Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 01.04.1992; Aktenzeichen L 12 Ka 514/89)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Bayerische Landessozialgericht im Urteil vom 1. April 1992 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren.

 

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht in der durch §§ 160 Abs 2 und 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) festgelegten Form begründet worden. Sie ist deshalb entsprechend § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Beschwerdeführerin weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Sie behauptet, das angegriffene Urteil beruhe auf einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG und die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Damit sind aber die behaupteten Zulassungsgründe nicht so dargelegt, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt.

Nach der ständigen Rechtsprechung verlangt diese Vorschrift, daß die Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden: Eine Abweichung ist nur dann ausreichend begründet, wenn erklärt wird, mit welcher genau bestimmten Aussage das angegriffene Urteil von welcher genau bestimmten Aussage des Bundessozialgerichts (BSG) oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29). Zur Begründung der Grundsätzlichkeit der Rechtssache muß erläutert werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein würde, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48).

Die Beschwerde ist in diesem Sinne nicht formgerecht begründet. Zur Begründung der Divergenz hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, das angefochtene Urteil weiche von den Urteilen des BSG vom 10. April 1990 (6 RKa 34/89 und 6 RKa 36/89) und vom 24. Januar 1974 (BSGE 37, 74) ab. Die Abweichung sieht die Beschwerdeführerin darin, daß das Landessozialgericht (LSG) von der Fortgeltung gesamtvertraglicher Abrechnungsvorschriften über den 1. Januar 1989 bzw 30. März 1989 hinaus ausgegangen sei. Damit hat sie aber keinen Rechtssatz aufgezeigt, den das BSG zur Fortgeltung der bayerischen Gesamtverträge aufgestellt hat und von dem das LSG abgewichen ist. Wohl hat die Beschwerdeführerin mit dem Hinweis auf die Auffassung des BSG, daß nach dem 31. März 1989 § 26 des Bundesmantelvertrags-Zahnärzte nicht weitergegolten habe, einen Rechtssatz aufgezeigt. Davon ist das LSG aber nicht abgewichen, sondern hat diese Auffassung bei seiner Entscheidung ausdrücklich berücksichtigt. Die Beschwerdeführerin meint lediglich, das LSG habe unter Zugrundelegung dieser Entscheidung zu einem anderen Ergebnis kommen müssen. Dies begründet indessen keine Divergenz, die zur Zulassung der Revision führen kann. Gleiches gilt für die Darlegung der Beschwerdeführerin, das Urteil des LSG weiche auch insoweit von den Entscheidungen des BSG vom 10. April 1990 ab, als es die Frage der Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs des Patienten an den Kassenzahnarzt gänzlich ungeprüft gelassen habe. Schon aus der Behauptung, das LSG habe eine Rechtsfrage ungeprüft gelassen, folgt, daß es in dieser Hinsicht überhaupt keinen Rechtssatz aufgestellt hat. Es kann dann auch nicht von einem Rechtssatz des BSG iS einer Divergenz abgewichen sein. Eine bloß fehlerhafte Rechtsanwendung begründet auch insoweit nicht die zur Zulassung der Revision erforderliche Divergenz.

Eine Divergenz des angefochtenen Urteils zu dem Urteil des erkennenden Senats vom 20. Mai 1992 (14a/6 RKa 9/90) ist ebenfalls nicht dargetan. Die Beschwerdeführerin zeigt keinen Rechtssatz auf, mit dem sich der erkennende Senat zur Frage der Zulässigkeit gesamtvertraglicher Vereinbarungen über die Abrechnung des Kassenzuschusses nach Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) geäußert hat. Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist schon deshalb nicht geeignet, eine Divergenz zu begründen, weil die Abweichung von einer Entscheidung eines anderen obersten Gerichtshofs des Bundes schon nach dem klaren Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG kein Zulassungsgrund ist.

Soweit die Beschwerdeführerin eine grundsätzliche Bedeutung in der Frage sieht, ob und unter welchen Voraussetzungen der krankenversicherungsrechtliche Kostenerstattungsanspruch nach §§ 29, 30 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch -≪SGB V≫ (idF durch das GRG) einer gesamtvertraglichen Vereinbarung zugänglich ist, hat sie zwar möglicherweise eine Rechtsfrage aufgezeigt. Es fehlt indessen an der Darlegung, daß diese Rechtsfrage auch nach der Änderung des § 30 Abs 3 SGB V idF durch das Gesundheits-Strukturgesetz vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2266) noch von grundsätzlicher Bedeutung ist. In aller Regel kann ausgelaufenes Recht nicht mehr in der Weise von grundsätzlicher Bedeutung sein, daß zur Förderung der Rechtsfortbildung oder der Wahrung der Rechtseinheit eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderlich wäre (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 19). Daß dies ausnahmsweise anders sei, weil noch über mehrere gleichartige Streitfälle zu entscheiden sei oder die zu klärende Rechtsfrage anderweitig nachwirke, hat die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht.

Soweit die Beschwerdeführerin eine grundsätzliche Bedeutung in der Rechtsfrage sieht, ob der Übergang der zunächst erhobenen Anfechtungsklage zu einem Feststellungsantrag nach § 131 Abs 1 Satz 3 SGG analog zulässig war, zeigt sie ebenfalls keine allgemein klärungsbedürftige Rechtsfrage auf. Die Beschwerdeführerin ist vielmehr der Auffassung, die Unzulässigkeit des Feststellungsantrags folge aus der fehlenden Wiederholungsgefahr. Sie bekämpft somit lediglich die entgegenstehende Auffassung des LSG, das eine Wiederholungsgefahr in diesem Fall bejaht hat.

Für alle geltend gemachten Zulassungsgründe gilt schließlich, daß die Beschwerdeführerin nicht dargetan hat, daß das BSG bei einer Entscheidung über die Rechtsfragen auch zu befinden haben werde. Das Revisionsverfahren ist nicht dazu vorgesehen, Rechtsfragen abstrakt zu klären; die Rechtsfrage muß für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich sein (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, S 64). Mit der Behauptung, der Kläger habe bereits im Berufungsverfahren für den Feststellungsantrag kein Rechtsschutzinteresse gehabt, da es an jeder Wiederholungsgefahr fehle, weist die Beschwerdeführerin auf einen Gesichtspunkt hin, den das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen hätte, und der, sofern er sich als zutreffend erweist, zur Abweisung der Klage als unzulässig wegen fehlenden Rechtsschutzinteresses führen müßte, ohne daß das BSG auf die Sachfragen eingehen dürfte.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173299

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