Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuschußanspruch

 

Leitsatz (amtlich)

Der Zuschußanspruch nach dem Vorruhestandsgesetz setzt voraus, daß der Eintritt in den Vorruhestand objektiv nach den konkreten Umständen auf die Neueinstellung eines Arbeitslosen (oder einen Ersatztatbestand) ausgerichtet war.

 

Normenkette

VRG § 2

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrt von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) Leistungen nach dem Vorruhestandsgesetz (VRG) für ihre ehemaligen Arbeitnehmer R. (R.) und L. (L.).

Der bei der Klägerin als Treppenbauer beschäftigte Arbeitnehmer R., geboren am 25. August 1923, trat nach mehr als 12-jähriger Beschäftigung zum 1. Februar 1985 in den Vorruhestand. Für seine Tätigkeit war auf Vermittlungsvorschlag der Beklagten der arbeitslose Arbeitnehmer C. zum 22. November 1984 eingestellt worden, der zum 25. Januar 1985 wieder ausschied. Die Tätigkeit des R. wurde nun von dem bisher in der Zimmerei beschäftigten T. verrichtet.

Vom 27. Februar bis zum 31. März 1985 wurde im Betrieb der Klägerin kurzgearbeitet.

Zum 1. April 1985 trat der bei der Klägerin als Platzmeister und Lagerverwalter beschäftigte Arbeitnehmer L., geboren am 11. März 1927 nach 17 Beschäftigungsjahren in den Vorruhestand. Seine Tätigkeit wurde von dem zuvor in der Zimmerei tätigen Arbeitnehmer S. verrichtet, der seine Tätigkeit in der Zimmerei daneben fortsetzte.

Als sich die Auftragslage im Sommer 1985 wieder besserte, stellte die Klägerin zum 19. August 1985 zwei bei der Beklagten arbeitslos gemeldete Arbeitnehmer für ihren Zimmerei-Bereich ein. Die daraufhin am 30. August 1985 beantragten Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen für die Arbeitnehmer R. und L. lehnte die Beklagte ab, weil die beiden Arbeitslosen nicht aus Anlaß des Eintritts in den Vorruhestand beschäftigt würden, sondern ohne zeitlichen Bezug hierzu in ursächlichem Zusammenhang mit dem Fortfall des betrieblichen Arbeitsmangels (zur Vorruhestandsleistung für R. Bescheid vom 30. September 1985 und Widerspruchsbescheid vom 6. November 1985; zur Vorruhestandsleistung für den Arbeitnehmer L. Bescheid vom 30. September 1985 und Widerspruchsbescheid vom 5. November 1985).

Die hiergegen erhobene Klage war in beiden Vorinstanzen erfolgreich (Urteil des Sozialgerichts - SG - vom 12. März 1987; Urteil des Landessozialgerichts - Landessozialgericht (LSG) - vom 30. Juni 1988).

Mit der vom Landessozialgericht (LSG) zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 5 VRG und des § 2 Abs. 1 Buchstabe (Buchst.) a) der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über das Verfahren bei der Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen des Arbeitgebers und von Vorruhestandsgeld durch die Bundesanstalt für Arbeit vom 18. Juni 1984 (VRGAnO).

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Landessozialgericht (LSG) und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision der beklagten BA hat iS der Zurückverweisung Erfolg. Der Senat kann aufgrund der bisher getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die Einstellung der beiden Arbeitslosen im August 1985 "aus Anlaß" des Eintritts der beiden Arbeitnehmer R. und L. in den Vorruhestand erfolgt ist, wie dies § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a) Vorruhestandsgesetz (VRG) voraussetzt.

Das Landessozialgericht (LSG) hat hierzu nicht festgestellt, ob der Eintritt in den Vorruhestand die Neueinstellung ermöglichen sollte. Es hat lediglich festgestellt, daß die Klägerin ohne die beiden Vorruhestandsfälle entweder keine Arbeitslosen neu eingestellt und sich länger als geschehen durch Kurzarbeit beholfen oder aber vorübergehend sogar Arbeitnehmer entlassen hätte. Danach sind die beiden Neueinstellungen nach Auffassung des Landessozialgericht (LSG) auch dann "aus Anlaß" des Eintritts in den Vorruhestand erfolgt, wenn sie hypothetisch ohne Eintritt in den Vorruhestand ebenfalls erfolgt wären, dann aber nach zwei vorangegangenen Entlassungen. Das Landessozialgericht (LSG) will insoweit die abstrakte Möglichkeit, daß der Eintritt in den Vorruhestand eine Neueinstellung ermöglicht, genügen lassen. Dem vermag der Senat nicht zuzustimmen.

Die als Voraussetzung des Zuschußanspruchs geforderte Beziehung zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung umschreibt § 2 Abs 1 Nr 5 VRG mit den Worten "aus Anlaß". In § 5 Abs 2 VRG wird - was § 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der BA über das Verfahren bei der Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen des Arbeitgebers und von Vorruhestandsgeld durch die BA vom 18. Juni 1984 (VRGAnO) aufgreift - das Bild der "Wiederbesetzung" des freigemachten Arbeitsplatzes verwendet. Beide Umschreibungen stimmen weitgehend überein. Wäre ohne Eintritt eines Arbeitnehmers in den Vorruhestand ein Arbeitnehmer entlassen worden, so ist im Hinblick auf den Begriff der Wiederbesetzung zu prüfen, ob mit der Entlassung der Arbeitsplatz wegfällt, so daß sich die Neueinstellung nicht als Wiederbesetzung, sondern als Neuschaffung eines Arbeitsplatzes darstellt, während zur Formulierung "aus Anlaß" darauf abzuheben ist, ob die Neueinstellung durch den Eintritt in den Ruhestand veranlaßt war.

Die danach erforderliche Beziehung zwischen dem Eintritt in den Ruhestand und der Einstellung eines Arbeitslosen wird teils iS eines zeitlichen Zusammenhangs gedeutet (Kunich, Vorruhestandsgesetz und 59er-Regelung, 1984, S 22), teils iS zeitlicher Grenzen, in denen sich der Kausalzusammenhang zwischen dem Eintreten in den Vorruhestand und der Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes bewegen müsse (Siegers/Reichling/Müller, Vorruhestand 59er-Regelung, Handbuch für die betriebliche Praxis, Köln, 1985 auf S 33), teils iS eines im Einzelfall erforderlichen sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs (Andresen/Barton/Kuhn/Schenke, Vorruhestand, Teil 11 Rn 15), teils iS der Einstellung einer Ersatzkraft anstelle des in den vorzeitigen Ruhestand getretenen Arbeitnehmers (Becker, Das neue Vorruhestandsgesetz, 1984, S 56/57), oder iS einer Neueinstellung, die entweder vorher zum Zwecke der Einarbeitung oder nach dem Ausscheiden in einem kausalen Zusammenhang mit dem Ausscheiden erfolgt, wobei der Kausalzusammenhang bei einer Einstellung bis zu drei Monaten nach dem Ausscheiden ohne Prüfung angenommen werden könne (Pröbsting, Vorruhestandsgesetz, 1984, S 118 f; Dienstbl BA RdErl 79/87 und 114/84 jeweils unter DA 2.15.11). Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29. November 1988 (SozR 7825 § 2 Nr 2) vermerkt, daß die Unterstellung des erforderlichen Kausalzusammenhangs zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Neueinstellung gemäß der vorgenannten DA der Beklagten den arbeitsmarktpolitischen Vorstellungen des Gesetzgebers entspricht. Damit ist bereits angedeutet, daß bei einer Neueinstellung in der Zeit, für die Vorruhestandsbezüge zu gewähren sind, die abstrakte Möglichkeit, wegen des Eintritts in den Vorruhestand eine Neueinstellung vorzunehmen, nicht ausreicht, sondern daß der Zusammenhang unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen ist.

Nach Auffassung des Landessozialgericht (LSG) spricht gegen die Annahme einer im Einzelfall erforderlichen Kausalität, daß diese - zumal bei einem längeren Abstand zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung - kaum nachzuweisen ist. Der Eintritt in den Vorruhestand bewirke nur dann die Beschäftigung eines anderen Arbeitnehmers, wenn alle übrigen Bedingungen für den Beschäftigungsstand des betreffenden Betriebes gleich blieben. Im Hinblick auf die übrigen Bedingungen, zB die Auftragslage, die personellen Kapazitätsreserven des Betriebes, seine Kostenstruktur und die vom Unternehmer verfolgte Perspektive, sei kaum im Einzelfall einzuschätzen, ob gerade der Eintritt in den Vorruhestand die wesentliche Bedingung der Neueinstellung sei.

Die geforderte Beziehung kann nicht als Kausalität iS der wesentlichen Bedingung verstanden werden. Insoweit stimmt der Senat dem Landessozialgericht (LSG) zu. Hierfür spricht insbesondere, daß die erforderliche Beziehung nach allgemeiner Meinung auch dann gewahrt ist, wenn der ausscheidende Arbeitnehmer den neu eingestellten Arbeitslosen zunächst einarbeitet. In einem solchen Fall geht die Neueinstellung dem Eintritt in den Vorruhestand zeitlich voraus, kann also durch diesen nicht einmal im naturwissenschaftlichen Sinne der Gleichwertigkeit aller Bedingungen verursacht worden sein. Der Tatbestand der Einarbeitung wird damit selbst von einem weiten Kausalbegriff, der Gelegenheitsursachen einbezieht, nicht umfaßt.

Die geforderte Beziehung ist vielmehr iS der Finalität (Mittel-Zweck-Verhältnis) zu deuten. Der Eintritt in den Vorruhestand muß objektiv, also nicht nur nach den Absichten der Beteiligten, nach den konkreten Umständen des Einzelfalles auf die Neueinstellung eines Arbeitslosen ausgerichtet sein. Die Auffassung des LSG, es genüge die abstrakte Möglichkeit wegen des Eintritts in den Vorruhestand, eine Neueinstellung vorzunehmen, ist mit Gesetzeswortlaut, Gesetzessinn und den Gesetzesmaterialien nicht zu vereinbaren.

Das Landessozialgericht (LSG) will ohne Nennung einer Zeitgrenze, also für die gesamte Dauer der Zahlung von Vorruhestandsleistungen im Falle einer Neueinstellung die abstrakte Möglichkeit genügen lassen. Bei dieser Auslegung erweisen sich die Worte "aus Anlaß" und "Wiederbesetzung" als überflüssig. Das Erfordernis einer Neueinstellung innerhalb der Zeit, für die Vorruhestandsleistungen zu erbringen sind, folgt aus der Regelung des Zuschußanspruchs auch ohne diese beiden Formulierungen. Die abstrakte Möglichkeit ist ohnehin gegeben und damit keine eigentliche Anspruchsvoraussetzung.

Die vom Senat bevorzugte, am Zweck des Eintritts in den Vorruhestand anknüpfende Betrachtungsweise entspricht dem Regelungszusammenhang des VRG, das den Eintritt in den Vorruhestand nur als Mittel zur Neueinstellung fördert. Der Eintritt in den Vorruhestand, der lediglich eine sonst erforderliche Kündigung vermeidet, soll dagegen nicht bezuschußt werden.

Die zentrale Bedeutung der Ausrichtung auf eine Wiederbesetzung durch Einstellung eines Arbeitslosen findet ihre Bestätigung in den Gesetzesmaterialien. Dem VRG lag neben dem Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucks 10/880) ein Gesetzentwurf der Fraktion der SPD (BT-Drucks 10/122) zugrunde. Dabei bestand Einigkeit, daß der Eintritt in den Vorruhestand mit dem Zuschuß nur gefördert werden sollte, wenn er die Neueinstellung von Arbeitslosen zum Ziele hatte. Ältere Arbeitnehmer sollten die Möglichkeit erhalten, ihre Arbeitsplätze, insbesondere für Jugendliche der geburtenstarken Jahrgänge, die in den nächsten Jahren auf den Arbeitsmarkt drängen, vorzeitig freizumachen (so der Entw der Bundesregierung zur Zielsetzung - unter A). Die Möglichkeit zum früheren Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sollte auf eine Weise geschaffen werden, die die Wiederbesetzung der freiwerdenden Arbeitsplätze gewährleistete (so der Entw der Fraktion der SPD zur Zielsetzung - unter A). Voraussetzung für die Zuschußgewährung sollte sein, daß der freigewordene Arbeitsplatz mit einem gemeldeten Arbeitslosen oder einem arbeitsuchenden Jugendlichen wiederbesetzt werde, was in beiden Entwürfen unter B zur Lösung hervorgehoben wird. Nach dem Fraktionsentwurf sollte die Gewährleistung der Wiederbesetzung in einem stärkeren Maße, nämlich mit einer Stellungnahme der Betriebsvertretung, dargelegt und intensiver von der Verwaltung überprüft werden.

Auch bei der Ausschußberatung bestand Einigkeit darüber, daß die mit den Worten "aus Anlaß" und dem Begriff der "Wiederbesetzung" geforderte Beziehung zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Neueinstellung eines Arbeitlosen für das Gesetzesvorhaben von "zentraler Bedeutung" war (BT-Drucks 10/1175 auf S 28). Ältere Arbeitnehmer, die unter den Folgen des 2. Weltkrieges besonders gelitten und die Hauptlast des Wiederaufbaus getragen hatten, sollten "zur" Verbesserung der Beschäftigungschancen insbesondere der jüngeren geburtenstarken Jahrgänge die Möglichkeit eines früheren Eintritts in den Ruhestand erhalten (BT-Drucks 10/1175 auf S 2). Im Ausschußbericht heißt es zum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, dieser solle Grundlagen für die Verkürzung der Lebensarbeitszeit schaffen, "um" den Arbeitsmarkt zu entlasten. Wichtigste Voraussetzung für den staatlichen Zuschuß sollte sein, daß der freiwerdende Arbeitsplatz wiederbesetzt werde (aaO S 24). Im Regierungsentwurf wird hervorgehoben, ältere Arbeitnehmer erhielten die Möglichkeit, frühzeitig aus dem Arbeitsleben auszuscheiden, "um" ihre Arbeitsplätze für jüngere arbeitslose Arbeitnehmer freizumachen (aaO S 25).

Auf die Unschärfe der Umschreibung des zentralen Anliegens des Gesetzes ist schon in der Gesetzesberatung hingewiesen worden (vgl Heyenn, SPD, Stenografischer Bericht über die 48. Sitzung des BT, 10. Wahlperiode, am 20. Januar 1984 S 3468 B: Der Arbeitgeber müsse nur darlegen, daß die Stelle wiederbesetzt worden sei, "was immer das auch im einzelnen heißen mag"). In der Begr des Regierungsentw wurde hierzu nur erläutert, die Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes könne auch im Wege der Umsetzung erfolgen (BT-Drucks 10/880 S 15 f).

Obgleich bei der Ausschußberatung nur die Vorschrift über die Möglichkeit geändert wurde, anstelle der Einstellung eines Arbeitslosen einen Auszubildenden in ein Beschäftigungsverhältnis zu übernehmen, geht die Ausschußbegründung generell auf die Wiederbesetzung ein (BT-Drucks 10/1175 auf S 28):

"Der Ausschuß hat sich im Verlauf seiner Beratung eingehend mit den Vorschriften über die Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes befaßt, denen im Rahmen der Zielsetzung der Vorruhestandsregelung, zu einer Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitslose und Jugendliche beizutragen, zentrale Bedeutung zukommt.

Hierbei hat sich der Ausschuß zu folgenden 4 Fragenkomplexen um eine klarstellende Interpretation bemüht:

1. Wiederbesetzung durch Teilzeitkräfte

Der freigewordene Arbeitsplatz kann auch mit Teilzeitkräften wiederbesetzt werden. Diese müssen insgesamt im gleichen zeitlichen Umfang wie der ausgeschiedene Arbeitnehmer beschäftigt werden.

2. Wiederbesetzung durch ausgebildete. ...

3. Wiederbesetzung im Rahmen betrieblicher Umorganisation

Die in § 2 Abs 1 Nr 4 genannte Zuschußvoraussetzung der Wiederbesetzung kann auch dadurch erfüllt werden, daß der neueingestellte Arbeitnehmer auf einem Arbeitsplatz beschäftigt wird, der durch betriebliche Umsetzungen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des in den Vorruhestand tretenden Arbeitnehmers freigeworden ist. Dabei ist es unschädlich für den Zuschuß, wenn der neu in den Betrieb eingetretene Arbeitnehmer innerhalb des Wiederbesetzungszeitraumes von 2 Jahren umgesetzt wird. Voraussetzung ist allerdings, daß der durch Umsetzung freigewordene Arbeitsplatz wieder besetzt bleibt.

4. Wiederbesetzung und Kündigungsschutz

Für den Arbeitnehmer, der auf dem wieder besetzten Arbeitsplatz beschäftigt ist, ergibt sich aus der Wiederbesetzungspflicht des Arbeitgebers kein zusätzlicher Kündigungsschutz. ..."

Auch die in § 5 VRG zur Auswirkung einer Änderung der Wiederbesetzung auf den Zuschußanspruch getroffene Regelung spricht für eine finale Betrachtungsweise. Nach § 5 Abs 2 Satz 2 VRG bleibt es unschädlich, wenn die Wiederbesetzung entfällt, nachdem der Arbeitgeber insgesamt für zwei Jahre die Voraussetzungen für den Anspruch auf einen Zuschuß erfüllt hat. Der Gesetzgeber geht davon aus, daß die Nichtbesetzung des Arbeitsplatzes dann nicht mehr im Zusammenhang mit dem Ausscheiden des Empfängers von Vorruhestandsgeld steht, sondern ihre Ursache in Veränderungen der Betriebsstruktur hat (BT-Drucks 10/880 zu § 5). Eine ursprüngliche Zweckrichtung des Eintritts in den Vorruhestand auf Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes wird nämlich nicht in Frage gestellt, wenn aufgrund von Veränderungen der Betriebsstruktur der Arbeitsplatz nach zwei Jahren wegfällt.

Mit dem dargestellten Zweck des VRG und der hierzu in den Gesetzesmaterialien gegebenen Begründung ist es unvereinbar, daß nach einem Eintritt in den Vorruhestand, der lediglich eine sonst erforderliche Kündigung vermeiden soll, eine nicht vorhersehbare spätere Ausweitung der Produktion mit Neueinstellung eines Arbeitslosen den Zuschußanspruch auslöst und so einen sogenannten "Mitnahmeeffekt" bewirkt.

Die Klägerin meint in der Revisionserwiderung zu Unrecht, die für die Übernahme Auszubildender in ein an die Ausbildung anschließendes Beschäftigungsverhältnis geltende Regelung zeige, daß jede spätere Wiederbesetzung der freigewordenen Stelle den Anspruch auf Zuschuß auslöse. Nach der DA der Beklagten kann der Kausalzusammenhang zwischen dem Eintritt in den Vorruhestand und der Übernahme eines Auszubildenden auch dann gegeben sein, wenn der Auszubildende in einem Zeitraum von bis zu 6 Monaten nach dem Ausscheiden des älteren Arbeitnehmers übernommen wird (vgl RdErl 18/85 DA 2. 1530.1). Nach dem RdErl 79/87 genügt es sogar, wenn der Auszubildende innerhalb eines Jahres nach dem Ausscheiden des älteren Arbeitnehmers übernommen wird (DA 2.15.12). Das ist sachgemäß, wenn der Eintritt in den Vorruhestand von vornherein auf die Übernahme des Auszubildenden angelegt war und der Zeitpunkt des Ausscheidens insbesondere im Interesse des Ausscheidenden nicht näher an das Ausbildungsende herangeführt werden konnte. Daraus folgt jedoch nicht, daß nach Auffassung der Beklagten ein zunächst nur der Vermeidung einer Entlassung dienender Eintritt in den Vorruhestand dann den Zuschußanspruch auslöst, wenn innerhalb eines Jahres aufgrund neuer Aufträge ein Auszubildender übernommen werden kann. Jedenfalls wäre eine solche allein an die Jahresgrenze unabhängig von einem finalen Bezug zwischen Eintritt in den Ruhestand und Wiederbesetzung anknüpfende Auffassung mit dem Gesetz nicht vereinbar.

Der Senat kann aufgrund der bisherigen Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) nicht beurteilen, ob in den beiden streitigen Fällen der Eintritt in den Vorruhestand nach deren besonderen Umständen auf die beiden Neueinstellungen ausgerichtet war. An der geforderten Mittel-Zweck-Verknüpfung fehlt es nicht schon deswegen, weil die Neueinstellung infolge eines Auftragsmangels mehr als drei Monate nach dem Eintritt in den Vorruhestand erfolgte, im Falle R. rund sechseinhalb und im Falle L. rund viereinhalb Monate.

Der Beklagten ist allerdings zuzugeben, daß im Falle eines Arbeitsmangels für nicht absehbare Zeit, also iS eines Dauerzustandes, von einer Beseitigung des Arbeitsplatzes auszugehen ist. Das schließt eine Wiederbesetzung aus. Der Eintritt in den Ruhestand kann nur dann auf eine Neueinstellung ausgerichtet sein, wenn diese vorhersehbar ist, also in absehbarer Zeit erfolgen soll.

Der Auffassung der Beklagten, daß ein Auftragsmangel von mehr als drei Monaten stets für nicht absehbare Zeit bestehe, vermag der Senat nicht zuzustimmen. Der Begriff der "absehbaren Zeit" kann nicht mit einer starren Zeitgrenze verbunden werden. Vielmehr ist jeweils die reine Zeitdauer mit der Sicherheit der zu treffenden Vorhersage zu verbinden. Je sicherer bei einem Auftragsmangel der spätere Neueingang von Aufträgen vorhersehbar ist, desto länger kann der zu überbrückende Zeitraum als noch absehbar angesehen werden. Das schließt es nicht aus, hinsichtlich der Dauer eine Faustregel aufzustellen.

Der von der Beklagten als Höchstgrenze vorgeschlagene Dreimonatszeitraum erscheint dem Senat indes auch als Faustregel zu gering. Er findet im Gesetz keine Stütze. Der Dreimonatszeitraum in § 5 Abs 2 VRG begrenzt die Zuschußgewährung während einer Unterbrechung der Wiederbesetzung. Er hat damit eine andere Funktion.

Die Worte "auf nicht absehbare Zeit" werden in der Rentenversicherung zu den Renten wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) im Hinblick auf § 1276 Abs 1 RVO, wonach Zeitrente ab dem Beginn der 27. Woche gewährt wird, dahin verstanden, daß die im Gesetz umschriebene Leistungsunfähigkeit mindestens 26 Wochen ununterbrochen bestanden haben muß (BSG SozR 2200 § 1247 Nr 16). Gründe, im VRG von einer anderen Zeitgrenze als Faustregel auszugehen, sind nicht ersichtlich. Da damit der reine Zeitablauf eine Ausrichtung des Eintritts in den Vorruhestand auf die spätere Neueinstellung nicht ausschließt, sind hierzu weitere Feststellungen des Landessozialgericht (LSG) erforderlich (von der weiteren Darstellung wird abgesehen).

Sollten die Ermittlungen des Landessozialgericht (LSG) ergeben, daß schon bei Eintritt der beiden Arbeitnehmer in den Vorruhestand eine Wiederbesetzung beabsichtigt war, worauf insbesondere die fehlgeschlagene Einstellung des Arbeitslosen C. hinweist, daß dann aber die Wiederbesetzung hinausgeschoben wurde, so kommt es darauf an, ob und mit welcher Sicherheit die Klägerin von einer Besserung der Auftragslage ausging, ob sie ihre Suche nach einem Arbeitslosen aufgegeben oder nur hinausgeschoben hat, und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies objektiv vorhersehbar war. Die insoweit in tatsächlicher Hinsicht bestehende Unsicherheit läßt es untunlich erscheinen, schon jetzt zur rechtlichen Beurteilung näher Stellung zu nehmen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1455844

BSGE, 63

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