Verfahrensgang

Thüringer LSG (Urteil vom 26.09.2017; Aktenzeichen L 6 KR 716/14)

SG Gotha (Entscheidung vom 05.05.2014; Aktenzeichen S 38 KR 330/10)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 26. September 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die bei der beklagten Krankenkasse versicherte Klägerin ist mit ihrem Begehren auf Kostenerstattung für eine selbstbeschaffte Infusionstherapie nach dem Untersuchungs- und Behandlungskonzept von Dr. H. und Prof. Dr. B. (Kosten in Höhe von 49 019,18 Euro im Jahr 2009 und in Höhe von 30 220,70 Euro im Jahr 2010) zur Behandlung eines Chronic Fatigue Syndroms (CFS) bei der Beklagten und den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, soweit die Klägerin sich Leistungen verschafft habe, ohne die Entscheidung der Beklagten abzuwarten, scheitere ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V bereits daran, dass die Leistungen nicht unaufschiebbar gewesen seien. Bei den streitigen Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen handele es sich zudem um eine neue Behandlungsmethode, für die zum Zeitpunkt der Behandlung keine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vorgelegen habe. Die Klägerin leide auch nicht an einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbaren Erkrankung. Es hätten allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung gestanden. Ein Seltenheitsfall liege nicht vor (Urteil vom 26.9.2017).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG, dazu 1.), des Verfahrensfehlers (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG, dazu 2.) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG, dazu 3.).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.

a) Die Klägerin formuliert zunächst bereits keine Rechtsfrage. Sie trägt lediglich vor, sämtliche Behandlungen hätten "nach Antragstellung begonnen (vgl. § 13 Abs. 3 Alternative 1 SGB V)". Das LSG stelle darauf ab, dass "ein Behandlungsbeginn vor Entscheidung durch die Beklagte per se die Ablehnung der Kostenerstattung nach sich" ziehe. Auch sinngemäß lässt sich diesem Vorbringen keine klare Rechtsfrage entnehmen. Es wird nicht klar, für welche Rechtsfrage die Klägerin Klärungsbedarf sieht (vgl im Übrigen zur "Unaufschiebbarkeit", die das LSG verneint, zB BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr 4, RdNr 13; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23; BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 18; BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris RdNr 15 mwN = USK 2015-59).

b) Der weitere Vortrag der Klägerin, die Entscheidung des LSG beruhe auf der Frage, "ob der Klägerin nach den Grundsätzen des Off-Label-Use ein Anspruch auf Kostenübernahme zusteht", betrifft lediglich den Einzelfall der Klägerin. Im Kern wendet sie sich nur gegen die Richtigkeit der LSG-Entscheidung. Solches Vorbringen reicht indes nicht aus, um die Revision zuzulassen (stRspr, vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG Beschluss vom 8.2.2006 - B 1 KR 65/05 B - Juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Gleiches gilt, soweit die Klägerin der Feststellung des LSG widerspricht, ihre Erkrankung sei nicht lebensbedrohlich.

c) Soweit die Klägerin es möglicherweise als grundsätzlich klärungsbedürftig ansieht, ob der GBA über eine hinreichende demokratische Legitimation zum Erlass der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung verfügt, legt sie ua nicht dar, wieso dies in einem sich anschließenden Revisionsverfahren entscheidungserheblich sein könnte, obwohl nach den Feststellungen des LSG allgemein anerkannte Behandlungsmethoden zur Verfügung standen.

2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Daran fehlt es.

a) Die Klägerin legt nicht in der gebotenen Weise dar, dass das LSG gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verstoßen hat (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG, Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention). Die Klägerin trägt hierzu vor, sie sei durch die erstmals in der mündlichen Verhandlung vom LSG "am Rande" geäußerte Rechtsauffassung überrascht worden, dass dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch teilweise der Behandlungsbeginn vor einer Entscheidung durch die Beklagte entgegenstehe. Die Klägerin legt jedoch nicht dar, weshalb sie sich hierzu nicht in der mündlichen Verhandlung durch ihre anwesende Prozessbevollmächtigte hat äußern können.

Die Klägerin meint, das LSG habe den Anspruch auf rechtliches Gehör auch dadurch verletzt, dass es sich nicht mit ihrem Vortrag aus der Berufungsschrift beschäftigt habe, "insbesondere nicht mit den Darstellungen im Hinblick auf die Definition einer schweren Erkrankung mit lebensbedrohlichem Verlauf". Sie legt aber nicht dar, wieso das LSG mit seinen Ausführungen, Anknüpfungspunkt einer grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts sei das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage, die bei der Klägerin offensichtlich nicht vorliege, ihr Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen hat.

b) Die Klägerin legt auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf ein faires Verfahren (Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip; vgl dazu zB BSG Beschluss vom 28.4.2017 - B 1 KR 15/17 B - Juris RdNr 3) nicht schlüssig dar. So lässt etwa ihr Vorbingen zu einer möglichen Besorgnis der Befangenheit der vorinstanzlichen Richter nicht erkennen, weshalb sie ihr Rügerecht nicht verloren hat, obwohl sie in den Vorinstanzen zur Sache verhandelt und keinen Befangenheitsantrag gestellt hat (vgl § 60 Abs 1 SGG iVm §§ 42 Abs 2, 43 ZPO und hierzu BSG Beschluss vom 6.6.2007 - B 8 KN 8/07 B - Juris RdNr 5).

c) Soweit die Klägerin mit ihrem Vortrag, das LSG sei "einer gemäß SGG notwendigen erneuten Sachaufklärung in der 2. Instanz in keinster Weise nachgekommen", sinngemäß eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG geltend machen will, trägt sie bereits nicht vor, dass sie einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat.

3. Wer sich - wie hier die Klägerin - auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - Juris RdNr 6) und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht (vgl BSG Beschluss vom 14.5.2007 - B 1 KR 21/07 B - Juris RdNr 9). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN). Der Beschwerdeführer hat dies schlüssig darzulegen (vgl zB BSG Beschluss vom 26.9.2017 - B 14 AS 177/17 B - Juris RdNr 1). Daran fehlt es. Die Klägerin bezeichnet in Abschnitt III ihrer Beschwerdebegründung keinen entscheidungstragenden abstrakten Rechtssatz in der Entscheidung des LSG, der höchstrichterlicher Rspr vermeintlich widerspricht. Sie macht hierzu lediglich allgemeine Ausführungen. Soweit sie in Abschnitt I ihrer Beschwerdebegründung hilfsweise ein Abweichen des LSG von Rspr des Senats zum Kostenerstattungsanspruch wegen rechtswidriger Leistungsablehnung (§ 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V) geltend macht, formuliert sie zwar einen Rechtssatz des LSG. Sie legt jedoch nicht dar, weshalb dieser den von ihr zitierten Rspr-Auszügen widersprechen soll (BSG Urteil vom 8.9.2015 - B 1 KR 14/14 R - Juris). Zudem setzt sich die Klägerin auch hier nicht damit auseinander, inwiefern das Berufungsurteil angesichts der alternativen Begründung durch das LSG auf der vermeintlichen Divergenz beruhen kann.

4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI12037939

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