Konfliktfreie Trennung als Ziel
Haufe Online-Redaktion: Ihre Umfrage zur Kündigungspraxis hat gezeigt, dass Vorgesetzte das Kündigungsgespräch gerne abgeben oder Unternehmen Abfindungen sowie Krankmeldungen bei Kündigungen in Kauf nehmen. Warum ist das ein Problem?
Harald Balfanz: Weil am Ende weder die beste Lösung für den Mitarbeiter noch für das Unternehmen steht. Im Prozess der Kündigung schlummert noch viel Potenzial: Unternehmen können sich einen Großteil der heutigen Kosten im Zusammenhang mit Kündigungen sparen, Mitarbeiter können zufrieden das Unternehmen verlassen.
Unternehmen können sich einen Großteil der heutigen Kosten im Zusammenhang mit Kündigungen sparen.
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Das Problem am heute standardmäßigen Kündigungsprozess ist der Blick in die Vergangenheit: Der Mitarbeiter habe dies nicht gut gemacht, jenes sei schiefgelaufen et cetera. Dies kann aber jeder anders wahrnehmen, weshalb ein Konflikt vorprogrammiert ist. Streit führt jedoch meist zu keiner Lösung, die dem Bedürfnis der Beteiligten gerecht wird. Daher ist ein konfliktfreies Vorgehen wichtig. Tatsächlich ist das Vorgehen heute jedoch juristisch geprägt. Meist kostet die Vorbereitung und Durchsetzung einer Kündigung aber viel Zeit und Geld, etwa wegen einer Krankheit oder Freistellung des Mitarbeiters oder der schlechten Einarbeitung eines Nachfolgers.
Haufe Online-Redaktion: Wie können Unternehmen diese Kosten vermeiden?
Balfanz: Im Kündigungsprozess spielen die Ängste der Beteiligten eine große Rolle. Die Führungskraft fürchtet im Kündigungsgespräch um ihr Ansehen, daher wird das gerne an HR abgegeben. Das Management wiederum fürchtet, dass ein Gekündigter dem Unternehmen schaden könnte, weshalb es zu Freistellungen kommt. Und der Mitarbeiter hat Angst vor der beruflichen Zukunft und einer finanziellen Unsicherheit. Entwickelt sich diese, führt sein erster Weg zum Arzt, um Zeit zu gewinnen und sein zweiter zum Anwalt. Macht man sich diese Ängste jedoch bewusst, ist eine konfliktfreie – und damit eine für alle günstige – Trennung möglich.
Haufe Online-Redaktion: Wie geht das konkret?
Balfanz: Wir haben eine Vorgehensweise entwickelt, die wir „Kündigen neu denken“ nennen. Das Prinzip ist simpel, wenn auch nicht in der Durchführung: Es zählt alleine die Zukunft. Dem Mitarbeiter wird frühzeitig erklärt, dass er zum Beispiel in neun Monaten nicht mehr im Unternehmen wird arbeiten können. Gleichzeitig wird ihm im Gespräch die Angst genommen und die volle Unterstützung auf dem Weg in eine neue berufliche Zukunft zugesichert, idealerweise mit dem Ergebnis eines Anschlussjobs.
Kündigen neu denken: Nur die Zukunft zählt.
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Neu ist, dass das Unternehmen keine Abfindung zahlt – zumal ein genereller gesetzlicher Anspruch darauf grundsätzlich nicht existiert und sich der Betrag durch die Besteuerung auch erheblich verringert. Vielmehr stellt das Unternehmen ein der Nettoabfindung entsprechendes Budget für Weiterbildungen zur Verfügung, das regelmäßig gar nicht ausgeschöpft wird. Dadurch entstehen der Firma Kostenvorteile bis zu 50 Prozent und mehr. Zudem versichert der Mitarbeiter, bis zuletzt zu arbeiten. Im Gegenzug steht ihm genug Zeit für seine berufliche Zukunft zu.
Haufe Online-Redaktion: Warum lässt sich ein Mitarbeiter darauf ein und klagt nicht?
Balfanz: Wir informieren früh und er erhält die Unterstützung des Unternehmens. Das nimmt die Zukunftsangst, zumal nur wenige innerhalb der Kündigungsfrist einen neuen Job finden. Und: Bei einer Anschlussbeschäftigung wird er nicht bloßgestellt. Er verlässt die Firma für einen neuen Job – nicht wegen einer Entlassung. Zudem bleibt ja die Alternative, auf Wunsch einen Teil des Budgets als Abfindung zu erhalten.
Das Interview führte Michael Miller.
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