0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Abs. 2 wurde mit Wirkung zum 1.1.1998 durch das Erste SGB III-Änderungsgesetz v. 16.12.1997 (BGBl. I S. 2970) eingefügt und mit Wirkung zum 1.4.1999 aufgehoben durch das Entlassungsentschädigungs-Änderungsgesetz v. 24.3.1999 (BGBl. I S. 396).
Die Vorschrift wurde durch das Dritte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt v. 23.12.2003 (BGBl. I S. 2848) mit Wirkung zum 1.1.2004 redaktionell geändert.
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt v. 20.12.2011 (BGBl. I S. 2854) mit Wirkung zum 1.4.2012 geändert. Dadurch wurde die Vorschrift zugleich geschlechtsneutral ausformuliert.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Regelung ermächtigt die Agenturen für Arbeit, zu berücksichtigendes Einkommen nicht konkret festzustellen, sondern zu schätzen, wenn das Einkommen nur für eine kurze Zeit Einfluss auf die Leistungen der Arbeitsförderung hat. Sie verfolgt den Zweck, langwierige Verwaltungsverfahren zu vermeiden und damit Ineffizienzen entgegenzuwirken. Schätzungen können vorgenommen werden, wenn der notwendige Ermittlungsaufwand zur Bestimmung des exakten Einkommensbetrages als nicht mehr dem Erfolg der Ermittlungen angemessen einzustufen ist. Eine Schätzung kommt nur in Betracht, wenn die Berücksichtigung des Einkommens auf eine kurze Zeit begrenzt wird. Dadurch wird die Ungenauigkeit der Entscheidung der Arbeitsverwaltung erheblich eingegrenzt. Die Änderung der Vorschrift zum 1.4.2012 war nur redaktioneller Art, um die Vorschrift geschlechtsneutral auszuformulieren.
2 Rechtspraxis
Rz. 3
Die Vorschrift erfasst alle Fallgestaltungen bei den Leistungen der Arbeitsförderung, bei denen eine Berücksichtigung von Einkommen vorgesehen ist. Es kommt nicht darauf an, ob das Einkommen konkret auf die Leistung der Arbeitsförderung anzurechnen ist oder nicht. Die Vorschrift ist auch anzuwenden, wenn eine Leistung der Arbeitsförderung im Ermessensweg zu bemessen und bei dieser Ermessensentscheidung das Einkommen (abstrakt) zu berücksichtigen ist.
Rz. 4
§ 329 betrifft nicht allein die Leistungen an Arbeitnehmer, sondern auch die Leistungen für Arbeitnehmer an Arbeitgeber und an Träger; denn sie betrifft alle Leistungsverfahren. Das schließt auch übergangsweise mögliche Leistungen ein.
Rz. 5
Die Vorschrift trifft eine Regelung für Sonderfälle. Das bedeutet für sich allein bereits eine erhebliche Einschränkung. Maßstab des § 329 ist die kurze Zeit, für die Einkommen zu berücksichtigen ist. Damit wird der Amtsermittlungsgrundsatz nach § 20 SGB X, der die Agenturen für Arbeit trifft, nicht gegenstandslos. Das zeigt sich bei der vorauszugehenden Anhörung des Arbeitnehmers. Andererseits stellt der Gesetzgeber keine weiteren spezifischen Anforderungen. Daher ist im Einzelfall abzuwägen, ob die Vorschrift entsprechend dem Ziel, Verwaltungsverfahren zu beschleunigen, angewendet werden kann. Die vorausgehende Anhörungspflicht einerseits und der im Kern nicht tangierte Amtsermittlungsgrundsatz verdeutlichen, dass die Agentur für Arbeit ihre Ermittlungspflichten nicht auf die Anhörung beschränken und sie auch nicht zulasten der Anhörung verschieben kann. Die Agentur für Arbeit hat auch in diesem Zusammenhang zu prüfen, ob und auf welchem Wege sie zu Angaben kommen kann, die eine Schätzung erübrigen. Das sind eben nicht nur Belege des Antragstellers, sondern auch Bescheinigungen Dritter.
Rz. 6
Einkommen darf nicht nur im Zusammenhang mit gestellten Leistungsanträgen geschätzt werden, sondern in allen Fällen, in denen Einkommen in irgendeiner Weise zu berücksichtigen ist, insbesondere also auch in laufenden Leistungsfällen aller Art oder im Zusammenhang mit der Gewährung einmaliger Leistungen.
Rz. 7
Typischer Fall des § 329 ist die Berücksichtigung von Nebeneinkommen nach § 155, das nach Maßgabe dieser Vorschrift auf das Alg anzurechnen ist. Die Anrechnungsvorschrift selbst lässt bereits zu, zwischen einmaligem und ständigem Nebeneinkommen zu unterscheiden und bei dem ständigen Nebeneinkommen wiederum nach ständig gleichbleibendem und der Höhe nach ständig erheblich unterschiedlichem Einkommen. Auf alle Unterscheidungen kann § 329 einwirken. Weitere Fälle betreffen die Berufsausbildungsbeihilfe und das Kurzarbeitergeld. Bei einmaligem Nebeneinkommen handelt es sich i. d. R. um einen kurzen Zeitraum, für den Nebeneinkommen zu berücksichtigen ist. Bei ständigem Nebeneinkommen, das der der Höhe nach starken Schwankungen unterliegt, kommt eine Schätzung z. B. für einen Zahlungszeitraum in Betracht. Ständiges, der Höhe nach gleichbleibendes Einkommen kann auch geschätzt werden, wenn es in einer Gesamtschau nur für eine kurze Zeit zu berücksichtigen ist. In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass auch eine vorläufige Entscheidung in Betracht kommen kann (§ 328), sofern durch Berücksichtigung von Einkommen der gesamte Anspruch in Frage gestellt ist oder nach § 42 SGB I Vorschüsse gezahlt werden können.
Rz. 8
Bei den Leistungen der aktiven Arbeitsförderung an einen Arbeitnehmer ist eine Einkommensschätzung z. B. angebracht, sowe...