Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachts- und Urlaubsgeld für geringfügig Beschäftigte. Gleichbehandlungsgrundsatz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sog. geringfügig beschäftigte Angestellte i. S. des § 8 SGB IV haben im öffentlichen Dienst aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes einen Anspruch auf (anteiliges) Urlaubs- und Weihnachtsgeld, wenn der Arbeitgeber diese Leistungen an sämtliche in Vollzeit oder mehr als geringfügig in Teilzeit tätigen Angestellten nach den einschlägigen tariflichen Regelungen gewährt.

2. Soweit der „Tarifvertrag über eine Zuwendung an Angestellte vom 12.10.1973” und der „Tarifvertrag über ein Urlaubsgeld für Angestellte vom 16.3.1977” i.V.m. § 3 n BAT in der ab 1.4.1991 geltenden Fassung die sog. geringfügig Beschäftigten jeweils von seinem Geltungsbereich ausnimmt, verstößt die tarifliche Regelung gegen Art. 1 § 2 Abs. 1 BeschFG 1985 und ist insoweit unwirksam.

 

Normenkette

BeschFG 1985 Art. 1 § 2 Abs. 1; BAT § 3n; SGB IV § 8

 

Verfahrensgang

ArbG Passau (Urteil vom 18.07.1997; Aktenzeichen 3 Ca 2098/96)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Passau vom 18.7.1997 – 3 Ca 2098/96 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte lediglich DM 615,99 brutto nebst 4% Zinsen aus dem Nettobetrag seit 13.12.1996 an den Kläger zu zahlen hat; im übrigen ist das Urteil gegenstandslos.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Kläger als sogenannter geringfügig beschäftigter Angestellter i. S. des § 8 SGB IV unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Gleichbehandlung Anspruch auf ein zusätzliches Urlaubsgeld und auf eine jährliche Sonderzuwendung (Weihnachtsgeld) gegen die Beklagte hat.

Der … geborene Kläger, Postamtmann a.D., wurde von der beklagten Stadt mit einem schriftlichen Arbeitsvertrag (Bl.52/53 d.A.) ab 6.12.1993 auf unbestimmte Zeit als Angestellter eingestellt und zwar als Aufsichtsperson für die Fahrschüler in der Hauptschule der Stadt. Als regelmäßige Arbeitszeit waren wöchentlich zunächst 4,5 Stunden, seit 1.4.1996 4,1 Stunden bei einem Stundenlohn von zunächst DM 12,–, der sich entsprechend der vertraglichen Vereinbarung im gleichen vom Hundertsatz wie die Vergütung nach dem BAT verändern sollte, vereinbart. Nach § 3 des Arbeitsvertrages sollte sich das Arbeitsverhältnis im übrigen nach den gesetzlichen Vorschriften richten.

Demgegenüber vereinbart die beklagte Stadt mit den mehr als geringfügig beschäftigten Angestellten regelmäßig die Anwendung des BAT in der jeweiligen Fassung mit den ihn ergänzenden Tarifverträgen. Dementsprechend erhalten diese Angestellten jährlich ein Urlaubsgeld und zu Weihnachten eine Zuwendung nach Maßgabe der einschlägigen Tarifverträge, während sie dem Kläger als geringfügig beschäftigten Angestellten ein derartiges Urlaubsgeld und eine solche Zuwendung nicht bezahlt.

Der Kläger hat geltend gemacht, daß die Beklagte hierdurch den Gleichbehandlungsgrundsatz verletze und daß er deshalb ein anteiliges Weihnachtsgeld für 1994 mit DM 237,09 brutto und für 1995 von DM 243,80 brutto sowie ein Urlaubsgeld für 1994 von DM 75,97 und für 1995 ebenfalls von DM 75,97 brutto, insgesamt also DM 632,83 brutto beanspruchen könne.

Die Beklagte hat eingewendet, daß sie sich an das Tarifrecht halte und daß nach § 3 n BAT in der ab 1.4.1991 geltenden Fassung Angestellte, die i. S. des § 8 SGB IV geringfügig beschäftigt sind, vom Geltungsbereich des BAT und den diesen Tarifvertrag ergänzenden Tarifverträgen über eine Zuwendung und über ein Urlaubsgeld für Angestellte ausgenommen seien. Die Vergütung des Klägers sei entsprechend frei vereinbart und sehe die Zusatzleistungen nicht vor. Die Tatsache, daß der Arbeitgeber die Steuern übernehme, daß die Vergütung versicherungsfrei sei und es sich nur um ein untergeordnetes Nebeneinkommen handle, lasse die Differenzierung als sachlich gerechtfertigt erscheinen.

Dem ist das vom Kläger angerufene Arbeitsgericht Passau im Urteil vom 18.7.1997 nicht gefolgt, sondern hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger DM 632,83 brutto nebst Zinsen zu zahlen. Es sieht den Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, weshalb die Beklagte den Kläger wie die übrigen Arbeitnehmer zu behandeln habe. Das Erstgericht hat die Berufung zugelassen.

Die Beklagte hat daraufhin gegen das ihr am 25.11.1997 zugestellte Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes erster Instanz und der rechtlichen Erwägungen des Erstgerichts im einzelnen Bezug genommen wird, am 22.12.1997 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 23.2.1998 durch den am 19.2.1998 eingegangenen Schriftsatz ihrer Prozeßbevollmächtigten vom 18.2.1998 begründet. Sie hat geltend gemacht, daß die Forderung schon der Höhe nach nicht zutreffe, weil nach den Zuwendungstarifverträgen für 1994 nur 98,04% und für 1995 nur 95% einer Monatsvergütung zu gewähren seien, so daß allenfalls ein Betr...

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