Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. Arbeitslosigkeit. ärztliches Beschäftigungsverbot für Schwangere nach MuSchG. keine Arbeitsunfähigkeit. Fiktion der Verfügbarkeit. Gesetzeslücke. verfassungskonforme Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für die Frage, ob bei einer Schwangeren eine Arbeitsunfähigkeit vorliegt, ist entscheidend, ob der Gefährdung der Schwangeren oder des Kindes ein krankhafter Zustand zugrunde liegt. Zudem ist entscheidend, ob die Gefährdung bei Fortführung der Beschäftigung die Ursache ausschließlich in der Schwangerschaft hat (vgl BAG vom 13.02.2002 - 5 AZR 753/00). Eine Risikoschwangerschaft führt nicht zwingend zur Arbeitsunfähigkeit.

2. Das Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs 1 MuSchG steht einer Verfügbarkeit nach § 119 Abs 5 SGB 3 nicht entgegen. Die Verfügbarkeit ist in Analogie zu § 126 SGB 3 zu fingieren (Anschluss an LSG Darmstadt vom 20.8.2007 - L 9 AL 35/04 = Streit 2008, 182).

 

Tenor

1. Der Bescheid der Beklagten vom 15.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.04.2008 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, den Bescheid vom 13.12.2007 zurückzunehmen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 13.12.2007 bis 08.02.2008 Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

4. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen.

 

Tatbestand

Die Beklagte begehrt im vorliegenden Verfahren die Gewährung von Leistungen nach §§ 117 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) für die Zeit eines absoluten Beschäftigungsverbots.

Die Klägerin stand in der Zeit vom 01.03.2006 bis 30.04.2007 in einem Arbeitsverhältnis bei der Firma I.. Am 23.03.2007 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten und stellte einen Antrag auf Leistungen nach §§ 117 ff. SGB III dem mit Verfügung vom 03.04.2007 entsprochen wurde.

In einer am 07.11.2007 bei der Beklagten eingegangenen ärztlichen Bescheinung bescheinigte der Zeuge Dr. J. der Klägerin für die Zeit vom 01.11.2007 bis 30.11.2007 ein Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG). Mit weiteren Bescheinigungen vom 23.11.2007 und 17.01.2008 sprach der Zeuge Dr. K. jeweils ein weiteres Beschäftigungsverbot für die Zeit vom 01.12.2007 bis 31.12.2007 bzw. 01.01.2008 bis 31.01.2008 aus.

Mit Bescheid vom 13.12.2007 hob die Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld für die Zeit ab dem 13.12.2007 auf, da die Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall ausgelaufen sei.

Am 11.02.2008 stellte die Klägerin einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 13.12.2007 nach § 44 SGB X. Sie sei nicht krank gewesen, sondern lediglich schwanger gewesen. Sie habe einem Beschäftigungsverbot unterlegen, da eine Risikoschwangerschaft vorgelegen habe. Deshalb liege keine Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall vor. Zudem bezog sich die Klägerin auf ein Urteil des Hessischen Landessozialgerichts (Az.: L 9 AL 35/04).

Diesen Antrag wies die Beklagte mit Bescheid vom 05.02.2008 zurück. Zwar sei es richtig, dass keine Krankheit (Arbeitsunfähigkeit) vorliege, sondern ein Beschäftigungsverbot, allerdings lägen dann die Voraussetzungen bereits seit dem 01.11.2007 nicht vor. Allerdings werde auf eine Rückforderung der Leistung für die Zeit vom 01.11.2007 bis 13.12.2007 verzichtet.

Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 22.02.2008 Widerspruch ein. Nach der Ansicht der Beklagte bekäme sie weder Krankengeld noch Arbeitslosengeld. Dies sei unzumutbar.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. § 44 SGB X sei hier bereits deshalb nicht anwendbar, da es hier nicht um die Rücknahme eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes gehen würde. Die Entscheidung vom 13.12.2007 sei hier deshalb ein begünstigender Verwaltungsakt, da eigentlich bereits früher eine Aufhebung hätte durchgeführt werden müssen.

Die Voraussetzung der Gewährung von Arbeitslosengeld hätte hier allerdings nicht vorgelegen, da die Klägerin nicht verfügbar gewesen sei. Wegen des Beschäftigungsverbotes hätte sie keine Tätigkeit von mehr als 15 Stunden pro Woche ausüben können. Auch aus § 126 Abs. 1 SGB III ergäbe sich hier kein Anspruch, da keine Krankheit vorliege. Zudem handele es sich bei dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts um einen Einzelfall.

Allerdings sei eine Rückforderung deshalb nicht durchzuführen, da die Klägerin nur unzureichend über die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall unterrichtet worden sei.

Gegen den Bescheid vom 15.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 hat die Klägerin am 20.05.2008 Klage erhoben. Die Beklagte sei nach der Rechtssprechung des Hessischen Landessozialgerichts hier als "Ersatzarbeitgeber" anzusehen. Deshalb müsse die Agentur die Kosten des Beschäftigungsverbots tragen.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 15.02.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2008 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verpflichten, den Bescheid vom 13.12.2007 zurückzunehmen,

3. di...

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