Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 10.03.1989)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 10. März 1989 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist, ob Zeiten, in denen eine beitragspflichtige Beschäftigung innerhalb der Haftanstalt kurzfristig unterbrochen war, wie Beitragszeiten der Erfüllung der Anwartschaft für die Gewährung von Unterhaltsgeld (Uhg) dienen.

Der Kläger, der keinen Beruf erlernt hatte, befand sich seit Mai 1983 in einer Justizvollzugsanstalt (JVA), und zwar zunächst in Untersuchungshaft, ab 1. Juni 1984 in Strafhaft. Im Februar 1985 beantragte er die Förderung einer Umschulung zum Tischler durch die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA). Die Beklagte bewilligte nur die reinen Maßnahmekosten nach § 45 Arbeitsförderungsgesetz (AFG). Die Gewährung von Uhg lehnte sie ab, weil der Kläger die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen, nämlich eine ausreichende Vorbeschäftigungszeit, nicht erfüllt habe. Durch die Beschäftigung vor der Inhaftierung, die Arbeit in der Haftanstalt und die Zeit des Fernstudiums, in der der Kläger beitragspflichtige Ausbildungsbeihilfe erhalten habe, erreiche er die erforderliche Anwartschaftszeit von 730 Tagen nicht (Bescheid vom 4. Juli 1985; Widerspruchsbescheid vom 4. November 1985). Mit der Klage machte der Kläger geltend, daß noch weitere Zeiten anwartschaftswahrend zu berücksichtigen seien, nämlich solche, in denen er während der Haft ohne Entgeltzahlung beurlaubt, arbeitsunfähig erkrankt oder allein wegen Arbeitsmangels nicht beschäftigt gewesen sei. Unterbrechungen bis zu vier Wochen seien entsprechend § 104 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und Satz 3 AFG auf die Anwartschaftszeit anzurechnen. Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Uhg nebst 4 % Zinsen zu zahlen (Urteil vom 2. Dezember 1986). Es hat außer den Zeiten, in denen wegen Bezuges von Arbeitsentgelt und Ausbildungsbeihilfe Beiträge abgeführt worden sind, auch solche Zeiten als anwartschaftsbegründend angesehen, in denen der Kläger wegen Arbeitsmangels Anspruch auf eine Ausfallentschädigung gemäß § 45 Strafvollzugsgesetz (StVollzG) gehabt habe. Das seien weitere 30 Tage, womit die Anwartschaftszeit erfüllt sei. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 10. März 1989 die Klage abgewiesen. Der Kläger habe innerhalb der Rahmenfrist nur 695 Kalendertage Beitragszeiten zurückgelegt, nämlich 212 Tage vor der Inhaftierung und 483 Tage während der Haft. Während der Haftdauer seien nur solche Zeiten zu berücksichtigen, in denen der Kläger beitragspflichtig gewesen sei. Entgegen der Auffassung des SG seien Zeiten des Bezuges einer Ausfallentschädigung schon deshalb nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger eine solche nicht bezogen habe und auch nicht habe beziehen können; § 45 StVollzG sei noch kein geltendes Recht. Diese und weitere vom Kläger geltend gemachte Zeiten, in denen die Arbeit für weniger als vier Wochen unterbrochen gewesen sei, könnten auch nicht gemäß § 104 Abs 1 Satz 3 AFG, der von einem freien Beschäftigungsverhältnis ausgehe, angerechnet werden. Dem stünden die Besonderheiten des Strafvollzuges entgegen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 104 Abs 1 Satz 3, des § 107 Satz 1 Nr 6, und des § 168 Abs 3a AFG. Entgegen der Ansicht des LSG finde § 104 Abs 1 Satz 3 AFG auch auf Gefangene Anwendung, die bei kurzfristiger Unterbrechung einer fortlaufenden Beschäftigung kein Entgelt erhielten. Mit dem StVollzG habe der Gesetzgeber das Leben im Vollzug den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angleichen und den Gefangenen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht freien Arbeitnehmern gleichstellen wollen. Wie beim freien Beschäftigungsverhältnis seien deshalb auch Zeiten des unbezahlten Urlaubs, der Krankheit, der mangelnden Beschäftigungsmöglichkeit einschließlich der Wochenende und Feiertage anwartschaftswahrend zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist nicht begründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß dem Kläger für die Umschulungsmaßnahme kein Uhg zusteht, weil er die Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat. Der Kläger hat nicht innerhalb der letzten drei Jahre vor Beginn der Maßnahme mindestens zwei Jahre lang eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt oder Arbeitslosengeld aufgrund eines Anspruchs von einer Dauer von mindestens 156 Tagen oder im Anschluß daran Arbeitslosenhilfe bezogen (§ 46 Abs 1 Satz 1 AFG idF durch das Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 – BGBl I 1542 –). Für den Kläger, der mit Zustimmung der Beklagten verspätet in die Maßnahme eingetreten ist, lief die Rahmenfrist vom 1. Februar 1982 bis zum 31. Januar 1985, dem Tag vor dem planmäßigen Beginn der Maßnahme (BSG vom 21. Juli 1981 – 7 RAr 46/80 – AuB 1982, 27; BSG vom 16. Februar 1983 – 7 RAr 47/82 – AuB 1983, 217). In dieser Zeit hat der Kläger nach den nicht angegriffenen und deshalb bindenden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) Feststellungen des LSG eine beitragspflichtige Beschäftigung (§ 168 Abs 1 Satz 1 AFG) vor der Inhaftierung von 212 Kalendertagen und während der Inhaftierung weitere 483 Tage zurückgelegt, für die wegen des Bezuges von Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe Beiträge abgeführt worden sind (§ 168 Abs 3a Satz 1 AFG). Diese Zeiten stehen nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 107 Satz 1 Nr 6 AFG, die unmittelbar nur für das Arbeitslosengeld gilt, gemäß § 46 Abs 1 Satz 4 AFG aber auf das Uhg entsprechend anzuwenden ist, für die Erfüllung der Anwartschaft einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleich. Damit erreicht der Kläger aber die erforderliche Anwartschaftszeit von 730 Kalendertagen nicht; ihm fehlen 35 Tage. Wie das LSG zutreffend erkannt hat, sind weitere Zeiten nicht auf die Anwartschaftszeit anzurechnen. Das gilt zunächst für die Zeiträume vom 29. Februar bis zum 13. März 1984 und vom 2. Januar bis zum 17. Januar 1985, in denen der Kläger wegen Arbeitsmangels bzw Verlegung in eine andere JVA nicht arbeiten konnte. Beitragspflicht zur BA besteht nach § 168 Abs 3a AFG nur, soweit die Gefangenen Arbeitsentgelt, Ausbildungsbeihilfe oder Ausfallentschädigung (§§ 43 bis 45, 176 und 177 StVollzG) erhalten haben. Der Kläger hat aber in der genannten Zeit keine Ausfallentschädigung erhalten, weil § 45 StVollzG zwar bereits als Gesetz beschlossen, aber noch nicht in Kraft gesetzt worden ist, wozu es eines besonderen Gesetzes bedarf (§ 198 Abs 3 StVollzG).

Einer beitragspflichtigen Beschäftigung kann auch nicht die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1984 gleichgestellt werden, in der der Kläger bereits für die Teilnahme am Fernstudium beurlaubt war, aber keine Ausbildungsbeihilfe bezogen hat, weil er noch Untersuchungsgefangener, als solcher nicht arbeitspflichtig (§ 119 Abs 3 Strafprozeßordnung) und deshalb auch nicht von einer Arbeitspflicht freizustellen war (§ 44 StVollzG).

Die unberücksichtigt gebliebenen Zeiten vom 16. Oktober bis 23. Oktober 1983, 28. Oktober bis 30. Oktober 1983, 21. Februar bis 23. Februar 1984, 29. Februar bis 13. März 1984 und vom 29. Dezember 1984 bis 17. Januar 1985, insgesamt 48 Kalendertage, an denen der Kläger nicht gearbeitet hat, weil er beurlaubt oder krank war oder weil ihm keine Arbeit angeboten werden konnte oder weil es sich um ein ohnehin arbeitsfreies Wochenende handelte, sind auch nicht deshalb anzurechnen, weil damit die Beschäftigung des Klägers in der Anstalt jeweils für weniger als vier Wochen unterbrochen worden ist. Für diese Zeiten gilt § 104 Abs 1 Satz 3 AFG, auf den § 46 Abs 1 Satz 4 AFG ausdrücklich verweist, nicht. Es sind keine Zeiten einer Beschäftigung, für die vorübergehend, dh bis zur Dauer von vier Wochen, kein Arbeitsentgelt gezahlt worden ist. Die Vorschrift bezieht sich allein auf ein freies Beschäftigungsverhältnis, dem ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag zugrundeliegt. Die Arbeit in einer JVA erfolgt aber nicht auf der Grundlage eines privatrechtlichen Arbeitsvertrages, sondern auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses (vgl Callies/Müller-Dietz, Strafvollzugsgesetz, 4. Aufl, § 37 Anm 1; Peters in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht 1990 § 5 SGB V Rz 15; Funk, aaO § 1227 Rz 31). Demzufolge gründet sich die Beitragspflicht zur BA auch nicht auf die allgemeine Vorschrift des § 168 Abs 1 AFG, sondern auf die mit dem StVollzG eingeführte Sondervorschrift des § 168 Abs 3a AFG, wie überhaupt das Gesetz jeweils besonders anordnet, welche das Beschäftigungsverhältnis betreffende Normen auch auf Gefangene anzuwenden sind. So verweist § 170 Abs 3 AFG hinsichtlich des Beginns und des Endes der Beitragspflicht auf die für das Beschäftigungsverhältnis geltenden Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift. § 107 Satz 1 Nr 6 AFG stellt beitragspflichtige Zeiten in der Haftanstalt einer beitragspflichtigen Beschäftigung gleich. Die entsprechende Anwendung des § 104 Abs 1 Satz 3 AFG auf Gefangene ordnet das Gesetz dagegen nicht an.

Darin liegt keine Regelungslücke, die durch die Verwaltung oder die Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte. Der Grundgedanke des StVollzG, Gefangene im Hinblick auf ihre Resozialisierung nur solchen Beschränkungen zu unterwerfen, die mit den Gegebenheiten des Strafvollzuges notwendig verbunden sind, und sie im übrigen möglichst wie im Zivilleben zu behandeln, gebietet die Gleichbehandlung nicht. Die Gleichstellung der Gefangenen mit freien Arbeitnehmern ist nur Leitidee und Zielvorstellung des Gesetzgebers, die durch die Vorschriften des StVollzG erst zum Teil verwirklicht worden ist. Weitere, bereits beschlossene Verbesserungen der sozialversicherungsrechtlichen Situation der Gefangenen in Richtung auf eine Annäherung an die Verhältnisse im Zivilleben hat der Gesetzgeber bewußt noch nicht in Kraft gesetzt, wie zB § 45 StVollzG, der die Zahlung einer Ausfallentschädigung für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit oder mangelnden Beschäftigungsmöglichkeit anordnet. Aber auch dort, wo die Regelungen bereits geltendes Recht sind, bleiben sie weit hinter den Gegebenheiten des Zivillebens zurück. Das gilt insbesondere für die im Vollzug gezahlte Vergütung, die nur einen Bruchteil der Durchschnittsverdienste im Zivilleben ausmacht (§§ 43, 200 StVollzG). Verfassungsrechtlich kann dies nicht wegen eines Verstoßes gegen den Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 Grundgesetz) beanstandet werden, weil der Gesetzgeber im Bereich gewährender Staatstätigkeit – um die es hier geht – einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Besonders bei Neuerungen, die bisher kein Vorbild in der Gesetzgebung haben, steht es dem Gesetzgeber grundsätzlich frei zu bestimmen, ob, ab wann, in welcher Höhe und gegenüber welchem Personenkreis er mit der beabsichtigten Verbesserung beginnen will (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 157 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts). Der bewußte Ausschluß der Gefangenen von Regelungen, die für freie Arbeitnehmer gelten, bewirkt keine Regelungslücke.

Daß der Gesetzgeber bewußt von einer Anwendung des § 104 Abs 1 Satz 3 AFG auf Gefangene abgesehen hat, indem er eine ausdrückliche Verweisung auf diese Vorschrift unterlassen hat, läßt sich allerdings aus dem StVollzG und seiner Entstehungsgeschichte nicht entnehmen. Das Gesetz ist zum 1. Januar 1977 in Kraft getreten (§ 198 Abs 1; BGBl I 1976, 581), war aber bereits im wesentlichen Ende 1975 vom Bundestag beschlossen worden (BT-Drucks 685/75). Etwa in diesem Zeitraum ist auch § 104 Abs 1 Satz 3 AFG durch das Haushaltsstrukturgesetz-AFG vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) eingeführt worden. Es ist denkbar, daß diese Änderung des AFG im Gesetzgebungsverfahren des StVollzG nicht mehr berücksichtigt worden ist. Das bedeutet aber nicht, daß von einer unbewußten Regelungslücke auszugehen ist, die von den Gerichten durch analoge Anwendung des § 104 Abs 1 Satz 3 AFG geschlossen werden könnte. Dem steht entgegen, daß die Vorschrift besonderen Bedingungen Rechnung tragen will, die nur bei freien Beschäftigungsverhältnissen vorliegen. Soweit sie die Erfüllung von Anwartschaften auf Leistungen der BA begünstigt, folgt daraus nicht, daß dies auch für Gefangene zu gelten hat.

§ 104 Abs 1 Satz 3 AFG ist eingeführt worden, um den Verwaltungsaufwand bei den Arbeitgebern, die bis dahin jede kurzfristige Unterbrechung melden mußten, zu vermindern, und das Verfahren bei den Arbeitsämtern zu vereinfachen (vgl BR-Drucks 1575/75 S 52). Das Fünfte AFG-Änderungsgesetz vom 23. Juli 1979 (BGBl I 1189) hat die Frist der unschädlichen Unterbrechung von drei auf vier Wochen erweitert. Für solche kurzfristigen Unterbrechungen der beitragspflichtigen Beschäftigung hat es der Gesetzgeber aus Vereinfachungsgründen als hinnehmbar angesehen, eine Ausnahme von dem Grundsatz zu machen, daß nur eine mit Beitragsleistungen verbundene längere Zugehörigkeit zur Solidargemeinschaft einen Anspruch auf Leistungen begründen soll. Derartige Zeiten treten bei normalen Beschäftigungsverhältnissen selten auf, weil bei Krankheit, Urlaub oder Arbeitsausfall der Lohn regelmäßig fortgezahlt wird. Als Beschäftigungszeiten ohne Entgeltzahlung kommen im wesentlichen nur Zeiten eines unbezahlten Urlaubs oder eines Streiks in Betracht. Demgegenüber liegen die Verhältnisse im Strafvollzug anders. Nach § 1 der Verordnung über den Einzug der während der Freiheitsentziehung zu entrichtenden Beiträge zur BA (Gefangenen-Beitragsverordnung) vom 14. März 1977 (BGBl I 448) wird jeder Tag, an dem der Gefangene Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe erhalten hat, für die Beitragsberechnung erfaßt. Damit ist notwendig auch eine Erfassung der Zeiten verbunden, in denen die Arbeit länger als über die arbeitsfreien Wochenenden und Feiertage hinaus unterbrochen war. Es ist einzuräumen, daß der Gefangene dadurch etwa im Falle des unbezahlten Urlaubs im Vergleich zu einem freien Arbeitnehmer schlechter gestellt sein kann. Durch eine Berücksichtigung aller Zeiten, in denen die Arbeit nicht länger als vier Wochen unterbrochen worden ist, würde der Gefangene insgesamt aber bessergestellt als ein Arbeitnehmer. Denn Zeiten, in denen es aus den verschiedensten Gründen zu Arbeitsausfall und damit zu Beitragsausfall kommt, sind in der Haftanstalt wesentlich häufiger als die Zeiten, in denen es im Zivilleben zu Beitragsausfällen kommt. Wie der vom Senat als Sachverständiger angehörte ehemalige Leiter einer JVA Dr. K. … bekundet hat, ist der Beschäftigungsgrad in den einzelnen Vollzugsanstalten unterschiedlich, beträgt aber insgesamt durchschnittlich nur 60 vH. Das ist auch in Zeiten allgemeiner hoher Arbeitslosigkeit ein weitaus geringerer Beschäftigungsgrad als auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Zu Arbeitsausfällen kommt es vor allem durch mangelnde Aufträge, aber auch durch Verlegungen von einer Haftanstalt in eine andere, Krankheit oder Beurlaubung. Soweit die Ausfälle auf Auftragsmangel und Krankheit beruhen, hat der Gesetzgeber seine Absicht, dies durch Gewährung einer beitragspflichtigen Ausfallentschädigung teilweise aufzufangen, noch nicht verwirklicht. Dann kann es auch nicht geboten sein, die bislang noch ausfallenden Zeiten, die nach Inkrafttreten des beschlossenen Gesetzes zu Beitragszeiten werden sollen, bereits jetzt durch entsprechende Anwendung des § 104 Abs 1 Satz 3 AFG wie solche Beitragszeiten zu behandeln. Dadurch würde dem Gesetzgeber in unzulässiger Weise vorgegriffen. Aber auch dort, wo der Gesetzgeber künftig noch keine Regelung vorgesehen hat, die Beitragsausfälle vermeidet, wie etwa im Falle des unbezahlten Urlaubs oder des Wechsels der Haftanstalt, ist es nicht geboten, wenigstens insoweit § 104 Abs 1 Satz 3 AFG entsprechend anzuwenden. Ein Analogieschluß ist nur zulässig, wenn sich als mutmaßlicher Wille des Gesetzgebers ermitteln läßt, daß er den abweichenden, nicht geregelten Lebenssachverhalt in gleicher Weise behandeln würde wie den geregelten. Es müßte also aus dem Zusammenhang der gesetzlichen Regelungen über die sozialversicherungsrechtliche Stellung der Gefangenen erkennbar sein, daß diese trotz der Besonderheiten des Strafvollzugs den freien Arbeitnehmern in jeder Hinsicht gleichgestellt werden sollen. Das ist aber nicht der Fall. Erkennbar ist lediglich die gesetzgeberische Absicht, die Rechtsstellung der Gefangenen unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Strafvollzugs und der vorhandenen finanziellen Mittel derjenigen der freien Arbeitnehmer möglichst anzunähern. Weichen aber die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere was die Häufigkeit von Arbeitsunterbrechungen angeht, so deutlich von den Verhältnissen des Zivillebens ab, wird dem Gleichstellungsgedanken dadurch genügt, daß als anwartschaftswahrend nur solche Zeiten zu berücksichtigen sind, die auch mit Beiträgen belegt sind. Weitere Verbesserungen bleiben dem Gesetzgeber vorbehalten.

Dem widerspricht es nicht, wenn die Beklagte arbeitsfreie Wochenende und Feiertage mitberücksichtigt, die eine fortlaufende Beschäftigung in der Anstalt unterbrechen. Denn tatsächlich werden für diese arbeitsfreien Tage wie im freien Beschäftigungsverhältnis ebenfalls Beiträge abgeführt, was sich aus der Art der Beitragsberechnung ergibt. Nach § 1 Abs 1 der Gefangenen-Beitragsverordnung wird jeder Tag, an dem tatsächlich gearbeitet worden ist, mit einem 250.tel der Beitragsbemessungsgrundlage angesetzt. Damit wird im Ergebnis der Beitrag des Gefangenen, der an fünf Tagen in der Woche gegen Arbeitsentgelt beschäftigt ist, bei durchgehender Beschäftigung und 250 Arbeitstagen im Jahr aus der jährlichen Bemessungsgrundlage (90 vH des durchschnittlichen Arbeitsentgelts aller Versicherten, § 165c Abs 4 der Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 199 Abs 2 Nr 6 iVm § 190 Nr 2 StVollzG) erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BB 1991, 2019

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