Verfahrensgang

LSG Sachsen-Anhalt (Urteil vom 25.11.2021; Aktenzeichen L 3 R 67/21)

SG Dessau-Roßlau (Entscheidung vom 26.03.2021; Aktenzeichen S 1 R 284/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 25. November 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Im Streit steht, in welcher Höhe die Beklagte Rechtsanwaltsgebühren im Rahmen eines isolierten Vorverfahrens zu erstatten hat.

Der 1962 geborene Kläger beantragte am 1.12.2016 zum wiederholten Mal die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31.1.2017 ab. Hiergegen erhob der Kläger - nunmehr anwaltlich vertreten - Widerspruch, den er im Juni 2017 begründete. Nach Durchführung weiterer medizinischer Ermittlungen erklärte sich die Beklagte im November 2017 bereit, Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1.5.2017 bis zum 30.4.2020 ausgehend von einem Leistungsfall am 14.10.2016 zu erbringen. Am 11.12.2017 nahm der Kläger den "unterbreiteten Vergleichsvorschlag" an und beantragte die Übernahme der im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen. Die Beklagte erklärte sich bereit, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen dem Grunde nach in voller Höhe zu erstatten. Mit Kostennote vom 22.3.2018 machten die Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Beklagten ua eine "Einigungsgebühr" geltend. Die Beklagte setzte die zu erstattenden Kosten mit Bescheid vom 11.6.2018 fest. Die geltend gemachte Erledigungsgebühr sei nicht erstattungsfähig. Der Widerspruch blieb erfolglos (Bescheid vom 5.7.2018).

Das SG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben (Urteil vom 26.3.2021). Die Einigungsgebühr sei entstanden. Die erforderliche qualifizierte Mitwirkung der Bevollmächtigen bestehe im Hinwirken auf den Kläger, den weitergehenden Anspruch auf Zahlung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für den Zeitraum 1.12.2016 bis zum 30.4.2017 nicht weiterzuverfolgen und das Widerspruchsverfahren mit Annahme des Teilanerkenntnis für beendet zu erklären. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil geändert und die Klage insgesamt abgewiesen (Urteil vom 25.11.2021). Eine qualifizierte anwaltliche Mitwirkung liege nicht vor. Dem Widerspruch sei vollumfänglich stattgegeben worden.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde zum BSG erhoben. Er macht eine Rechtsprechungsabweichung geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die Beschwerdebegründung legt den allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dar. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 296/20 B - juris RdNr 9 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger trägt vor, die Entscheidung des LSG weiche von den Urteilen des BSG vom 14.2.2013 (B 14 AS 62/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 19) und vom 9.12.2010 (B 13 R 63/09 R - juris) ab. Das BSG habe entschieden, dass die Erledigungsgebühr gemäß Nr 1005, 1002 RVG-VV entstehe, wenn in einem Verwaltungsverfahren in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (§ 3 RVG), sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Damit gibt der Kläger im Wesentlichen den Wortlaut der Gebührentatbestände Nr 1005, 1002 RVG-VV wieder. Auch den weiteren Ausführungen ist ein abstrakter Rechtssatz des BSG, von dem das LSG ausdrücklich abgewichen wäre, nicht zu entnehmen. Neben der wörtlichen Wiedergabe des § 63 Abs 1 Satz 1, Abs 2 SGB X und allgemeinen Ausführungen zum Widerspruchsverfahren referiert der Vortrag Instanzrechtsprechung zu den Voraussetzungen einer qualifizierten Mitwirkung, der es nach der Rechtsprechung des BSG für das Entstehen einer Erledigungsgebühr nach Nr 1005 iVm Nr 1002 RVG-VV bedarf (vgl nur BSG Urteil vom 5.5.2009 - B 13 R 137/08 R - juris RdNr 15 ff; BSG Urteil vom 9.12.2010 - B 13 R 63/09 R - juris RdNr 26 ff; BSG Urteil vom 14.2.2013 - B 14 AS 62/12 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 19 RdNr 23 ff).

Sofern der Kläger zudem eine Divergenz zur Rechtsprechung des LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 29.11.2016 - L 2 AS 445/15 B) geltend macht, vermag dies nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG die Beschwerde nicht zu begründen.

Soweit der Kläger die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht infrage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht rügt, ist dies als bloße Subsumtionsrüge nicht ausreichend (vgl dazu BSG Beschluss vom 7.12.2020 - B 8 SO 22/20 B - juris RdNr 19 mwN). Nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (stRspr, zB BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 296/20 B - juris RdNr 11 mwN). Auf die vermeintliche Fehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung, weil das LSG zu Unrecht von einer vollumfänglichen Abhilfe ausgegangen sei, kann die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (vgl nur BSG aaO, mwN).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Düring                                        Gasser                                   Hahn

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15225264

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