Ausbildungsvergütung: 20 Prozent unter Tariflohn als Untergrenze

Eine Nachzahlung von mehr als 21.000 Euro hat das BAG einem Auszubildenden zugesprochen. Dessen Arbeitgeber hatte nur knapp die Hälfte des Lohns des einschlägigen Tarifvertrags bezahlt. Auch ohne tarifliche Bindung sei dies unangemessen wenig, urteilten die Richter und bestätigten eine Mindestgrenze.

Gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Berufsbildungsgesetz (BBiG) haben Auszubildende einen Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Was genau "angemessen" in diesem Zusammenhang auch für nicht tarifgebundene Betriebe bedeutet, darüber hatte nun erneut das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden.

Angemessener Ausbildungslohn richtet sich nach Tarifvertrag

Klar ist in jedem Fall: Richtet sich der Lohn des Azubi nach bestehenden Tarifverträgen, ist daran nichts auszusetzen. Selbst wenn sich die Ausbildungsvergütung jedoch nicht an den einschlägigen Tarifwerken orientiert, so bilden diese dennoch den Maßstab und wichtigsten Anhaltspunkt. Schließlich ist davon auszugehen, dass in diesen Normen die Interessen beider Seiten prinzipiell berücksichtigt sind. Insofern stellte das BAG fest: Eine Ausbildungsvergütung ist in der Regel nicht mehr angemessen, wenn sie den in einem einschlägigen Tarifvertrag geregelten Lohn um mehr als 20 Prozent unterschreitet.

Im konkreten Fall ging der Auszubildende eine Ausbildung zum Maschinen- und Anlageführer an. Arbeitgeber ist ein gemeinnütziger Verein mit dem Zweck der Förderung der qualifizierten Berufsausbildung. Er schließt dazu Berufsausbildungsverträge ab. Die Ausbildung selbst erfolgt dann in den jeweiligen Mitgliedsbetrieben des Vereins.

Gemeinnützigkeit rechtfertigt keine Abweichung

Während des Ausbildungsverhältnisses vom 1. September 2008 bis zum 7. Februar 2012 erhielt der Lehrling jedoch lediglich etwa 55 Prozent der Ausbildungsvergütung, die nach den Tarifverträgen für die Metall- und Elektroindustrie in Bayern vorgesehen war. Daher verlangte er nun auf der Grundlage der tariflichen Ausbildungsvergütung weitere 21.678,02 Euro brutto. Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG sprachen dem Auszubildenden den finanziellen Nachschlag zu.

Auch wenn die geleistete Arbeit nicht dem Verein selbst, sondern dem Mitgliedsunternehmen zugutekam: Die Ausbildungsvergütung stelle auch eine Entlohnung der geleisteten Arbeit dar, urteilten die Richter. Zudem rechtfertige es alleine der Status der Gemeinnützigkeit des Vereins nicht, sich nicht an den einschlägigen Tarifverträgen zu orientieren. Daher bleibe eine derart niedrige Entlohnung unangemessen.

Keine Regel ohne Ausnahmen

Einen kleinen Spalt ließ das BAG die Türe jedoch geöffnet – wenn sie auch der Verein im konkreten Fall nicht nutzen konnte: Eine durch Spenden Dritter finanzierte Ausbildungsvergütung sei nicht zwingend unangemessen, nur weil sie 20 Prozent unterhalb der tariflichen Sätze liege. Zwar sei dies zunächst anzunehmen. Der ausbildende Betrieb könne diese Vermutung jedoch widerlegen, wenn er darlegen kann, dass besondere Umstände die niedrigere Ausbildungsvergütung rechtfertigen.

Hinweis: BAG, Urteil vom 29. April 2015, Az. 9 AZR 108/14; Vorinstanz: LAG Nürnberg, Urteil vom 4. September 2013, Az. 7 Sa 374/13

PM BAG
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