Verfahrensgang

SG Berlin (Urteil vom 04.04.1995; Aktenzeichen S 7 An 4687/94)

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4. April 1995 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines sog Entgeltbescheides nach § 8 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebietes (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz ≪AAÜG≫).

Der im Jahre 1929 geborene Kläger war nach seiner Ausbildung zum Ingenieur für Fernmeldetechnik zunächst bei dem Berliner Rundfunk und später bei der Deutschen Post beschäftigt. Zuletzt, bis November 1992, arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Seit dem 1. Dezember 1951 gehörte er dem Zusatzversorgungssystem der technischen Intelligenz gemäß der Verordnung über die Zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz vom 17. August 1950 (AVI, GBl Nr 93 S 844, Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 zum AAÜG) an. Ab Januar 1974 entrichtete er auch Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR).

Mit Bescheid vom 8. November 1993, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 1994, stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme ua den Zeitraum vom 1. Dezember 1951 bis 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur AVI sowie ab Januar 1974 zur FZR fest, ferner das nachgewiesene jährliche Bruttoarbeitsentgelt und die – zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen – Zeiten der Unterbrechung der Beitragsleistung; zudem vermerkte sie für alle vorgenannten Kalenderjahre, das Bruttoarbeitsentgelt des Klägers habe über den Werten der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze, dh über den Werten der Anlage 3 zum AAÜG gelegen; die kalenderjährlich nachgewiesenen Brutto-Arbeitsentgelte stellte sie jeweils den Beträgen der auf die Werte der Beitragsbemessungsgrenze begrenzten Arbeitsentgelte gegenüber; schließlich wies sie darauf hin, das maßgebende Entgelt werde dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitgeteilt; die Meldung erfolge unterteilt in das sozialversicherungspflichtige Entgelt, den Betrag zur FZR und den Versorgungsanteil. Im Widerspruchsbescheid teilte sie ergänzend mit, das der Rentenberechnung zugrunde zu legende Entgelt sei die Summe aus „sozialversicherungspflichtigem Entgelt, FZR und Entgelt aus der Versorgung”, ggf begrenzt auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG; der Wert der Anlage 3 entspreche der Beitragsbemessungsgrenze; höhere Entgelte könnten nicht berücksichtigt werden.

Mit der Klage hat der Kläger den Erlaß eines Überleitungsbescheides entsprechend dem erzielten nachgewiesenen Bruttoarbeitseinkommen ohne Begrenzung auf § 6 Abs 1 iVm der Anlage 3 zum AAÜG begehrt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 4. April 1995 abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen. Es hat im wesentlichen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Bei der Begrenzung des tatsächlich erzielten Entgelts auf den jeweiligen Betrag der Anlage 3 zum AAÜG handele es sich nur um eine Begrenzung auf den Arbeitsverdienst, für den Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung hätten entrichtet werden können. Daß der Kläger während seiner Zugehörigkeit zur AVI auch Beiträge zur FZR gezahlt habe, ändere nichts an dem nach § 6 AAÜG iVm § 8 AAÜG festzustellenden Entgelt. Die in § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG getroffene Regelung sei auch verfassungsgemäß. Zwar würden – wohl – die vom Kläger erworbenen und nach dem AAÜG zu überführenden Anwartschaften und Ansprüche aus der AVI vom Schutzbereich des Art 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) erfaßt. Die Begrenzung auf die allgemein gültige Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung in § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG verstoße jedoch nicht gegen Art 14 GG. Im Rahmen einer zulässigen Inhalts- und Schrankenbestimmung habe das Interesse der Allgemeinheit und der ausgeprägte soziale Bezug von sozialversicherungsrechtlichen Positionen den Vorrang vor den Interessen des bzw der Betroffenen. Die Überführung der Zusatzversorgungsansprüche in die gesetzliche Rentenversicherung und die damit verbundene Begrenzung der für die Berechnung maßgeblichen Entgelte nach § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG verstoße auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

Mit der – mit Zustimmung der Beklagten – eingelegten (Sprung-)Revision rügt der Kläger, § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG iVm der Anlage 3 aaO verletze Art 14 und 3 GG. Er trägt hierzu vor:

§ 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG (iVm der Anlage 3) verstoße gegen Art 14 Abs 1 GG. Spätestens seit dem Verfassungsgrundsätzegesetz der ehemaligen DDR vom 17. Juni 1990 seien vermögenswerte, sozialrechtliche Ansprüche und Anwartschaften eigentumsgeschützt gewesen. Der Einigungsvertrag (EinigVtr) habe nicht in diese eigentumsrechtlich geschützten Versorgungsansprüche eingegriffen, sondern nur festgelegt, daß diese in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen seien. Staats- und EinigVtr hätten nicht zu Eingriffen in das Erworbene ermächtigt. Die nachteilige Einführung einer Beitragsbemessungsgrenze verstoße daher gegen Art 14 Abs 1 GG; sie sei disproportional, weil der erhebliche Eingriff in verfassungsrechtlich geschützte Rechte in keinem Verhältnis zu der damit bewirkten Einsparung stehe und für die Betroffenen unzumutbar sei. Art 3 Abs 1 GG werde ebenfalls verletzt. Der Unterschied zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung werde übersehen; die Zusatzversorgung habe den Angehörigen über den Anspruch auf eine Rente aus der Sozialversicherung hinaus noch eine zusätzliche Leistung sichern sollen. Ferner bewirke die Beitragsbemessungsgrenze innerhalb des Kreises der Versorgungsberechtigten eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 4. April 1995 sowie unter Abänderung des Bescheides vom 8. November 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Februar 1994 zu verurteilen, ihm einen Überleitungsbescheid entsprechend dem erzielten nachgewiesenen Bruttoarbeitseinkommen der Jahre 1951 bis 30. Juni 1990 ohne Begrenzung gemäß § 6 Abs 1 iVm der Anlage 3 AAÜG zu erteilen,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Revision zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Dem Gesetzgeber habe bei der Überführung von Ansprüchen und Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR ein weiter Gestaltungsspielraum zugestanden. Die Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Entgelte verstoße auch nicht gegen den EinigVtr. Aus dem EinigVtr ergebe sich kein konkreter Anspruch auf Überführung in einem bestimmten Umfang. Die Beitragsbemessungsgrenze sei im übrigen die Obergrenze, bis zu der ein Einkommen in der Rentenversicherung maximal versicherbar sei. Eine Versicherung darüber hinausgehender Einkommen sei in der gesetzlichen Rentenversicherung nicht möglich. Ihre Berücksichtigung würde zu Rentenleistungen führen, die alle übrigen Versicherten nicht erreichen könnten. Art 14 GG werde nicht verletzt.

Der Senat hat die Beteiligten auf sein Urteil vom 18. Juli 1996 (4 RA 7/95) hingewiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Das Bundessozialgericht (BSG) hat nicht zu prüfen, welche Ansprüche auf Geldleistungen dem Kläger gegenüber der BfA als Rentenversicherungsträger zustehen (dazu unter 1). Die Verpflichtungsklage gegen die BfA als Versorgungsträger ist unzulässig (dazu unter 2). Die angefochtenen feststellenden Verwaltungsakte beeinträchtigen den Kläger nicht in eigenen subjektiven Rechten, so daß er in solchen erst recht nicht verletzt ist (dazu unter 3).

1. Es ist nicht darüber zu entscheiden, welche Ansprüche auf Geldleistungen dem Kläger gegen die BfA als Rentenversicherungsträger zustehen mögen. Es bedarf demgemäß auch keiner Ausführungen dazu, daß die BfA hierfür als Versorgungsträger schlechthin nicht leistungspflichtig und zur Entscheidung über Leistungsansprüche absolut unzuständig ist.

a) Die Versorgungsträger iS von § 8 Abs 4 AAÜG (und in dieser Funktion auch die BfA) haben in dem ihnen durch § 8 Abs 1 aaO zugewiesenen Aufgabenkreis der BfA als Rentenversicherungsträger vor der (von dieser vorzunehmenden) Überführung der Anwartschaften in die Rentenversicherung „die Daten” mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich sind; dies umfaßt die Mitteilung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens sowie die Daten, die sich nach Anwendung der §§ 6 und 7 AAÜG ergeben (§ 8 Abs 2 AAÜG). Aufgaben, Kompetenzen und Befugnisse des Versorgungsträgers sind demgemäß von vornherein ausschließlich darauf begrenzt, Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse des Betroffenen „Daten” – vgl § 67 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB X≫) verbindlich festzustellen, soweit sie nach den §§ 5 bis 7 AAÜG für die spätere Überführung und Rentenfestsetzung durch den Rentenversicherungsträger rechtserheblich werden können. Der Versorgungsträger darf also nur möglicherweise beim Rentenversicherungsträger erheblich werdende Tatsachen vormerken (vgl § 149 Abs 5 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫). Hierzu zählt auch die Entscheidung darüber, ob der Betroffene die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs 2, 3 und 5 oder des § 7 AAÜG erfüllt; gegebenenfalls knüpft das Gesetz (nicht: der Verwaltungsakt des Versorgungsträgers) hieran die Rechtsfolge, daß der Rentenversicherungsträger eine niedrigere als die allgemeine Bemessungsgrundlage anwenden muß. Damit haben die Versorgungsträger im Einzelfall wegen ihrer aus der Funktionsnachfolge erlangten besonderen Qualifikation nur versorgungsspezifische Tatsachen (Zeiten der Zugehörigkeit, Arbeitsentgelte, Arbeitseinkommen, Tätigkeiten in der DDR) festzustellen, die nach den §§ 5 bis 8 AAÜG für die spätere Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über die Höhe der SGB VI-Rente rechtserheblich sein können, hingegen ist diesem die Überführung und die Festsetzung der Rentenhöhe und damit ua die Entscheidung darüber vorbehalten, welcher Verdienst den Pflichtbeitragszeiten zugrunde zu legen ist; erst und allein der auf dieser Grundlage ergehende Bescheid des Versicherungsträgers bestimmt für diesen und die Versicherten verbindlich die Höhe von Leistungsansprüchen (§ 194 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Demgegenüber sind Versorgungsträger weder berufen noch befugt, selbst gegenüber den Betroffenen über im SGB VI geregelte Leistungsansprüche und Leistungsanwartschaften (oder deren Höhe bzw Wert) zu entscheiden.

b) Dies gilt auch für die beklagte BfA als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nrn 1 bis 26 zum AAÜG. § 8 AAÜG weist ihr einen zusätzlichen, von ihren originären Aufgaben als Rentenversicherungsträger spezialgesetzlich getrennten Aufgabenkreis zu; dies darf nicht durch eine Vermischung beider Aufgabenbereiche dieses einheitlichen Rechtssubjekts gesetzwidrig überspielt werden. Demgemäß enthält der sog Entgeltbescheid des Versorgungsträgers die og Vorabentscheidungen über Anspruchselemente für die dem Rentenversicherungsträger vorbehaltene Entscheidung über ua die Höhe einer SGB VI-Rente (so schon Teilurteil und Vorlagebeschluß des Senats vom 14. Juni 1995 – 4 RA 98/94). Der Rentenversicherungsträger hat diese Vorabfeststellungen des Versorgungsträgers über die rechtserheblichen Tatsachen hinzunehmen; diesem ist gemäß § 8 Abs 3 Satz 2 AAÜG vorbehalten, über Rücknahme, Widerruf oder Aufhebung des „Entgeltbescheides” gegenüber dem Bürger zu befinden; der Rentenversicherungsträger ist an die in der Vorabentscheidung festgestellten „Daten” gebunden (§ 8 Abs 5 Satz 2 AAÜG), also gerade nicht ermächtigt, sie abzuändern oder zu ersetzen. „Entgeltbescheide” nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG ändern oder ersetzen also keine Leistungsbewilligungen und werden durch diese auch selbst nicht abgeändert oder ersetzt. Das BSG hat daher hier über Sozialleistungsansprüche des Klägers nicht zu entscheiden.

c) Revisionsgerichtlicher Prüfung unterliegt das Begehren des Klägers (iS von § 123 SGG), das Gericht möge den beklagten Versorgungsträger verpflichten, einen den Rentenversicherungsträger bindenden Verwaltungsakt mit der Regelung zu erlassen, daß die nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte – auch soweit sie die Werte der Anlage 3 des AAÜG übersteigen – vom Rentenversicherungsträger bei der Entscheidung über die Festsetzung der Höhe der SGB VI-Rente den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst zugrunde zu legen sind. Damit handelt es sich um eine Verpflichtungsklage (dazu unter 2). Sie ist (in zulässiger Klagehäufung ≪§ 56 SGG≫) mit Anfechtungsklagen gegen die im streitigen Bescheid erlassenen feststellenden Verwaltungsakte verbunden, soweit darin für jedes Kalenderjahr ausgewiesen wurde, daß die nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte des Klägers die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze (§ 6 Abs 1 Satz 1 iVm den Werten der Anlage 3 zum AAÜG) übersteigen. Hingegen sind nicht im Streit die Feststellungen über folgende „Daten”: die Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem, die Höhe der nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte.

2. Die Verpflichtungsklage ist unzulässig, weil diese Rechtsschutzform nicht statthaft und der Kläger zudem zu dieser Klage nicht befugt ist.

a) Gemäß § 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 3 SGG kann mit der Verpflichtungsklage die Verurteilung zum Erlaß eines „abgelehnten” oder „unterlassenen” Verwaltungsakts begehrt werden. Der Erlaß des erstrebten Verwaltungsakts muß also zuvor bei dem zuständigen Hoheitsträger beantragt worden sein (stellvertretend: Meyer-Ladewig, aaO, § 54 RdNrn 20 bis 22; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung ≪VwGO≫, 9. Auflage 1988, § 42 RdNr 133). Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. November 1993 hat die BfA als Versorgungsträger aber keinen Antrag des Klägers abgelehnt, die jetzt begehrte Feststellung zu treffen. In dem von Amts wegen eingeleiteten Verwaltungsverfahren war Verfahrensgegenstand ausschließlich die von § 8 AAÜG gebotene Prüfung der dem Rentenversicherungsträger mitzuteilenden Daten, also der Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem, der Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen und der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs 2, 3 und 5 und des § 7 AAÜG. Nur hierüber haben die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen befunden. Der beklagte Versorgungsträger hat es auch nicht iS von § 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 3 SGG „unterlassen”, die begehrte Regelung zu treffen. Es gehört – wie ausgeführt – schlechthin nicht zu seinem Aufgabenkreis, dem Rentenversicherungsträger im Einzelfall verbindlich vorzuschreiben, wie er die Rentenversicherung durchzuführen und die Gewährung von Ansprüchen auf Leistungen nach den Vorschriften des SGB VI und des AAÜG zu regeln hat. Die BfA als Versorgungsträger hat solches auch nicht entschieden. Mangels Zuständigkeit und mangels Antrags hat sie also den Erlaß des begehrten Verwaltungsakts auch nicht „unterlassen”.

b) Die Verpflichtungsklage ist zudem auch deswegen unzulässig, weil der Kläger zur Klage nicht befugt ist (§ 54 Abs 1 Satz 2 SGG; vgl § 42 Abs 2 VwGO). Denn aus seinem Vorbringen ergibt sich nicht die Möglichkeit, er könne einen gegen den beklagten Versorgungsträger gerichteten Anspruch auf Erlaß des begehrten – den Rentenversicherungsträger als dessen Adressaten bindenden – Verwaltungsakts haben. Vielmehr ist seinem Vortrag zwingend zu entnehmen, daß der Versorgungsträger den einzigen Anspruch auf Erlaß bestimmter Regelungen, den der Kläger nach positivem Recht gerade gegen ihn haben kann, durch die im streitigen Bescheid getroffenen Feststellungen (vollständig und richtig) erfüllt hat:

Die von Bescheiden nach § 8 Abs 3 Satz 1 AAÜG Betroffenen haben aus § 8 Abs 3 Satz 1 iVm Abs 1 Satz 1 und 2 aaO einen gesetzlichen Anspruch auf tatsächlich richtige und rechtmäßige Feststellung der Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, der erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen sowie der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 6 und 7 AAÜG. In den §§ 6 bis 8 AAÜG ist nämlich – wie ausgeführt – ua geregelt, daß die Versorgungsträger in einem besonderen Verwaltungsverfahren die für die spätere Berechnung von SGB VI-Renten maßgeblichen erzielten Arbeitsentgelte/Arbeitseinkommen und „Daten” in eigener Kompetenz abschließend, verbindlich und ohne Ermessensspielraum mit bindender Wirkung für den Rentenversicherungsträger feststellen (zweistufiges Verfahren). Da für gebundene Entscheidungen über Sozialleistungen ein Rechtsanspruch des Bürgers auf die Leistung besteht, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind (§ 38 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch), gilt dies ebenso für abschließende Vorabentscheidungen über Anspruchselemente, die hier ein Versorgungsträger mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger trifft. Dieser Anspruch ist darauf gerichtet, daß der Versorgungsträger gesetzmäßig und richtig die Zeiten der Zugehörigkeit zum Versorgungssystem, die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen sowie die für den Berechtigten nach der dreistufigen Typik der §§ 6 und 7 AAÜG (dazu schon BSGE 72, 50, 62 ff) maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen feststellt. Nach dem Vorbringen des Klägers (und seiner eigenen Rechtsauffassung) hat die Beklagte diesen gesetzlichen Anspruch zutreffend erfüllt (§ 362 BGB entsprechend); er wird also durch die angefochtenen Feststellungen nicht einmal möglicherweise in diesem Rechtsanspruch beeinträchtigt.

c) Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Fallgestaltung von denjenigen, in denen (wie bei den Vorlagebeschlüssen des Senats vom 14. Juni 1995) der Versorgungsträger (zutreffend und gesetzmäßig) Tatbestandsvoraussetzungen nach § 6 Abs 2, Abs 3 oder Abs 5 und § 7 Abs 1 AAÜG festgestellt, die Betroffenen also in die zweite oder dritte Stufe der vorgenannten Typik eingeordnet hat; in solchen Fällen ergibt sich die Klagebefugnis aus der Möglichkeit einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung zu dem Personenkreis, der – wie der Kläger – unter den Grundtatbestand des § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG fällt. Denn die Schaffung oder Ausgestaltung von Sondertatbeständen, welche die davon nach der den Rentenversicherungsträger bindenden Datenfeststellung des Versorgungsträgers Erfaßten kraft Gesetzes unter niedrigere Verdienstgrenzen (Beitragsbemessungsgrenzen) stellt, bedarf verfassungsrechtlicher Rechtfertigung.

3. Die Anfechtungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 Regelung 1 SGG) des Klägers sind zulässig, insbesondere ist er zur Klage befugt; begründet sind sie jedoch nicht:

a) Statthaft sind die Klagen, die feststellenden Verwaltungsakte aufzuheben, mit denen der Versorgungsträger kalenderjährlich von Dezember 1951 bis Juni 1990 die tatsächlich erzielten Bruttoarbeitsentgelte den auf die Werte der Anlage 3 zum AAÜG begrenzten Arbeitsentgelten gegenübergestellt hat. Die Klagebefugnis „formelle Beschwer” iS von § 54 Abs 1 Satz 2 SGG; vgl § 42 Abs 2 VwGO) liegt vor, obwohl die streitigen Verwaltungsakte den Kläger nicht in eigenen Rechten beeinträchtigen (dazu unter b). Denn es war bislang aus der Sicht eines Rechtsschutz Suchenden (hier: des Klägers) nicht auszuschließen, daß er durch die angefochtenen Feststellungen des Versorgungsträgers in eigenen subjektiven Rechten gegenwärtig und unmittelbar rechtswidrig beeinträchtigt „verletzt”) sein konnte. Das BSG hatte – zum Zeitpunkt der Revisionseinlegung – nämlich in den og bisherigen Entscheidungen zu § 8 AAÜG im Blick auf die Versorgungsberechtigten, für die der Versorgungsträger die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 6 Abs 2, 3, 5 und des § 7 Abs 1 AAÜG nicht festgestellt hat, noch nicht abschließend geklärt, welche Entscheidungen der Versorgungsträger mit Bindungswirkung für den Rentenversicherungsträger treffen kann; dies kann ferner dem Text des § 8 AAÜG auch nicht ohne nähere Auslegung und damit ohne weiteres entnommen werden. Vor dem Hintergrund der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 Satz 1 GG) kann aber bei sog Klärungsbedürftigkeit (vgl § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) einer Rechtsfrage, von deren Beantwortung abhängt, ob der Betroffene in eigenen Rechten verletzt sein kann, die Möglichkeit der Rechtsverletzung iS von § 54 Abs 1 Satz 2 (§ 42 Abs 2 VwGO) so lange (noch) nicht ausgeschlossen werden, bis die Frage vom zuständigen Revisionsgericht beantwortet worden ist. Dies war erst mit Urteil vom 18. Juli 1996 – 4 RA 7/95 – der Fall.

b) Die Anfechtungsklagen sind unbegründet, weil die streitigen Verwaltungsakte keine unmittelbaren beeinträchtigenden Rechtswirkungen (§ 31 Satz 1 SGB X) auf subjektive Rechte oder rechtlich geschützte Positionen des Klägers haben:

Einzige Vorschrift, die den zuständigen Versorgungsträger – wie ausgeführt – zugunsten der Versorgungsberechtigten zu Feststellungen verpflichtet, ist § 8 AAÜG. Nur sie ist hier anwendbar. Es gibt keine mit § 8 AAÜG konkurrierende Rechtsnorm, welche den Versorgungsträger gerade zum Schutze des Klägers (bzw der von ihm repräsentierten Personengruppe) verpflichtet, eine in den §§ 6 und 7 AAÜG nicht vorgesehene oder – entgegen diesen Vorschriften – überhaupt keine der dort genannten tatbestandlichen Feststellungen zu treffen.

Soweit der Kläger geltend macht, der Gesetzgeber habe verfassungswidrig angeordnet, in seine Grundrechte einzugreifen, ist nicht ersichtlich, in welche Rechtsposition der beklagte Versorgungsträger durch die angefochtenen (gesetzmäßigen) Verwaltungsakte unmittelbar eingegriffen haben könnte. Das Gesetz hat nämlich die Entscheidung darüber, welche Leistungsansprüche auf Altersversorgung nach dem SGB VI den Zusatz- oder Sonderversorgungsberechtigten zustehen, ausschließlich in die Entscheidungskompetenz des Rentenversicherungsträgers gelegt. Insbesondere hat der Rentenversicherungsträger, nicht aber – wie ausgeführt – der Versorgungsträger, im späteren individuellen Rentenbescheid über die Höhe der SGB VI-Rente, ferner über die Bewilligung einer Nachzahlung und außerdem über die Gewährung eines Rentenzuschlags zu entscheiden, der dem Zahlbetragsschutz von unter den Bedingungen der DDR erworbenen Versicherungs- und Versorgungsansprüchen dient. Hingegen darf der Versorgungsträger vorab lediglich über einzelne Tatbestandselemente für die Festsetzung der Höhe des Anspruchs auf die Rente nach den Bestimmungen des SGB VI entscheiden. Die rentenversicherungsrechtlichen Folgerungen, die den Betroffenen unmittelbar in seinen Leistungsansprüchen gegen den Rentenversicherungsträger berühren, hat allein dieser zu ziehen.

Die BfA hat – auch nach dem Vorbringen des Klägers – als Versorgungsträger die Grenzen ihrer Kompetenz eingehalten. Der beklagte Versorgungsträger hat die Zeiten, in denen der Kläger nach den Kriterien des § 5 AAÜG der AVI angehört hat, ebenso zutreffend festgestellt wie seine nachgewiesenen Bruttoarbeitsentgelte, die er in diesen Zeiten erhalten hat. Seine nachgewiesenen Arbeitsentgelte überschreiten die in § 6 Abs 1 AAÜG iVm Anlage 3 zum AAÜG genannten Werte in dem im angefochtenen Bescheid genannten Umfang. Schließlich hat der Versorgungsträger unangefochten entschieden, daß der Kläger die Tatbestandsvoraussetzungen keines der Sondertatbestände von § 6 Abs 2, 3, 5 und § 7 AAÜG erfüllt. Damit ist alles, was der Kläger nach § 8 Abs 1 Satz 1 und Abs 3 Satz 1 AAÜG vom beklagten Versorgungsträger beanspruchen kann, in vollem Umfang erfüllt. Eine unmittelbare Beeinträchtigung seiner anerkannten Leistungsansprüche liegt nicht vor. Erst die BfA als Rentenversicherungsträger kann durch den individuellen Rentenbescheid auf die Leistungsansprüche des Klägers unmittelbar einwirken. Demgemäß wird auch die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG durch die angefochtenen Festsetzungen nicht beeinträchtigt.

Das Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art 3 Abs 1 GG) ist durch die angefochtenen Verwaltungsakte gleichfalls nicht beeinträchtigt. Der hierdurch verpflichtete Versorgungsträger hat in dem ihm zugewiesenen Aufgabenkreis alle Versorgungsberechtigten gleich zu behandeln. Es ist nicht dargetan oder ersichtlich, wodurch er eine den Kläger im Vergleich zu den anderen Versorgungsberechtigten ungleich belastende Regelung getroffen haben könnte. Auch die Organe der gesetzgebenden Gewalt haben dem Versorgungsträger für alle Versorgungsberechtigten, welche die tatbestandlichen Voraussetzungen der Sondertatbestände in § 6 Abs 2, 3, 5 und § 7 AAÜG nicht erfüllen, eine Gleichbehandlung bei der Feststellung und Mitteilung der „Daten” vorgeschrieben. Die vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken betreffen sein Begehren auf weitere Erhöhung seiner Leistungsansprüche. Hierüber ist aber vom Versorgungsträger weder zu entscheiden noch entschieden worden. Deswegen bedarf auch keiner Darlegung, daß die gesetzmäßigen Feststellungen den Kläger weder in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit oder in schützenswertem Vertrauen beeinträchtigen; es ist schon nicht erkennbar, auf welche vom Versorgungsträger erstmals zu treffenden Feststellungen der Kläger schutzwürdig vertraut haben könnte.

Schließlich ist – gerade zur Gewährleistung effektiven und dh auch möglichst raschen Rechtsschutzes – nicht unzumutbar, daß Versorgungsberechtigte, die nach Feststellung des Versorgungsträgers keine Sondertatbestände des § 6 Abs 2, 3, 5 und des § 7 Abs 1 AAÜG erfüllen und keine Einwände gegen die Richtigkeit der vom Versorgungsträger festgestellten Daten haben, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 6 Abs 1 AAÜG, also die ihnen nach ihrer Ansicht zustehenden Ansprüche gegen den Gesetzgeber auf Einführung zusätzlicher Erhöhungen ihrer Altersversorgung, soweit dies im Rechtsweg überhaupt zulässig ist (vgl dazu BSGE 72, 50, 52), erst beim Streit um einen individuellen Rentenbescheid zur gerichtlichen Prüfung stellen können; denn dann hat der Rentenversicherungsträger zulässigerweise durch abschließenden Verwaltungsakt darüber entschieden, wie hoch der Anspruch auf eine nach dem individuellen Versicherungsverlauf berechnete Rente nach dem SGB VI, wie hoch ggf der Nachzahlungsanspruch für Zeiten ab 1. Juli 1990 und wie hoch ggf der Rentenzuschlag ist, durch den grundsätzlich und in aller Regel gesichert wird, daß der vom Kläger repräsentierte Personenkreis nach Bundesrecht wenigstens das an Altersversorgung erhält, was ihm nach dem Recht der DDR insgesamt höchstens zugestanden hätte. Der Rentenversicherungsträger kann hierbei dem Versorgungsberechtigten nicht entgegenhalten, der Versorgungsträger habe bereits für ihn bindend entschieden, daß die allgemeine Beitragsbemessungsgrenze rentenversicherungsrechtlich anzuwenden sei. Denn einen solchen Verwaltungsakt zu erlassen, liegt außerhalb der Kompetenz des Versorgungsträgers. Die Maßgeblichkeit der allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze für den Rentenversicherungsträger hat das Gesetz anderweitig selbst bestimmt (§§ 63, 64, 66, 70, 157, 159, 160, 161, 254b ff SGB VI, § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG).

Nach alledem war die (Sprung-)Revision des Klägers gegen das im Ergebnis richtige Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173929

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