Rechtsgrundlage
SGB VI § 44 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
§ 44 SGB VI ist durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 mit Wirkung vom 1.1.2001 aufgehoben worden. § 44 SGB VI a.F. entfaltet jedoch weiterhin Bedeutung im Rahmen des § 302b. Auf die Anmerkungen zu dieser Vorschrift wird ebenfalls hingewiesen Dieser Kommentierung liegt § 44 in der Fassung des Gesetzes vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337), zuletzt geändert durch Art. 15 des Gesetzes vom 19.12.2000 (BGBl. I S.1815), < § 44 a.F.> zugrunde.
1 Fassung bis 31.12.2000
§ 44 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit
(1) Versicherte haben bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie
- erwerbsunfähig sind,
- in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
- vor Eintritt der Erwerbsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
§ 38 Satz 2 ist anzuwenden.
(2) Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 630 Deutsche Mark übersteigt; erwerbsunfähig sind auch Versicherte nach § 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Erwerbsunfähig ist nicht, wer
- eine selbständige Tätigkeit ausübt oder
- eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
(3) Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit erwerbsunfähig waren und seitdem ununterbrochen erwerbsunfähig sind, haben Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wenn sie die Wartezeit von 20 Jahren erfüllt haben.
(4) § 43 Abs. 3 und 4 ist anzuwenden.
(5) Wird die Hinzuverdienstgrenze des § 96a Abs. 2 Nr. 1 überschritten, ist die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit unter Beachtung der Hinzuverdienstgrenzen des § 96a Abs. 2 Nr. 2 in Höhe der Rente wegen Berufsunfähigkeit zu leisten, wenn Erwerbsunfähigkeit nach Absatz 2 weiterhin vorliegt.
2 Normzweck
2.1 Gesetzesänderung
Rz. 1
Die am 1.1.1992 in Kraft getretene Vorschrift löste die § 1247 RVO, § 24 AVG, § 47 RKG ab. Durch Art. 3 des 2. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 23.6.1994 (BGBl. I S. 1311) wurde Abs. 2 Satz 1 2. HS - in Kraft seit 1.7.1994 - eingefügt; ferner wurden durch das Gesetz vom 15.12.1995 (BGBl. I S. 1824) Abs. 1 Nr. 2 neugefaßt, Satz 2 sowie Abs. 5 angefügt. Durch das Gesetz vom 2.5.1996 (BGBl. I S. 659) schließlich wurde Abs. 2 Satz 2 neugefaßt.
2.2 Regelungszweck
Rz. 2
Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) dient der Kompensation des durch die Aufgabe einer Erwerbstätigkeit entstehenden Einkommensverlustes; ihr kommt somit Lohnersatzfunktion zu. Die EU-Rente beträgt das 1,5fache der Rente wegen BU.
3 Rechtspraxis
3.1 Überblick
Rz. 3
Anspruch auf eine EU-Rente hat der Versicherte, der das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, erwerbsunfähig ist, in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der EU 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit hat und die allgemeine Wartezeit erfüllt hat. Den Beginn der Rente bestimmt § 99 Abs. 1. Unter den Voraussetzungen des § 102 Abs. 2 ist die Rente wegen EU befristet, d.h. auf Zeit zu leisten.
3.2 Vollendung des 65. Lebensjahres
Rz. 4
Der Anspruch auf EU-Rente ist grundsätzlich bis zum 65. Lebensjahr befristet; danach wird sie von Amts wegen in eine Regelaltersrente (vgl. Anm. zu § 43) umgewandelt.
3.3 Erwerbsunfähigkeit
Rz. 5
Abs. 2 enthält die gesetzliche Definition. Es handelt sich dabei um einen Rechtsbegriff, über dessen Vorliegen im Einzelfall der Rentenversicherungsträger bzw. die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen durch medizinische Sachverständige entscheiden (vgl. BSG, Urteil vom 24.4.1996, 5 RJ 56/95).
Rz. 6
Gegenüber der BU stellt die EU ein "Mehr" dar; sie ist eine gesteigerte Form der BU. Deshalb umfaßt z.B. die Beantragung einer EU-Rente auch den Antrag auf Bewilligung einer BU-Rente. Ursache der bestehenden Leistungseinschränkungen sind wie bei der BU Krankheit oder Behinderung. Andere Ursachen für eine bestehende Leistungseinschränkung bleiben grundsätzlich außer Betracht (vgl. bei § 43). Die Rechtsprechung des BSG differenziert bei der Beurteilung der EU stets zwischen Versicherten, die keinen Arbeitsplatz mehr innehaben und solchen, die trotz (erheblicher) Gesundheitsstörungen noch tatsächlich arbeiten (vgl. BSG, Urteil vom 22.4.1992, 5 RJ 40/91, SozR 3-2200 § 1247 Nr. 12).
3.3.1 Erwerbsunfähigkeit und tatsächliche Arbeitsleistung
Rz. 7
Der Versicherte, der eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt, ist gemäß Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 nicht erwerbsunfähig. Auch die tatsächliche Verrichtung einer Arbeit in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis schließt in der Regel das Vorliegen von EU aus. Der Ausübung einer (zumutbaren) Tätigkeit kommt in der Regel ein stärkerer Beweiswert zu als den dies scheinbar ausschließenden medizinischen Befunden (BSG, Urteil vom 26.9.1975, 12 RJ 208/74, SozR 2200 § 1247 Nr. 12). Deshalb ist der Versicherte, der e...