Rz. 63

Seit nahezu 100 Jahren bejaht die Rechtsprechung den inneren Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit bei Gemeinschaftsveranstaltungen, Betriebsausflügen, Betriebsfesten, Jubiläumsfeiern und sonstigen Festlichkeiten (vgl. BSG, Urteil v. 22.8.1955, 2 RU 49/54). Der Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit liegt darin, dass durch solche Veranstaltungen die Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft gepflegt und die Betriebsgemeinschaft innerhalb der Belegschaft begründet und gestärkt wird. Dadurch werden die Leistungsbereitschaft und das Verantwortungsbewusstsein der Belegschaft gefördert. Die betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung ist versicherte Tätigkeit. Ereignet sich während der Dauer einer solchen Veranstaltung ein Unfall, so handelt es sich um einen Arbeitsunfall. Der unmittelbare Weg von und nach dem Ort der Veranstaltung ist nach Abs. 2 versichert. Doch nicht jede Zusammenkunft oder Festlichkeit, an der Mitarbeiter eines Unternehmens teilnehmen, ist als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung anzuerkennen. Es müssen die folgenden Voraussetzungen erfüllt sein.

 

Rz. 64

Mit der Veranstaltung muss der obengenannte Gemeinschaftszweck verfolgt werden, die Pflege der Verbundenheit zwischen Betriebsleitung und Belegschaft und/oder die Pflege der Verbundenheit der Betriebsangehörigen untereinander. Diesen Zweck hat das BSG (Urteil v. 26.4.1976, 2 RU 2/77) bei einem Treffen der Familienangehörigen in einem reinen Familienunternehmen nicht als erfüllt angesehen. Ansonsten ist bei diesem Kriterium der Kreis nicht zu eng zu ziehen, zumal weitere Eingrenzungskriterien zu prüfen sind.

 

Rz. 65

Die Veranstaltung muss von der Autorität des Unternehmers getragen sein. Es reicht nicht, dass Betriebsangehörige in Eigenregie die Veranstaltung tragen. Ebenso wenig reicht es, dass der Unternehmer die Veranstaltung bloß duldet. Soweit der Unternehmer (das Unternehmen) nicht ausdrücklich als Veranstalter auftritt, muss es sich zumindest feststellen lassen, dass der Unternehmer sie als betriebliche Veranstaltung billigt oder fördert (BSG, Urteil v. 10.12.1975, 8 RU 202/74) und dass er selbst oder ein Beauftragter bei Planung und Durchführung in Erscheinung tritt. Veranstalter kann auch der Betriebsrat oder eine Gruppe von Beschäftigten sein. Jedoch muss dies im Einvernehmen mit der Unternehmensleitung geschehen. Bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen in einzelnen organisatorischen Einheiten des Unternehmens, insbesondere wenn das Unternehmen über mehrere Betriebsstätten oder Dienststellen verfügt, genügt es, wenn die Leitung der jeweiligen organisatorischen Einheit oder der Dienststelle als Veranstalter seitens des Unternehmens fungiert. An der Rechtsprechung, dass die Unternehmensleitung persönlich an der Feier teilnehmen muss, hält das BSG nicht länger fest (BSG, Urteil v. 5.7.2016, B 2 U 19/14 R).

 

Rz. 66

Die Veranstaltung muss allen Betriebsangehörigen offenstehen und es muss ein namhafter Teil der Belegschaft teilnehmen. Eine Teilnahmepflicht für alle Betriebsangehörigen ist nicht zu fordern. Bei großen Unternehmen oder auch bei Betrieben mit Schichtarbeit kann nicht erwartet werden, dass die Veranstaltung für den Gesamtbetrieb durchgeführt wird. Hier können auch Veranstaltungen für einzelne Abteilungen, Niederlassungen usw. als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen gewertet werden. Steht die geringe Anzahl der teilnehmenden Betriebsangehörigen in einem offensichtlichen Missverhältnis zur Gesamtzahl der Betriebsangehörigen (bzw. Mitarbeiter der Abteilung oder Niederlassung), so spricht dies gegen das Vorliegen einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung. Konnten die Teilnehmer jedoch aufgrund objektiver Umstände davon ausgehen, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gemeinschaftsveranstaltung gegeben waren, so besteht auch dann Versicherungsschutz (BSG, Urteil v. 9.12.2003, B 2 U 52/02 R, und Urteil v. 7.12.2004, B 2 U 47/03 R; Krasney, NZS 2006 S. 57).

 

Rz. 66a

Versicherungsschutz besteht dann nicht, wenn die Veranstaltung von der Konzeption her nur auf einen Teil der Belegschaft zugeschnitten ist.

 
Praxis-Beispiel
  • Ein Faschingsfußballturnier, bei dem Kostümzwang vorgesehen ist, zielt konzeptionell nicht auf die Teilnahme aller, sondern nur eines Teils der Beschäftigten des Unternehmens ab, zumal, wenn es an den norddeutschen Betriebsstandorten des Unternehmens, insbesondere am Veranstaltungsort Kiel, keine nennenswerte Karnevalsbegeisterung gibt und auch bei der Ausschreibung des Turniers nicht zu erwarten war (BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 2 U 27/08 R).
  • Eine gefährliche Bootsfahrt auf dem Luvua-Fluss in Zaire (BSG, Urteil v. 16.5.1984, 9b RU 6/83) oder ein Ballonfahrertreffen (BSG, Urteil v. 22.9.2009, B 2 U 4/08 R) ist nicht als Betriebsausflug den Beschäftigungen zuzurechnen, wenn er so geplant ist, dass ein nennenswerter Teil der Belegschaft nicht teilnehmen kann oder vernünftigerweise wegen der Gefährlichkeit nicht mitmachen will.
 

Rz. 67

Sobald die Veranstaltung nur einer be...

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