Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeitverlangen eines Co-Piloten mit verblockter Freistellung im Monat Juli
Leitsatz (redaktionell)
1. Das konkrete Teilzeitverlangen eines Co-Piloten hinsichtlich der zeitlichen Lage der Freistellung ist nicht deshalb als unredlich anzusehen, weil es ihm erkennbar gerade auf die Sommermonate Juli oder August und damit auf die Zeit der Sommerschulferien ankommt, wenn er als Vater von zwei minderjährigen (und demnächst auf Jahre hinaus schulpflichtigen) Kindern nicht regelmäßig mit der Ablehnung seiner Urlaubswünsche für die Sommerschulferien wegen entgegenstehender Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer zu rechnen hat, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienen würden. Insofern drängt sich nicht die Annahme auf, dass sich das Teilzeitmodell des Arbeitnehmers ausschließlich darauf richtet, das bei der Arbeitgeberin durch Betriebsvereinbarungen geregelte System der Urlaubsvergabe zwecks Erhalt einer garantierten Urlaubszeit umgehen zu wollen.
2. Die Problematik der Konkurrenz zwischen den Beschäftigten um die am meisten nachgefragten Urlaubsmonate ist nicht unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs gegen den neben arbeitsmarktpolitischer Ziele verfolgten Zweck des gesetzlichen Teilzeitanspruchs der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie auszuspielen. Nach der gesetzlichen Konzeption sind dem Wunsch nach Reduzierung der Arbeitszeit gerade keine gegenläufigen Arbeitszeitinteressen anderer Beschäftigter entgegenzuhalten.
Normenkette
TzBfG §§ 8, 8 Abs. 1, 4 S. 1; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 24.08.2016; Aktenzeichen 23 Ca 7258/16) |
Tenor
I. Das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 24.08.2016 - 23 Ca 7258/16 - wird abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, einer Reduzierung der jährlichen Arbeitszeit des Klägers durch Freistellung im Monat Juli ab dem Jahr 2016 zuzustimmen.
II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verlangt von der Beklagten, seine regelmäßige Arbeitszeit zu vermindern und die reduzierte Arbeitszeit so zu verteilen, dass er im Monat Juli eines jeden Kalenderjahres nicht zu arbeiten hat.
Der am .....1967 geborene Kläger ist Vater von 2 Kindern im Alter von (zum Zeitpunkt der Klageerhebung) 2 und 4 Jahren und bei der Beklagten bzw. der Rechtsvorgängerin auf der Grundlage eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 19.03.2004 seit dem 14.04.2004 als Flugzeugführer (Co-Pilot) am Stationierungsort Frankfurt am Main (FRA) zu einer Bruttomonatsvergütung von 8.130,53 € in Vollzeit beschäftigt. Aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung finden "auf das Arbeitsverhältnis ... die jeweils gültigen tariflichen betrieblichen Bestimmungen für das LTU Cockpitpersonal Anwendung."
Die ursprüngliche Arbeitgeberin des Klägers, die L.-L.-Unternehmen GmbH, wurde mit Wirkung zum 01.04.2011 im Wege der aufnehmenden Verschmelzung auf die Beklagte verschmolzen. Der Kläger gehört seitdem bei der Beklagten, die mehr als 5.000 Arbeitnehmer im Bereich des fliegenden Personals, darunter ca. 1.000 Piloten und Co-Piloten, beschäftigt, der Arbeitnehmergruppe "Ex-LTU-Piloten" an, für die eigenständige kollektivvertragliche Regelungen gelten, insbesondere der "Tarifvertrag Freimonatsmodell für das Cockpitpersonal unter dem 55. Lebensjahr" (TV-Freimonatsmodell) vom 10.03.1999 mit Ergänzungsvereinbarung vom 10.01.2005, der auszugsweise lautet:
§ 1
Geltungsbereich
Der folgende Tarifvertrag gilt für alle Mitarbeiter/innen des Cockpitpersonals der LTU, die noch nicht das 55. Lebensjahr vollendet haben, und deshalb nicht die Möglichkeit der Teilzeit-Arbeit gemäß § 47 a MTV in Anspruch nehmen können.
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§ 2
Vergabe von Freimonaten
LTU vergibt während eines Flugplanjahres (1.11. bis 31.10 des Folgejahres) zusätzlich zu der in § 47a MTV gewährleisteten Teilzeit Freimonate.
Die Anzahl der Freimonate beträgt mindestens:
Kapitäne Boingflotte (747/767) 42 Monate
Kapitäne A.busflotte (A 330) 30 Monate
Kapitäne Neue Flotte 30 Monate (frühestens ab dem Jahr 2002)
...
Co-Piloten jeweils 50 %.
Die Lage der Freimonate bestimmt der Flugbetrieb. Sie orientiert sich an der Produktion und dem jeweiligen Personalbedarf. Dabei sollen jedoch auch die Wünsche der Mitarbeiter berücksichtigt werden, soweit sie betrieblich und wirtschaftlich sinnvoll realisiert werden können.
Bei signifikanten Änderungen des Flottenbestandes ist die Anzahl der Freimonate entsprechend anzupassen.
§ 3
Bewerbungsverfahren
Der schriftliche Antrag auf Freimonat muss bis zum 30.06. in der Personalabteilung eingehen. Die Verteilung der Freimonate erfolgt bis zum 31.08.
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§ 5
Rückforderung der Freimonate durch LTU
LTU behält sich das Recht vor, aus Gründen unvorhersehbarer Personalengpässe einzelne Freimonate von den Mitarbeitern zurückzufordern. Die Rückforderung muss bis spätestens zum 5. des jeweiligen, dem betroffenen Freimonat vorangehenden Monats, erfolgen.
Ein einseitiges Rückgabeverlangen seitens LTU nach dem 5. des jeweiligen Vormonats ist nicht mehr möglich.
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