Bundesverwaltungsgericht stärkt Handwerkskammern

Für sämtliche Handwerksbetriebe, die Mitglieder in einer Handwerksinnung sind, gilt eine tarifliche Ordnung. Die Firmen dürfen für sich nicht gegen den Willen der Handwerkskammer Tarifverträge ausschließen und Löhne frei verhandeln. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) nun entschieden.  

In dem konkreten Fall vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wollte eine Handwerksinnung in ihrer Satzung festlegen, dass Mitglieder die Tarifverträge für sich ausschließen und damit Löhne frei verhandeln können. Das lehnte die zuständige Handwerkskammer ab. Dagegen klagte die Handwerksinnung, hatte aber mit der Klage keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht Braunschweig gab der Handwerkskammer recht (Urteil vom 19. Dezember 2013, Az. 1 A 58/13). Anders sah es dagegen das Oberverwaltungsgericht Lüneburg und verpflichtete die Handwerkskammer zur Genehmigung (Urteil vom 25. September 2014, Az. 8 LC 23/14). Diese ging dagegen nun erfolgreich in Revision.

BVerwG: Eine tarifliche Ordnung im Handwerksbereich

Das Rechtsmittel hatte Erfolg. In seiner Urteilsbegründung betonte das Bundesverwaltungsgericht: Die Handwerksordnung verleihe den Innungen die Befugnis Tarifverträge abzuschließen gerade deshalb, um in dem durch kleine Betriebe geprägten Bereich des Handwerks für sämtliche Innungsmitglieder eine tarifliche Ordnung herzustellen. Durch das Ausscheren einzelner Mitglieder werde dieses Ziel gefährdet.

Gewerkschaften sowie der Zentralverband des Handwerks (ZDH) begrüßten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts. Stefan Körzell vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Entscheidung ein "wichtiges Signal für die Tarifbindung im Handwerk". Für OT-Mitgliedschaften (ohne Tarif), die bei Arbeitgeberverbänden der Industrie, nicht aber im Handwerk erlaubt sind, sieht Körzell keine Zukunft: "Durch die mangelnde Bereitschaft, Tariflöhne zu zahlen, hat das Handwerk an Attraktivität eingebüßt", ist die Bewertung des DGB-Vorstandsmitglieds.     

Tarifbindung: Nach dem Urteil ist vor dem Urteil

Der DGB kritisierte überdies eine zweite, vor allem im Kfz-Bereich verbreitete Praxis zur Umgehung der Tarifbindung: Hier hätten sich die Landesinnungen für nicht länger tarifzuständig erklärt und Verhandlungsaufgaben an freiwillige Arbeitgeberverbände übergeben. Da diese jeweils nur wenige Betriebe umfassten, sei es zu deutlichen Lohnunterschieden zwischen tarifgebundenen und tariflosen Unternehmen gekommen.  

Eine baldige Reaktion der Gewerkschaften scheint vor dem Hintergrund des aktuellen Urteils wahrscheinlich: "Es muss sichergestellt werden, dass einzelne Mitglieder der Innungen sich nicht mehr den Tarifverträgen entziehen können, um ihre Beschäftigten mit Dumpinglöhnen abzuspeisen", sagt der Stellvertretende IG BAU-Bundesvorsitzende Dietmar Schäfer.

Hinweis: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. März 2016, Az. 10 C 23.14; Vorinstanzen: OVG Lüneburg, Urteil vom 25. September 2014, Az. 8 LC 23/14; VG Braunschweig, Urteil vom 19. Dezember 2013, Az. 8 LC 23/14

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