus, dass er oder sie arbeitstechnisch in die Organisation eingegliedert ist, um deren Zwecke mit den bestehenden Arbeitnehmenden gemeinsam zu erfüllen.

Das Landesarbeitsgericht Bremen hat mit Urteil vom 2. Mai 2024 (Az. 2 TaBV 2/23) die Anwendung dieser Grundsätze auf internationale Matrixstrukturen bestätigt. Sowohl die sogenannte Outbound-Konstellation (deutsche Mitarbeitende unter fachlicher Leitung im Ausland) als auch die Inbound-Konstellation (im Ausland tätige Mitarbeitende unter deutscher Führungskraft) ist demnach mitbestimmungspflichtig. Entscheidend ist, dass die fachliche Weisung auf die Verwirklichung arbeitstechnischer Zwecke des deutschen Betriebs gerichtet ist, auch wenn die Führungskraft nicht vor Ort tätig ist oder nur über beschränkte Disziplinarbefugnisse verfügt.

Auswirkung von Matrixstrukturen auf die Beendigung von Arbeitsverhältnissen

Bei der Frage, wer das Arbeitsverhältnis überhaupt beenden kann, ist auf den Vertragsarbeitgeber abzustellen. Betriebsverfassungsrechtlich ist der Betriebsrat nach § 102 BetrVG vor Ausspruch der Kündigung anzuhören. Welcher Betriebsrat konkret zuständig ist und ob gegebenfalls mehrere Betriebsräte zur Kündigung angehört werden müssen, kann bei Matrixstrukturen eine genauere Prüfung erforderlich machen. Bei betriebsbedingten Kündigungen ist ein besonderes Augenmerk auf die Sozialauswahl und Prüfung von Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in der Matrixorganisation zu legen.

Zuständig für die Anhörung nach § 102 BetrVG wird der Betriebsrat des Vertragsarbeitgebers sein. Die Anhörung ist unmittelbar mit der Kündigungsentscheidung verbunden. Diese Entscheidung kann nicht auf das Drittunternehmen übertragen werden. Ist der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin allerdings in mehreren Betrieben desselben Unternehmens dauerhaft eingegliedert, ist hingegen jeder einzelne örtliche Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG anzuhören. Nicht entschieden ist bislang, ob gegebenfalls der Gesamtbetriebsrat zuständig sein kann.

Die Sozialauswahl ist betriebsbezogen durchzuführen. In Matrixstrukturen ist allerdings genau zu prüfen, welchem Betrieb der oder die gekündigte Arbeitnehmende letztlich angehört. Erbringt beispielsweise ein Arbeitnehmer seine Arbeit dauerhaft nicht im Betrieb des Vertragsarbeitgebers, sondern in einem anderen Konzernunternehmen, ist die Sozialauswahl in dem Betrieb des Konzernunternehmens durchzuführen, in dem er tatsächlich eingegliedert ist.

Grundsätzlich ist die Prüfung der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten unternehmensbezogen vorzunehmen. Über die Unternehmensgrenzen hinaus muss der Arbeitgeber keine Beschäftigungsmöglichkeiten prüfen oder anbieten. Eine Matrixorganisation führt nicht zu anderen Ergebnissen. Eine Pflicht zur konzernweiten Weiterbeschäftigung besteht nur ausnahmsweise, wenn der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich die Weiterbeschäftigung in dem Drittunternehmen durchsetzen kann und er sich hierzu vertraglich verpflichtet hat (BAG, Urteil vom 23. März 2006, Az. 2 AZR 162/05). Weitere Ausnahmefälle sind Konzernversetzungsklauseln oder die Vereinbarung eines auf den Konzern bezogenen Arbeitsvertrags (BAG, Urteil vom 23. November 2004, Az. 2 AZR 24/04).

Matrixstrukturen und Betriebsratswahlen

Die Zuordnung von Mitarbeitenden zu einzelnen Betrieben ist in Matrixstrukturen oft unscharf. Eine Zuordnung zu mehreren Betrieben mit der Folge einer mehrfachen Wahlberechtigung ist jedoch möglich. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Beschluss vom 22. Mai 2025, Az. 7 ABR 28/24) von besonderer Bedeutung. Bislang liegt nur die Pressemitteilung vor. Das BAG bestätigte jedoch, dass Arbeitnehmende, die mehreren Betrieben desselben Unternehmens angehören – so auch Matrix-Führungskräfte in unternehmensinternen Matrixstrukturen –, bei Betriebsratswahlen in allen diesen Betrieben das aktive Wahlrecht nach § 7 BetrVG besitzen. Die Wahlberechtigung folgt der Eingliederung in die jeweilige Betriebsorganisation und schließt Mehrfach-Wahlberechtigungen nicht aus.

Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

Unternehmen sollten daher sorgfältig prüfen, ob die Vorteile einer Matrixstruktur die damit verbundenen betriebsverfassungsrechtlichen Herausforderungen überwiegen. Die Beteiligung mehrerer Betriebsräte bei Einstellungen oder Versetzungen kann zu noch mehr Verzögerungen führen. Ferner gilt es, eine ungewollte Eingliederung von Führungskräften zu vermeiden. Dies kann beispielsweise durch den Verzicht auf die Zuerkennung personeller Kompetenzen und die vorsichtige Ausgestaltung fachlicher Weisungsrechte erreicht werden. Zudem kann die Einstufung betroffener Arbeitnehmender als leitende Angestellte im Sinne des § 5 BetrVG eine Mehrfach-Eingliederung verhindern und somit einem ausufernden Wahlrecht bei Betriebsratswahlen beziehungsweise mehrfachen Mitbestimmungsrechten im Rahmen personeller Maßnahmen entgegenwirken.


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