Entscheidungsstichwort (Thema)

Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zum Abschluss einer Vereinbarung mit einem Leistungserbringer durch einstweiligen Rechtsschutz

 

Orientierungssatz

1. Der Abschluss einer Vereinbarung des Sozialhilfeträgers mit einem Leistungserbringer nach § 75 Abs. 2 SGB 12 steht im gebundenen Ermessen des Sozialhilfeträgers. Dabei hat der Träger die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen. Unter mehreren gleich geeigneten Leistungserbringern hat er einen Vergleich vorzunehmen.

2. Dieser hat sich zu orientieren an der jeweils geforderten Vergütung unter Berücksichtigung von Leistungsinhalt, -umfang und -qualität. Erst nach diesem Leistungserbringervergleich stellt sich die Frage, ob das Ermessen hinsichtlich der Einrichtungen, die alle gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen, auf Null reduziert ist.

3. Lehnt der Sozialhilfeträger ohne Durchführung eines solchen Leistungserbringervergleichs einen Vertragsschluss mit der Begründung ab, dass kein Bedarf an einem zusätzlichen Angebot bestehe, weil geeignete Einrichtungen bereits in ausreichender Zahl vorhanden seien, so handelt er ermessensfehlerhaft.

4. Weil der vorläufige gerichtliche Rechtsschutz nicht diese exekutivische Prüfung ersetzen soll, ist ein derartiger Leistungsvergleich im Rechtsschutzverfahren nicht zu erbringen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Existenzminimum des antragstellenden Leistungserbringers sichergestellt und durch ein Abwarten der sozialgerichtlichen Hauptsacheentscheidung nicht gefährdet ist. Das Normengefüge des § 75 SGB 12 befreit den Unternehmer ohnehin nicht vom Risiko wirtschaftlicher Schwierigkeiten.

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 31.03.2011 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 31.03.2011 ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

1. Das SG Dortmund hat ihren Antrag auf vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutz zu Recht abgelehnt.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 -, BVerfGK 5, 237 = NVwZ 2005, Seite 927).

b) Diese Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Verpflichtung des Antragsgegners, mit ihr eine Leistungsvereinbarung gemäß § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) abzuschließen.

Die Antragstellerin bietet im Rahmen ihrer heilpädagogischen Praxis einen Dienst i.S.d. § 75 Abs. 1 Satz 2 SGB XII an und ist in ihrer Funktion als Leistungserbringerin somit eine Einrichtung gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Ob die Antragstellerin über die gemäß § 75 Abs. 2 Satz 2 SGB XII erforderliche Eignung verfügt, hatte der Senat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht weiter festzustellen, weil die weiteren Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen (dazu sogleich); die Eignung der Antragstellerin ist von dem Antragsgegner nicht in Frage gestellt worden.

Der Abschluss einer Vereinbarung mit dem Leistungserbringer steht im gebundenen Ermessen des Sozialhilfeträgers (Jaritz/Eicher in: jurisPK-SGB XII, 1. Aufl. 2010, § 75 Rn. 44 m.w.N.). Gebunden ist das Ermessen deshalb, weil der Sozialhilfeträger die in § 75 Abs. 3 Satz 2 SGB XII normierten Grundsätze der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit berücksichtigen und im Falle mehrerer gleich geeigneter Einrichtungen einen Leistungserbringervergleich gemäß § 75 Abs. 2 Satz 3 SGB XII vornehmen muss.

Diese Ermessensdirektiven erfordern einen Vergleich der für geeignet befundenen Einrichtungen in Bezug auf die Vergütung unter Berücksichtigung von Leistungsinhalt, -umfang und -qualität (Jaritz/Eicher, a.a.O., § 75 Rn. 45 m.w.N.). Erst nach diesem Leist...

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