Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Anwendbarkeit der 4-Jahresfrist des § 44 Abs 4 SGB 10

 

Orientierungssatz

Bei Bestehen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist die Anwendung des § 44 Abs 4 SGB 10 durch § 37 S 1 Halbs 1 SGB 1 ausgeschlossen. Dafür spricht, dass die Regelung einer Anspruchsbegrenzung auf vier Jahre nicht als selbständige Vorschrift Eingang ins SGB 10 gefunden hat, sondern sich sowohl in § 44 SGB 10 als auch in § 48 SGB 10 auf die durch diese Bestimmungen begründeten Ansprüche bezieht (vgl BSG vom 6.3.2003 - B 4 RA 38/02 R = BSGE 91, 1 = SozR 4-2600 § 115 Nr 1). Ein genereller Ausschluss von Leistungen, die mehr als vier Jahre zurückliegend zugestanden hätten, besteht - abgesehen von den geregelten Einzelfällen - nicht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.03.2007; Aktenzeichen B 13 R 34/06 R)

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ab wann dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren ist.

Der ... 1941 geborene Kläger übte letztmals im Dezember 1980 eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung aus. Sein berufliches Leistungsvermögen ist seit November 1986 infolge einer hereditären sensomotorischen Neuropathie mit Atrophien auf Dauer aufgehoben. ... 1981 ist seine Tochter S geboren. Aufgrund einer gemeinsamen Erklärung mit seiner Ehefrau - und dem Antrag, die Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten dem Vater zuzuordnen - vom 25. Januar 1991 wurde die bis dahin vorgenommene Zuordnung der Kindererziehungszeit (Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1. Oktober 1981 bis 30. September 1982) für die Tochter S zur Mutter aufgehoben (Bescheid der Beklagten an die Ehefrau des Klägers vom 22. August 1991) und dem Kläger zugeordnet. Eine entsprechende Zuordnung auch der Berücksichtigungszeit vom 25. September 1981 bis 24. September 1991 erfolgte dagegen erst mit Bescheid vom 10. Dezember 2001. Zur Feststellung der versicherungsrechtlichen Zeiten im Einzelnen wird auf den Versicherungsverlauf vom 10. Dezember 2001 verwiesen.

Die Beklagte lehnte den Antrag vom 25. Januar 1991 auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 19. Juni 1991 ab, da der Kläger zuletzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit nicht ausgeübt habe. Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 1991 zurück.

Am 9. Juli 2001 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seit 1. Januar 1992 sei für die Tochter S eine Berücksichtigungszeit anzuerkennen. Bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 1991 sei dem Widerspruchsausschuss bekannt gewesen, dass die Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten ihm zugeordnet worden seien, ebenso dass in den rechtlichen Verhältnissen mit Wirkung vom 1. Januar 1992 eine wesentliche Änderung eintreten werde.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente zunächst ab, bewilligte dann aber im Widerspruchsverfahren ab 1. Juli 2001, dem Antragsmonat, Rente wegen voller Erwerbsminderung (Bescheid vom 20. September 2002).

Die Widerspruchsstelle der Beklagten gab dem aufrecht erhaltenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002 weitergehend statt. Ein Herstellungsanspruch bestehe "aufgrund des Antrages vom 25.01.1991 in Verbindung mit dem Antrag auf Kindererziehungszeiten vom 22.08.1991". Über die bisherige Entscheidung hinaus sei Rente vier Jahre rückwirkend (soweit nicht verjährt) zu gewähren. Mit Bescheid vom 12. Februar 2003 entschied die Beklagte dann u. a.: "Aufgrund der Entscheidung über Ihren Widerspruch vom 07.10.2002 erhalten Sie von uns Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Rente beginnt am 01.01.1992. ... Für die Zeit ab 1.1.1997 bis 31.3.2003 beträgt die Nachzahlung 21.836,22 EUR."

Auf den Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2002, ihm zugestellt am 16. Januar 2003, hat der Kläger am 14. Februar 2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und zuletzt noch die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 1994 begehrt. Mit Urteil vom 9. Dezember 2004 hat das SG die Klage abgewiesen.

Gegen das am 23. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Januar 2005 Berufung eingelegt. Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Dezember 2004 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12. Februar 2003 zu verurteilen, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. Januar 1994 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, die Voraussetzungen eines Herstellungsanspruches seien zwar erfüllt. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) entschieden habe, die Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X sei beim Herstellungsanspruch nicht heranzuziehen, folge sie dieser Rechtsauffassung über den Einzelfall hinaus nicht.

Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Bekla...

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