Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der Kläger war Mitglied der Betriebssportgruppe der Firma B im Werk 6 in O . Zu dieser Betriebssportgruppe gehört auch eine Fußballmannschaft. Im Sommer fanden jeweils zwischen den Betriebssportgruppen im Raum O Punktspiele statt, die über Auf- bzw. Abstieg entschieden, während im Winter in Hallenturnieren zwischen den Betriebssportgruppen während eines Zeitraumes von zwei bis drei Monaten ein Pokal ausgespielt wurde. Das Training fand wöchentlich statt.
Am 11. Mai 1985 veranstaltete die Betriebssportgruppe Rot-Weiß-B H anläßlich ihres 25jährigen Bestehens ein Jubiläumsturnier. Die Einladung richtete sich an die Werke 1 bis 6 sowie an die Firmen G und F , Töchter der Firma B . Bei diesem Turnier wurde sowohl Fußball als auch - von einem anderen Teilnehmerkreis - Tischtennis gespielt. Nach Turnierende (ca 16.00 Uhr) fand eine Abendveranstaltung (Ball) statt.
Der Kläger nahm als Torwart der Mannschaft des Werkes 6 an dem Fußballturnier teil und erlitt während eines Spieles bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Spieler eine komplette Querfraktur des rechten Unterschenkels im distalen Drittel. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 27. März 1987 Entschädigungsleistungen aus Anlaß des Unfalls ab, weil die Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen nicht versichert sei.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, da ein solches Turnier, das nach den Angaben des Klägers etwa alle zwei bis drei Jahre stattfinde, nicht dem für die Annahme von Betriebssport notwendigen Erfordernis einer gewissen Regelmäßigkeit diene. Außerdem trete bei einem solchen Turnier der Ausgleichscharakter des Betriebssports im Verhältnis zu dem Wettkampfcharakter zurück (Urteil vom 29. September 1988).
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 27. Februar 1990). Die sportliche Betätigung der Betriebssportgruppen der Firma B , die Fußball spielten, habe sich nicht mehr in dem vom Ausgleichszweck her gezogenen Rahmen gehalten. Durch die Teilnahme an Punktspielen im Sommer hätten sich die Mitglieder der Sportgruppe einem dem Betriebszweck nicht mehr dienenden äußeren Zwang unterworfen, der bestimmt worden sei durch den Wettkampf der Fußballmannschaft um den Gruppensieg, um Aufstieg und Abstieg innerhalb der offiziellen Liga-Runden des Betriebssportverbandes. Auch das Jubiläumsturnier am 11. Mai 1985 habe ausschließlich Wettkampfcharakter gehabt. Das Spiel am 11. Mai 1985 sei auch kein Bestandteil einer versicherten betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung gewesen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision macht der Kläger geltend, die Betriebssportgruppen hätten im Rahmen des wöchentlichen Trainings nicht das Ziel vor Augen, sich durch Wettkämpfe in Gruppenspielen, bei denen es um Auf- und Abstieg ginge, bestätigen zu müssen. Auch wenn man der Auffassung des LSG folge, das Jubiläumsturnier habe ausschließlich Wettkampfcharakter gehabt, so stehe der Unfall des Klägers trotzdem unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung; denn der Ausgleichscharakter des Sports bestehe auch bei einem gelegentlichen Wettkampf. Außerdem habe für ihn Versicherungsschutz unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung bestanden.
Der Kläger beantragt,
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1. |
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 27. Februar 1990, das Urteil des SG Oldenburg vom 29. September 1988 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. März 1987 aufzuheben, |
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2. |
festzustellen, daß die Gesundheitsstörungen "Schwellneigung des rechten Unterschenkels und der Sprunggelenkregion, einhergehend mit Belastungsbeschwerden im Fußgelenk, sowie eine Beinverkürzung rechts um 1 cm" Folgen des Arbeitsunfalles vom 11. Mai 1985 sind, |
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3. |
die Beklagte dem Grunde nach zu verurteilen, den Kläger wegen der Folgen des o.a. Arbeitsunfalles zu entschädigen. |
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Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Zielsetzung der sportlichen Betätigung sei gewesen, den Aufstieg in eine höhere Klasse zu erreichen bzw. den Abstieg in eine niedrigere Klasse zu verhindern. Derart sportliche Ziele überstiegen jedoch einen Ausgleichscharakter.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (s § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes SGG ).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen ist.
Der Kläger hat am 11. Mai 1985 einen Arbeitsunfall erlitten. Nach § 548 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer versicherten Tätigkeit erleidet.
Der Kläger ist als Betriebsschlosser bei der Firma B im Werk O nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert. Bei dem zum Unfall führenden Fußballspiel hat er eine mit seinem Beschäftigungsverhältnis im inneren Zusammenhang stehende Tätigkeit ausgeübt.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28. November 1961 (BSGE 16, 1) näher dargelegt, welche tatsächlichen Umstände vorliegen müssen, um den inneren Zusammenhang einer sportlichen Betätigung mit der Beschäftigung in einem Unternehmen bejahen zu können. Nach den in dieser Entscheidung aufgestellten und danach in ständiger Rechtsprechung (s Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 482 v mit umfangreichen Nachweisen der Rechtsprechung des Senats) aufrechterhaltenen Grundsätzen ist eine sportliche Betätigung von Betriebsangehörigen der versicherten Tätigkeit gleichzuachten, wenn sie erstens geeignet ist, die durch die Tätigkeit bedingte körperliche Belastung auszugleichen, zweitens mit einer gewissen Regelmäßigkeit stattfindet und drittens in einem dem Ausgleichszweck entsprechenden Zusammenhang mit der Betriebsarbeit steht; der Zusammenhang wird in der Regel durch einen im wesentlichen auf Betriebsangehörige beschränkten Teilnehmerkreis sowie durch die der Betriebsarbeit entsprechende Zeit und Dauer der Übungen begründet. Dieser Zielsetzung entspricht am meisten der reine Ausgleichssport in Form von Lockerungsübungen und dergleichen. Der Senat hat jedoch bereits in seinem Urteil vom 28. November 1961 (a.a.O. S. 4) den Begriff des Betriebssports nicht auf Übungen dieser Art eingeengt (vgl. auch BSG BB 1967, 718; BG 1969, 276; USK 72145 und 72218; Urteile vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76, 29. Oktober 1980 - 2 RU 21/78 - und vom 25. August 1982 - 2 RU 23/82; S. auch Brackmann a.a.O. S. 482 w m.w.N. von Rechtsprechung und Schrifttum). Der Senat ist dabei von der Erwägung ausgegangen, die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die Teilnahme an ausschließlich gymnastischen Übungen würde nicht dem Umstand gerecht, daß insbesondere bei männlichen Beschäftigten solche Übungen in der Regel keinen Anreiz bilden, um sich zum Ausgleich der betrieblichen Belastung regelmäßig sportlich zu betätigen. Danach ist der Versicherungsschutz auch bei der Ausübung von Sportarten nicht ausgeschlossen, denen es eigentümlich ist, daß sie einen Gegner voraussetzen und meist zwischen verschiedenen Mannschaften ausgetragen werden, wenn und solange die nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats maßgebenden allgemeinen Voraussetzungen für den Betriebssport gegeben sind. Der Senat hat wiederholt entschieden, daß auch das Fußballspielen dem erforderlichen Ausgleichszweck dienen kann (vgl. u.a. BSGE 16, 1, 5; 41, 145, 146; BSG SozR Nr. 37 zu § 548 RVO; BSG BB 1967, 718; Breithaupt 1969, 566; BG 1969, 276; USK 72145, 72218 und 79152; Urteile vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76, 29. Oktober 1980 - 2 RU 21/78 - und vom 25. August 1982 - 2 RU 23/82). Es ist hervorzuheben, daß der Senat allein deshalb, weil die sportliche Tätigkeit schon ihrer Art nach - wie z.B. das Fußballspielen - Wettkampfcharakter hat, eine betriebssportliche Tätigkeit nicht verneint hat. Das hat das LSG nicht verkannt. Auch Wettkampfspiele können dem vom Betriebssport angestrebten Ausgleich zu den Belastungen der betrieblichen Tätigkeit dienen. Wenn eine Betriebssportgemeinschaft eine entsprechende Zahl von Mitgliedern umfaßt, die regelmäßig mit zwei Mannschaften jeweils um den Sieg spielen, wird der Versicherungsschutz des einzelnen Mitglieds nicht deshalb ausgeschlossen, weil diese Spiele Wettkampfcharakter haben.
Sind die vom Senat aufgestellten allgemeinen Voraussetzungen erfüllt, kann sogar bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen Versicherungsschutz gegeben sein (BSGE 41, 145, 147; BSG Urteile vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76 - und vom 25. August 1982 - 2 RU 23/82).
Bei Fußballspielen zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen ist jedoch grundsätzlich Voraussetzung, daß diese sich zu gemeinsamer Durchführung einer Ausgleichszwecken dienenden regelmäßigen sportlichen Betätigung zusammengeschlossen haben (BSGE 16, 1, 5; BSG BG 1969, 276; USK 72218; BSG Urteil vom 25. August 1982 - 2 RU 23/82). In seinem Urteil vom 30. November 1972 - 2 RU 175/71 - (USK 72218) hat der Senat den Fall gleichgeachtet, in dem eine Betriebssportgemeinschaft, um die für die Benutzung eines Sportplatzes erforderliche Mannschaftsstärke zu erreichen und damit eine regelmäßige sinnvolle sportliche Betätigung zu gewährleisten, sich andere Betriebssportgemeinschaften zum gemeinsamen Spiel einlädt. Dabei bestand die Besonderheit jenes Falles darin, daß der einladenden Betriebssportgemeinschaft mit nur 13 bis 14 regelmäßigen Teilnehmern die Benutzung eines Sportplatzes zum bloßen Kick-Training nicht gestattet war, der Sportplatz ihr jedoch zu Mannschaftsspielen zur Verfügung stand.
Der Senat hat daher nicht von der Voraussetzung abgesehen, daß bei einer sportlichen Betätigung mehrerer Betriebssportgemeinschaften ein unternehmensbezogener Zusammenschluß zur regelmäßigen sportlichen Betätigung erforderlich ist. Darauf kann nur verzichtet werden, wenn, abgesehen von der sportlichen Betätigung während der regelmäßigen Übungsstunden, nur gelegentlich auch ein Spiel mit einer anderen Betriebssportgemeinschaft ausgetragen wird (BSG USK 72145, 79152; Urteile vom 8. September 1977 - 2 RU 69/76 - und 25. August 1982 - 2 RU 23/82). Der Senat hat insoweit in seinem Urteil vom 25. August 1982 (2 RU 23/82) entschieden, daß fünf Spiele pro Jahr diesen Unternehmensbezug sprengen, so daß das einzelne Spiel nicht als ein vom Versicherungsschutz beim Betriebssport noch mitumfaßtes, nur gelegentliches Spiel mit anderen Betriebssportgemeinschaften angesehen werden kann, und in seinem Urteil vom 19. März 1991 (2 RU 23/90) diese Auffassung auch für den Fall bestätigt, daß solche Spiele im Rahmen eines Pokalwettkampfes auf zwei Tage zusammengezogen waren. In beiden Fällen hat der Senat den auch für den Versicherungsschutz beim Betriebssport erforderlichen inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit verneint.
Der vorliegende Fall ist jedoch insoweit von entscheidenden Besonderheiten geprägt. Der Unfall des Klägers ereignete sich nicht bei einem der Punkt- oder Pokalspiele mit Mannschaften der Betriebssportgemeinschaften anderer Unternehmen. Aus dieser Spieltätigkeit der Betriebssportgemeinschaft, welcher der Kläger angehörte, darf - entgegen der Auffassung des LSG - nicht geschlossen werden, daß deshalb auch die übrige Sportausübung der Betriebssportgemeinschaft, selbst wenn sie die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz erfüllt, nicht der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Der vom LSG zitierten Entscheidung des Senats vom 22. Januar 1976 (BSGE 41, 145) lag ein Fall zugrunde, in dem sich das Mitglied einer Betriebssportgemeinschaft bei einem Pokalspiel verletzte. Nach dem Urteil des Senats vom 28. November 1961 überschreitet bei einer Teilnahme am allgemeinen Wettkampfverkehr auch das dieser Zweckbestimmung entsprechende Training den Rahmen des Betriebssports (BSGE 16, 1, 5; KassKomm-Ricke § 548 RVO Rdnr. 41). Diese Entscheidung ist aber nicht dahin auszulegen, daß immer dann, wenn Betriebssportgemeinschaften auch am allgemeinen Wettkampfverkehr zwischen Betriebssportgemeinschaften verschiedener Unternehmen teilnehmen, an den üblichen regelmäßigen unternehmensbezogenen Spielen allein deshalb ebenfalls kein Versicherungsschutz besteht, weil sie auch den Erfolg der Wettspiele mit sichern helfen. Nur wenn bereits das Training nach Art und Umfang nicht wesentlich dem Ausgleich dienen soll, sondern wesentlich allein auf die Teilnahme am allgemeinen Wettkampfverkehr ausgerichtet ist, liegt auch für das Spielen außerhalb der Wettkämpfe kein Betriebssport vor. Dafür sind hier aber keine Anhaltspunkte ersichtlich. Vielmehr spricht entscheidend dagegen, daß nach der Auskunft der Firma B vom 26. Februar 1990, auf die das LSG ausdrücklich Bezug nimmt, die Teilnahme am Betriebssport allen Betriebsangehörigen möglich und nicht auf ausgewiesene Wettkampfteilnehmer beschränkt war.
Außerdem war Anlaß für diese Spiele das 25jährige Bestehen einer anderen Betriebssportgruppe desselben Unternehmens. Die Einladungen richteten sich nur an Betriebssportgruppen des Unternehmens. Somit waren auch für die Jubiläumsspiele die für den Versicherungsschutz beim Betriebssport erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, daß der Teilnehmerkreis sich im wesentlichen auf die Beschäftigten des veranstaltenden Unternehmens beschränkte und die Spiele außerdem der Anerkennung einer jahrzehntelangen Ausübung des Betriebssports und dem Anreiz zur weiteren Ausübung des unternehmensbezogenen Ausgleichssports dienten. Durch das - objektive -Interesse des Betriebes an dieser Spielausübung ist die wesentliche Verknüpfung mit der versicherten Tätigkeit gegeben (BSG Urteil vom 19. März 1991 - 2 RU 39/90; Brackmann a.a.O. S. 482 x). Es bedarf deshalb keiner Erörterung, ob zugleich die Voraussetzungen für den Versicherungsschutz bei betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltungen erfüllt waren.
Das LSG hat aufgrund seiner Rechtsauffassung keine tatsächlichen Feststellungen über die Unfallfolgen getroffen. Der Senat kann schon deshalb dem Revisionsantrag zu 2 nicht entsprechen. Im Hinblick auf die erforderliche Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG hat der Senat auch von einem von der Revision außerdem beantragten Grundurteil nach § 130 SGG abgesehen.
Das LSG hat auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden.
Fundstellen