Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Leistungserbringungsrecht. Anspruch des Sozialhilfeträgers auf Aufnahme eines Leistungsberechtigten in eine Einrichtung zu einem in einer Leistungs- und Vergütungsvereinbarung vereinbarten Vergütungssatz. Bindung an die Vereinbarung. Erfassung des Leistungsberechtigten. weite Auslegung. weit überdurchschnittlicher Betreuungsbedarf

 

Orientierungssatz

1. Eine Vereinbarung iS des § 75 Abs 3 SGB 12 ist nach § 77 Abs 1 S 2 SGB 12 für den Einrichtungsträger, den für den Sitz der Einrichtung zuständigen Sozialhilfeträger und alle übrigen Sozialhilfeträger bindend. Demnach haben alle Sozialhilfeträger gegen den Einrichtungsträger einen Anspruch auf Aufnahme von Leistungsberechtigten, die unter die Vereinbarung fallen.

2. Aus der gesetzgeberischen Intention, die Vergütung grundsätzlich und vorrangig auf der Grundlage von Vereinbarungen zu regeln, dürfte sich der Auslegungsgrundsatz ergeben, dass derartige Vereinbarungen eher weiter als enger aufzufassen sind und daher im Zweifel eher anzunehmen sein dürfte, dass eine Vereinbarung anzuwenden ist.

3. Ein Leistungsberechtigter fällt jedoch dann nicht (mehr) unter eine Vereinbarung, wenn sein Hilfebedarf durch den vereinbarten Leistungstyp nicht mehr ausreichend beschrieben wird. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn ein Betreuungsaufwand besteht, der weit über denjenigen für die eigentliche Zielgruppe des Leistungstyps hinausgeht.

4. Az beim LSG: L 7 SO 5348/13

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, den Beigeladenen im Rahmen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch in ihren “Wohnverbund x.„ zu den Bedingungen des “Leistungstyps I.1.1„ - Hilfebedarfsgruppe 5 - aufzunehmen.

Der Kläger ist örtlicher Träger der Sozialhilfe für seinen Bezirk und unstreitig auch für die Erbringung stationärer Leistungen für den Beigeladenen zuständig. Die Beklagte ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, welche in x. ein Epilepsiezentrum betreibt. Zu diesem gehört u. a. die x.-Klinik für Menschen mit schwerer geistiger Behinderung und das Wohnheim x. für Kinder- und Jugendliche mit Epilepsie und geistiger Behinderung. Für dieses Heim hat die Beklagte am 15. September 2011 mit dem x.kreis eine “Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII„ abgeschlossen (Verwaltungsakten Bl. 1279/1281), in deren § 2 Abs. 2 ein Angebot nach Leistungstyp I.1.1 des Rahmenvertrages nach § 79 Abs. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe (SGB XII) vom 15. Dezember 1998 mit folgender Beschreibung vereinbart wurde: “Stationäre Hilfe (Wohnen ohne tagesstrukturierendes Angebot i. S. der Ziffer 1.4) für geistig und / oder mehrfach behinderte Jugendliche und junge Erwachsene (bis zur Schulentlassung) bei denen typischerweise eine ausgeprägte Epilepsie vorliegt, die eine Unterbringung in einem Epilepsiezentrum erforderlich macht„. § 2 Abs. 5 bestimmt: “Der Leistungserbringer verpflichtet sich, im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebots Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.„

Die Vergütung wurde in § 3 wie folgt festgelegt:

Leistungsangebot:

LT I.1.1

Investitionsbetrag (nachrichtlich)

12,85 €

Grundpauschale

22,99 €

Maßnahmepauschale:

Hilfebedarfsgruppe 5

125,20 €

Bei unveränderter Leistungsbeschreibung wurde mit Vereinbarung vom 11. September 2012 (Gerichtsakte Bl. 58/59) die Vergütung wie folgt fortgeschrieben:

Leistungsangebot

LT I.1.1

LT I.1.1

Laufzeit

16.09.2012 - 01.05.2013

30.04.2013 - 28.02.2014

Investitionsbetrag (nachrichtlich)

12,85 €

12,85 €

Grundpauschale

23,74 €

24,31 €

Maßnahmepauschale:

Hilfebedarfsgruppe 5

129,27 €

132,37 €

Der Beigeladene ist am x. 1991 geboren und leidet nach der Diagnosestellung der x.s-Klinik gGmbH, x., vom 28. Oktober 2009 an einem unklaren Epilepsiesyndrom mit Nick- und Sturzanfällen, fokal-tonischen und sekundär generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, einer Störung des Sozialverhaltens bei fehlenden sozialen Bindungen oder einer hirnorganisch bedingten Persönlichkeitsstörung, einer leichten geistigen Behinderung sowie einer expressiven Sprachstörung. Er war vor seiner Einrichtungsunterbringung im Zuständigkeitsbereich des Klägers wohnhaft. Bis 2010 war der Beigeladene in der x. gGmbH untergebracht, wofür der Kläger neben Leistungen nach dem Leistungstyp I.1.1 mit Bescheid vom 14. September 2009 (Verwaltungsakten Bl. 977/979) individuelle Zusatzleistungen von 15 Stunden pro Woche zu je 44,37 € bewilligte. Ab 19. Juli 2010 wohnte der Beigeladene in einer therapeutischen Wohngruppe der x. gGmbH in x., wofür der Kläger Eingliederungshilfe nach Leistungstyp I.7 in Höhe von 215,55 € pro Tag gewährte (Bescheid vom 13. August 2010, Verwaltungsakten Bl. 1151 ff.). Nachdem mehrere Aufenthalte im Zentrum für Psychiatrie x. notwendig geworden waren, wurde der Beigeladene am 18. April 2011 in die x.-Klinik der Beklagten in x. verlegt; seit 30. Januar 2012 i...

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