Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Busfahrers wegen Vereinnahmung des Fahrpreises ohne Ausdrucken und Aushändigung von Fahrscheinen

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Busfahrer, der (auf einer überwiegend von Touristen genutzten Buslinie) Gelder für Fahrscheine entgegen nimmt, ohne die entsprechenden Fahrscheine zu drucken und auszuhändigen, kann auch ohne Abmahnung fristlos entlassen werden.

 

Normenkette

BGB § 626

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 28. Februar 2018 - 56 Ca 13272/17 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.

III. Der Gebührenwert für das Berufungsverfahren wird auf 11.054,48 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 16. Oktober 2017.

Der Kläger ist 58 Jahre alt (geb... 1960), geschieden und einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Er war seit dem 1. November 2013 bei der Beklagten als Omnibusfahrer mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von 2.763,62 EUR beschäftigt.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise fristgemäß zum 30. November 2017.

Der Kläger meinte, dass ein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung nicht gegeben sei und im Übrigen die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt sei. Er bestritt auch die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats. Weiter wandte sich der Kläger gegen sämtliche weiteren Beendigungstatbestände und begehrte für den Fall des Obsiegens seine Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens.

Die Beklagte hält einen wichtigen Grund für gegeben, der zugleich auch die ordentliche Kündigung rechtfertige. Der Kläger habe am 11. September 2017 von Fahrgästen Geld für Fahrscheine eingenommen, ohne diese aber zu erstellen und auszuhändigen. Dieses sei im Rahmen einer Sonderüberwachung durch einen Personalprüfer der Beklagten festgestellt worden. Diese Sonderüberwachung war aufgrund einer Kundenbeschwerde vom 30. Juli 2017 angeordnet worden. In dieser hatte ein Fahrgast formuliert, dass ein Fahrer das Entgelt kassiert habe, aber keinen Fahrschein an einen englischsprachigen Berlin-Touristen habe herausgeben wollen. Dazu habe der Fahrer mehrmals formuliert: "you don't need a ticket".

Von dem vollständigen Sachverhalt vom 11. September 2017 habe der kündigungsberechtigte Leiter des Bereichs Omnibus Torsten Mareck am 18. September 2017 erfahren.

Noch am 11. September 2017 wurde der Kläger unter Mitteilung der Vorwürfe zu einer Anhörung am 12. September 2017 gebeten. Zu der Anhörung am 12. September 2017 wurde auf Wunsch des Klägers ein Personalratsmitglied hinzugezogen. Ausweislich des Protokolls der Anhörung, dessen Unterzeichnung der Kläger verweigerte, erklärte der Kläger zu den Vorwürfen:

"Stimmt überhaupt nicht, ich habe FS verkauft. FG haben bezahlt und den Fahrschein selbst genommen und eingesteckt. Es ist auf dem Video zu erkennen. Nach Kassensturz und abrechnen haben doch nur 3,30 € gefehlt.

Ich tue doch nur meine Arbeit, ich lebe seit 30 Jahren in Deutschland, habe keinen Grund BVG-Geld einzustecken."

Zugleich sollte ausweislich des Anhörungsprotokolls eine Videodatensicherung zur Entlastung durchgeführt werden.

Zu dem Kündigungsvorwurf wurde dem Personalrat unter dem 18. September 2017, zugegangen am 19. September 2017, folgender Sachverhalt unter Beifügung verschiedener Unterlagen, u.a. auch eines Formblatts "Zustimmungsantrag zur außerordentlichen Kündigung" und "Zustimmungsantrag zur hilfsweisen ordentlichen Kündigung" mitgeteilt:

Herr Y. wurde am 01.11.2013 als Omnibusfahrer eingestellt.

Am 25.04.2016 kam es erstmals zu einem Vorfall bezüglich der Inkassotätigkeit des Herrn Y.. ...

Am 29.07.2017 erreichte das Beschwerdemanagement (FVM-M21) eine weitere Beschwerde. Der Beschwerdeführer schreibt u.a.: "Fahrer kassiert Entgelt und will keinen Fahrschein geben. Auskunft: "you don't need a ticket" (mehrmals) Erst nach mehrmaliger Aufforderung haben wir (englischsprachiger Berlintourist - ... - und ich) schließlich den Fahrschein erhalten. Unglaublicher Vorfall!..." Als betreffender Fahrer wurde Herr Y. ermittelt.

Aufgrund dieses Vorfalls wurde am 04.08.2017 eine Sonderüberwachung beim Betriebsleiterbüro beantragt.

Herr Y. wurde am 11.09.2017 zwischen 13:57 Uhr und 14:15 Uhr auf dem Weg vom s+U Bhf Alexanderplatz/Memhardstr. Bis zur Charité - Campus Mitte mit dem Omnibus der Linie TXL überprüft.

Folgendes wurde festgestellt:

"An der Haltestelle S+U Alexanderplatz (13:58 Uhr) legten zwei männliche Fahrgäste, ukrainischer Herkunft, 6 Euro in Münzen auf den Kassentisch und baten um zwei Fahrscheine Regeltarif AB. Herr Y. betätigte mehrfach den Wechsler und signalisierte damit, dass er kein ausreichendes Wechselgeld habe. Das Fahrgeld schob Herr Y. in den Wechsler, ohne Fahrscheine auszudrucken, und winkte die beiden Herren durch. Dieser Vorgang wiederholte sich an der o.g....

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