Verfahrensgang

LSG Niedersachsen (Urteil vom 06.07.1990)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht Niedersachsen im Urteil vom 6. Juli 1990 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht nicht der in § 160 Abs 2 und § 160a Abs 2 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) festgelegten gesetzlichen Form. Sie war deshalb entsprechend den §§ 169, 193 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 30).

Der Beschwerdeführer weist zwar auf Zulassungsgründe hin, die in § 160 Abs 2 SGG aufgeführt sind. Er behauptet, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und das angegriffene Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG. Die behaupteten Zulassungsgründe sind aber nicht so dargelegt und bezeichnet, wie dies § 160a Abs 2 Satz 3 SGG verlangt. Nach ständiger Rechtsprechung müssen Zulassungsgründe schlüssig dargetan werden.

Zur Begründung der Grundsätzlichkeit der Rechtssache muß erläutert werden, daß und warum in dem angestrebten Revisionsverfahren eine Rechtsfrage erheblich sein würde, die über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung hat (BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 44; BSG SozR 1500 § 160a Nr 39). Der Kläger hat in der Beschwerdebegründung von ihm als grundsätzlich bezeichnete Fragen zum Verfahrensrecht aufgeworfen, ohne indessen darzulegen, ob es nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Landessozialgerichts (LSG) auf diese Verfahrensproblematik ankommen könnte. Bei Verfahrensfragen genügt es nicht, bezogen auf den Einzelfall darzulegen, daß es nach der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers selbst auf die bezeichneten Fragen ankommt; denn die verfahrensmäßige Behandlung einer Streitsache beruht auf der materiell-rechtlichen Auffassung zum streitbefangenen Anspruch (vgl die Nachweise bei Hennig/Danckwerts/König, Kommentar zum SGG, 30. ErgLiefg – Juni 1980 – § 160 Anm 9).

Eine vorschriftsmäßig begründete Verfahrensrüge liegt nur dann vor, wenn die sie begründenden Tatsachen im einzelnen genau angegeben sind und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Der Kläger hat Verfahrensfehler in diesem Sinne nicht vorschriftsmäßig gerügt. Soweit er dem LSG fehlerhafte Würdigung des umfänglichen Gutachtenmaterials vorwirft, macht er eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Beweiswürdigung) geltend. Darauf kann die Rüge nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes (§ 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG) nicht gestützt werden. Zur Rüge, das LSG habe seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verletzt, hätte der Kläger entsprechende Beweisanträge bezeichnen müssen (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hieran fehlt es.

Soweit gerügt wird, daß Sachverständigengutachten eines wegen Befangenheit abgelehnten Sachverständigen verwertet worden seien, ist das Vorbringen des Klägers in sich nicht schlüssig (vgl Blatt 12, 13 der Beschwerdebegründung), insbesondere im Hinblick darauf, ob die behaupteten Ablehnungsgründe iS von § 406 Abs 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) rechtzeitig geltend gemacht waren. Auf eine mündliche Verhandlung hat der Kläger verzichtet, so daß kein Protokoll vorliegt. Der Tatbestand erwähnt einen Befangenheitsantrag nicht; ein Tatbestandsberichtigungsantrag ist nicht fristgerecht gestellt worden (vgl im übrigen BSG SozR zu § 42 ZPO Nr 1).

Soweit der Kläger in zahlreichen Punkten die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, bezieht er sich zum Teil unzulässigerweise auf Äußerungen, die nach Erlaß des angefochtenen Urteils liegen. Soweit er beanstandet, daß die Akten nicht vollständig seien, fehlt es an einem Vortrag dazu, inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 36). Hierzu hätte es in jedem Fall einer Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des LSG bedurft, weil die Erheblichkeit des Vortrages sich allein danach bestimmt. Im übrigen hätte vorgetragen werden müssen, daß bereits gegenüber dem LSG eine Beanstandung erfolgt sei und warum sie erfolglos gewesen sei (vgl BFHE 90, 452).

Soweit der Kläger die Verletzung rechtlichen Gehörs darin sieht, daß er sich zu bestimmten Rechtsauffassungen des LSG sowie zu bestimmten Äußerungen der Sachverständigen nicht habe äußern können, fehlt es an einer Darlegung dazu, inwiefern dies dem LSG anzulasten wäre. Denn der Kläger hat weder eine Änderung des Termins zur mündlichen Verhandlung und Entscheidung vom 6. Juli 1990 beantragt, daß er an der Wahrnehmung des Termins, der ihm die Gelegenheit geboten hätte, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, gehindert gewesen sei. Es ist daher nicht dargetan, daß die angefochtene Entscheidung auf dem Verfahrensmangel beruhen könnte (BSG SozR 1500 § 160 Nr 31 und § 160a Nr 36).

Angesichts der eigenen Rechtskunde des Klägers, seiner langjährigen Befassung mit dem Streitgegenstand und der in den Akten dokumentierten Sammlung medizinischer Unterlagen läßt sich dem Vortrag des Klägers auch nicht schlüssig entnehmen, warum ihm Schriftsatznachlaß bis zu einem späteren Verkündungstermin hätte eingeräumt werden müssen; spätestens mit der Nichtzulassungsbeschwerde hätte dargelegt werden müssen, welchen Vortrag ihm das LSG durch sein Vorgehen abgeschnitten hat. Hieran fehlt es, denn dies läßt auch die Beschwerdebegründung nicht erkennen. Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs kann nämlich nicht dazu dienen, die gesetzlich eingeschränkte Rüge der Verletzung der Sachaufklärungspflicht zu umgehen. Soweit nach Auffassung des Klägers also weitere Sachaufklärung geboten gewesen wäre, hätte er – vorsorglich – vor dem LSG Beweisanträge stellen müssen, die durch die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht ersetzt werden, sofern nicht das Gericht selbst den Beweisantrag unterbindet (BSG SozR 1500 § 160 Nr 70).

Soweit gerügt wird, dem angefochtenen Urteil fehlten die Entscheidungsgründe zur Bildung der Gesamt-MdE, wird nicht ein Verfahrensfehler gerügt, sondern das Urteil inhaltlich beanstandet, weil die dort gegebene Begründung von derjenigen abweicht, die dem Kläger zutreffend erscheint. Zur Bildung der Gesamt-MdE gibt es umfängliche Rechtsprechung (vgl die Nachweise in BSGE 48, 82 = SozR 3870 § 3 Nr 4), mit der sich die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auseinandersetzt; daher ist nicht schlüssig dargelegt, warum die fehlende Auseinandersetzung mit der Rechtsauffassung des Klägers verfahrensfehlerhaft sein soll. Ebenso ist nicht ersichtlich, warum das besondere berufliche Betroffensein verfahrensfehlerhaft, nämlich ohne Erwähnung eines landgerichtlichen Urteils, verneint worden sein soll. Diese Rüge geht weder auf die Rechtsauffassung des LSG noch auf die gefestigte Rechtsprechung zum besonderen beruflichen Betroffensein ein. Es ist daher nicht schlüssig dargetan, inwiefern die Entscheidung auf dem behaupteten Verfahrensfehler beruhen könnte.

Da Mängel in der Darlegung der Zulassungsgründe die gesetzliche Form iS des § 169 Satz 1 SGG betreffen (vgl BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48), war die nicht formgerecht begründete Beschwerde zu verwerfen.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175074

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