0 Rechtsentwicklung/Allgemeines
Rz. 1
Durch Art. 24 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (7. SGB IV-Änderungsgesetz – 7. SGB IV-ÄndG) v. 12.6.2020 (BGBl. I S. 1248) wurde mit Wirkung zum 1.1.2021 Abschnitt 2 der BKV mit den §§ 7 bis 11 und Abschnitt 3 mit § 12 eingeführt. § 12 enthält eine Übergangsregelung im Zusammenhang mit dem Wegfall des Zwanges zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten als Voraussetzung für die Anerkennung bestimmter Berufskrankheiten.
1 Rechtspraxis
1.1 Wegfall des Unterlassungszwanges
Rz. 2
Der Unterlassungszwang als Voraussetzung für die Anerkennung als Berufskrankheit wird in der Anlage 1 zur BKV in den davon betroffenen neun Berufskrankheiten-Tatbeständen gestrichen. Es handelt sich um
- Nr. 1315 (Erkrankungen durch Isozyanate),
- Nr. 2101 (Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze),
- Nr. 2104 (Vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen),
- Nr. 2108 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugenhaltung),
- Nr. 2109 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Halswirbelsäule durch langjähriges Tragen schwerer Lasten auf der Schulter),
- Nr. 2110 (Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen),
- Nr. 4301 (Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie),
- Nr. 4302 (Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen) und
- Nr. 5101 (Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen).
Rz. 3
Bei den Berufskrankheiten-Tatbeständen nach Nr. 1315, 2104, 4301, 4302 und 5101 erachtete der Gesetz- und Verordnungsgeber eine Änderung für nicht erforderlich (vgl. BT-Drs. 19/17586 S. 133 f.). Der Tatbestand der Nr. 2101 wurde mit Wirkung zum 1.1.2021 dahingehend ergänzt, dass es sich um "schwere oder wiederholt rückfällige" Erkrankungen handeln muss. Bei den Berufskrankheiten nach Nr. 2108, 2109 und 2110 wurden die Tatbestände mit Wirkung zum 1.1.2021 dahingehend ergänzt, dass es sich um Erkrankungen handeln muss, "die zu chronischen oder chronisch-rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen der Lenden- beziehungsweise der Halswirbelsäule geführt haben". Dies entspricht den in den amtlichen Merkblättern niedergelegten medizinischen Anforderungen an diese Berufskrankheiten (BT-Drs. 19/17586 S. 134 f.).
1.2 Überprüfung bestandskräftiger Bescheide
Rz. 4
§ 12 trifft eine Regelung für diejenigen Fälle, in denen eine Anerkennung in der Vergangenheit (allein) aufgrund der fehlenden Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nicht erfolgen konnte und deshalb ein ablehnender Bescheid ergangen ist. Solche Bescheide müssen von den Unfallversicherungsträgern von Amts wegen überprüft werden, wenn die Entscheidung nach dem 1.1.1997 ergangen ist. Seit diesem Zeitpunkt hatten die Unfallversicherungsträger gemäß § 9 Abs. 4 SGB VII vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit auf Antrag festzustellen, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind. Die Fälle sind den Unfallversicherungsträgern daher bekannt und identifizierbar. Eines besonderen Antrags der Versicherten bedarf es deshalb nicht. Die Möglichkeit für die Versicherten, in allen anderen Fällen einen Überprüfungsantrag zu stellen, bleibt unberührt. Rückwirkende Leistungen werden nicht erbracht. Der Versicherungsfall als Grundlage leistungsrechtlicher Ansprüche kann frühestens mit der Streichung des Unterlassungszwangs als Anerkennungsvoraussetzung, d. h. mit dem Inkrafttreten dieser Vorschrift am 1.1.2021 eintreten (BT-Drs. 19/17586 S. S. 133).