Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschlag für Rufbereitschaft bei verspäteter Vorlage des Dienstplans nach TV-Ärzte/VKA. Unbeachtlichkeit von Verzögerungen bei Dienstplanerstellung durch fehlende Mitbestimmung. Anforderungen an Dienstplanerstellung nach § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA in der seit dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung wird die Lage der Dienste der Ärztinnen und Ärzte in einem Dienstplan geregelt, der spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird. Wird die vorstehende Frist nicht eingehalten, so erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag auf jeden Dienst gezahlt. Diese Rechtsfolge tritt nicht bereits dann ein, wenn die Dienste entsprechend dem rechtzeitig bekanntgegebenen Dienstplan geleistet werden, aber ein betriebliches Mitbestimmungsverfahren zuvor nicht abgeschlossen wurde und der Betriebsrat bzw. Personalrat auch nicht nachträglich dem Dienstplan zugestimmt hat. Das folgt insbesondere aus dem Sinn und Zweck von § 10 Abs. 11 TV-Ärzte/VKA, den betroffenen Arbeitskräften Planungssicherheit für ihre außerdienstlichen Aktivitäten zu gewährleisten. Die Zuschlagspflicht ist keine Sanktion für mitbestimmungswidriges Verhalten des Arbeitgebers.

 

Normenkette

TV-Ärzte/VKA § 10 Abs. 11; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2; ArbGG § 11 Abs. 4; BetrVG § 77 Abs. 1; GewO § 106; TVG § 1 Abs. 1; ZPO § 91 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 09.07.2021; Aktenzeichen 12 Ca 28/21)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 16.03.2023; Aktenzeichen 6 AZR 130/22)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 9. Juli 2021 - 12 Ca 28/21 - abgeändert:

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  3. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist der Anspruch auf Zahlung von Zuschlägen zum (Ruf-) Bereitschaftsdienst im Streit.

Der Kläger ist für die Beklagte, die als Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Universitätsklinikum betreibt, als Oberarzt tätig. Der Kläger ist teilfreigestelltes Mitglied des Betriebsrats. Der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte in kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA) findet auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung. Nach Maßgabe von § 10 TV-Ärzte/VKA ist der Kläger zur Leistung von Ruf- und Bereitschaftsdiensten verpflichtet.

§ 10 Abs. 11 des Tarifvertrages in der seit 1. Januar 2020 geltenden Fassung lautet:

(11) 1Die Lage der Dienste der Ärztinnen und Ärzte wird in einem Dienstplan geregelt, der spätestens einen Monat vor Beginn des jeweiligen Planungszeitraumes aufgestellt wird. 2Wird die vorstehende Frist nicht eingehalten, so erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 für jeden Dienst des zu planenden Folgemonats um 10 Prozentpunkte bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag von 10 Prozent des Entgelts gemäß § 11 Abs. 3 auf jeden Dienst des zu planenden Folgemonats gezahlt. 3Ergeben sich nach der Aufstellung des Dienstplanes Gründe für eine Änderung des Dienstplanes, die in der Person einer Ärztin / eines Arztes begründet sind oder die auf nicht vorhersehbaren Umständen beruhen, kann der Dienstplan nach Aufstellung geändert werden. 4Die Mitbestimmung nach der Aufstellung des Dienstplanes bleibt unberührt. 5Liegen bei einer notwendigen Dienstplanänderung nach Satz 3 zwischen der Dienstplanänderung und dem Antritt des Dienstes weniger als drei Tage, erhöht sich die Bewertung des Bereitschaftsdienstes gemäß § 12 Abs. 1 Satz 1 um 10 Prozentpunkte bzw. wird zusätzlich zum Rufbereitschaftsentgelt ein Zuschlag von 10 Prozent des Entgelts gemäß § 11 Abs. 3 gezahlt.

Bei der Beklagten gilt eine Betriebsvereinbarung, nach der dem Betriebsrat die Dienstpläne jeweils sechs Wochen vor dem Planungszeitraum, der jeweils Kalendermonate umfasst, von der Beklagten zugeleitet werden. Für die Monate Februar bis September 2020 wurden dem Kläger und seinen Kolleginnen und Kollegen die Dienstpläne unter Wahrung der in § 10 Abs. 11 Satz 1 TV-Ärzte/VKA genannten Frist bekanntgegeben. Im Zeitpunkt der jeweiligen Bekanntgabe lag keine Zustimmung des Betriebsrats vor; sie wurde auch nicht nachträglich erteilt. Von der Beklagten wurde auch kein Einigungsstellenverfahren angestrengt. Der Betriebsrat hatte einzelne Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz gerügt.

Der Kläger leistete in dem genannten Zeitraum an 16 Tagen Bereitschafts- bzw. Rufbereitschaftsdienst entsprechend den ihm bekanntgegebenen Dienstplänen (im Einzelnen: Bl. 2,3 der Akte des ArbG).

Nach rechtzeitiger Geltendmachung machte er Zuschläge zwischen EUR 48,99 brutto und EUR 93,08 brutto für die jeweiligen Dienste zum Gegenstand der Klage, die der Beklagten am 26. Februar 2021 zugestellt wurde (Einzelaufstellung = Bl. 3 der Akte des ArbG).

Der Kläger meint, die Dienste seien zuschlagspflichtig, weil die Beklagte...

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