Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer. Richtlinien 93/104/EG und 2003/88/EG. Begriff ‚Arbeitszeit’. Inaktive Zeiten im Rahmen eines Bereitschaftsdienstes durch einen Arzt am Arbeitsplatz. Qualifizierung. Auswirkung auf die Vergütung des Betroffenen

 

Normenkette

EuGH-VerfO Art. 104

 

Beteiligte

Vorel

Jan Vorel

Nemocnice Český Krumlov

 

Tenor

Die Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung in der durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 geänderten Fassung sowie die Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung sind dahin auszulegen, dass sie

  • einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach der Bereitschaftsdienste, die ein Arzt in Form persönlicher Anwesenheit am Arbeitsplatz leistet, in deren Verlauf er jedoch nicht tatsächlich tätig wird, nicht insgesamt als „Arbeitszeit” im Sinne der genannten Richtlinien betrachtet werden;
  • der Anwendung einer Regelung durch einen Mitgliedstaat nicht entgegenstehen, die bei der Vergütung des Arbeitnehmers für Bereitschaftsdienst an seinem Arbeitsplatz die Zeitspannen, während deren die Arbeitsleistungen tatsächlich erbracht werden, und diejenigen, während deren keine tatsächliche Arbeit erbracht wird, unterschiedlich berücksichtigt, soweit eine solche Regelung uneingeschränkt die praktische Wirksamkeit der den Arbeitnehmern durch diese Richtlinien gewährten Rechte im Hinblick auf einen wirksamen Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer gewährleistet.
 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Okresní soud v Českém Krumlově (Tschechische Republik) mit Entscheidung vom 28. November 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Dezember 2005, in dem Verfahren

Jan Vorel

gegen

Nemocnice Český Krumlov

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet und M. Ilešič,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

gemäß Art. 104 § 3 Abs. 1 der Verfahrensordnung, wonach der Gerichtshof durch mit Gründen versehenen Beschluss entscheiden kann,

nach Anhörung des Generalanwalts

folgenden

Beschluss

 

Entscheidungsgründe

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 93/104/EG des Rates vom 23. November 1993 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 307, S. 18) in der durch die Richtlinie 2000/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 2000 (ABl. L 195, S. 41) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/104) sowie der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299, S. 9), die die Richtlinie 93/104 ab dem 2. August 2004 aufhebt und ersetzt.

2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Vorel und seinem Arbeitgeber, dem Nemocnice Český Krumlov (Krankenhaus von Český Krumlov, im Folgenden: NČK), über die Definition des Begriffs „Arbeitszeit” im Sinne der Richtlinien 93/104 und 2003/88 in Bezug auf Bereitschaftsdienste eines Arztes in einem Krankenhaus und die für diese geschuldete Vergütung.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3 Die Richtlinie 93/104 wurde auf der Grundlage von Art. 118a EG-Vertrag (die Art. 117 bis 120 EG-Vertrag wurden durch die Art. 136 EG bis 143 EG ersetzt) erlassen, während in der Richtlinie 2003/88 Art. 137 EG als Rechtsgrundlage genannt wird.

4 Die Richtlinie 93/104 enthält gemäß ihrem Art. 1 unter der Überschrift „Gegenstand und Anwendungsbereich” Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung und findet auf alle privaten oder öffentlichen Tätigkeitsbereiche mit Ausnahme der Seeleute Anwendung.

5 Unter dem Titel „Begriffsbestimmungen” heißt es in Art. 2 der Richtlinie 93/104:

„Im Sinne dieser Richtlinie sind:

  1. Arbeitszeit: jede Zeitspanne, während der ein Arbeitnehmer gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten arbeitet, dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und seine Tätigkeit ausübt oder Aufgaben wahrnimmt;
  2. Ruhezeit: jede Zeitspanne außerhalb der Arbeitszeit;

…”

6 Die Richtlinie nennt in den Art. 3 bis 6 die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten ergreifen müssen, damit alle Arbeitnehmer u. a. über tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten sowie eine Ruhepause verfügen, und regelt auch die wöchentliche Höchstarbeitszeit.

7 Gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 93/104 in der ursprünglichen Fassung mussten die Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft setzen, um dieser spätestens am 23. November 1996 nachzukommen, oder sich spätestens zu diesem Zeitpunkt vergewissern, dass die Sozialpartner mittels Vereinbarungen die erforderlichen Bestimmungen eingeführt hatten; ...

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