Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialverwaltungsrecht: Erstattungsansprüche zwischen Leistungsträgern. Ausgleichsansprüche der gesetzlichen Rentenversicherung gegen die Krankenkasse bei Erbringung von Rehabilitationsleistungen. Vorläufigkeit der Leistungsgewährung bei einem nachträglichen Wechsel der sachlichen Zuständigkeit von Rehabilitationsträgern

 

Orientierungssatz

Hat ein Rehabilitationsträger (hier: gesetzliche Rentenversicherung) medizinische Leistungen zur Rehabilitation gewährt, so kann er dann, wenn er nach Bewilligung der Leistung sachlich unzuständig wird (hier: wegen einsetzendem Bezug von Regelaltersrente) vom dann zuständigen Rehabilitationsträger Kostenerstattung für die zu gewährenden Leistungen nach den Regelungen zum Ausgleich bei der Gewährung vorläufiger Leistungen verlangen. Dabei ist bei einer nachträglich geänderten Zuständigkeit von einer Vorläufigkeit der Leistungsgewährung jedenfalls im Verhältnis zum dann zuständig gewordenen Leistungsträger auszugehen.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten der vom 13.09. bis zum 02.10.2013 durchgeführten Rehabilitation der Versicherten ... in Höhe von 1.391,40 Euro zu erstatten.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert wird festgesetzt auf 1.391,40 Euro.

4. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von 1.391,40 Euro für von ihr erbrachte Leistungen der medizinischen Rehabilitation.

Die 1950 geborene Versicherte ... war im hier maßgeblichen Zeitraum bei der Klägerin renten- und bei der Beklagten krankenversichert. Am 13.08.2013 beantragte sie bei der Klägerin eine ambulante medizinische Rehabilitation (Reha) im Zentrum für ambulante Rehabilitation in Ulm. Im Antrag gab sie an in den nächsten sechs Monaten Altersrente beantragen zu wollen.

Mit Bescheid vom 21.08.2013 bewilligte die Klägerin der Versicherten die Durchführung der beantragten Reha. Daraufhin führte die Klägerin diese für die Dauer vom 13.09. bis zum 02.10.2013 durch.

Zuvor, nämlich am 28.08.2013, beantragte die Versicherte bei der Klägerin Rente wegen Alters, welche sie seit Dezember 2013 auch bezieht.

Die Klägerin meldete im Dezember 2013 einen Erstattungsanspruch in Höhe von 1.391,40 Euro bei der Beklagten an. Die Reha sei wegen der Beantragung der Altersrente vom unzuständigen Leistungsträger gewährt worden. Die Beklagte weigerte sich jedoch die Kosten hierfür zu erstatten.

Am 20.04.2015 hat die Klägerin deswegen Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten der Reha vom 13.09. bis zum 02.10.2013 der Versicherten ... in Höhe von 1.391,40 Euro zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, die Klägerin könne vorliegend keine Erstattung verlangen. Sie habe die Möglichkeit gehabt den Bescheid über die Bewilligung der Reha gegenüber der Versicherten vor deren Durchführung aufzuheben. Dann wären die nun erstattet verlangten Kosten nicht entstanden.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der Verwaltungsakte der Klägerin Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Die als Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetzes (SGG) geführte Klage ist statthaft, denn die Klägerin kann ihr Erstattungsbegehren nicht im Wege eines Verwaltungsaktes durchsetzen. Bei Erstattungsstreitigkeiten besteht zwischen den Sozialleistungsträgern kein Über- und Unterordnungsverhältnis; diese stehen sich vielmehr gleichrangig gegenüber, so dass Maßnahmen hoheitlicher Regelung in diesem Verhältnis nicht möglich sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 01. April 1993 - 1 RK 10/92 -, SozR 3-2200 § 183 Nr. 6, BSGE 72, 163-169, SozR 3-1300 § 103 Nr. 3, juris m.w.N.).

Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch gemäß § 102 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) zu.

1. Der Beklagten ist zuzugeben, dass ein Erstattungsanspruch nach der Regelung des § 14 Abs. 4 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) nicht in Betracht kommt. § 14 Abs. 4 SGB IX räumt dem zweitangegangenen Rehabilitationsträger einen spezialgesetzlichen Erstattungsanspruch gegen den materiell-rechtlich originär zuständigen Rehabilitationsträger ein. Werden Leistungen zur Teilhabe beantragt, stellt der (erstangegangene) Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrages bei ihm fest, ob er nach dem für ihn geltenden Leistungsgesetz für die Leistung zuständig ist (§ 14 Abs. 1 S. 1 SGB IX). Stellt er bei der Prüfung fest, dass er für die Leistung nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich dem nach seiner Auffassung zuständigen (zweitangegangenen) Rehabilitationsträger zu (§ 14 Abs. 1 S. 2 SGB IX). Wird nach Bewilligung der Leistung durch einen der Rehabilitationsträger festgestellt, dass ein anderer Rehabilitat...

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