Verfahrensgang

Thüringer LSG (Urteil vom 12.05.1998; Aktenzeichen L 5 V 292/97)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. Mai 1998 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist nicht in einer den Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechenden Weise begründet worden und daher unzulässig. Nach der genannten Bestimmung muß in der Begründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden.

1. Soweit die Klägerin die Besetzung des entscheidenden Senats des LSG rügt, macht sie einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) geltend. Zulässig ist eine derartige Rüge aber nur, wenn in der Beschwerde die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen genau angegeben werden und in sich verständlich den behaupteten Verfahrensfehler ergeben (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14). Daran fehlt es hier.

a) Soweit die Klägerin beanstandet, daß an der angefochtenen Entscheidung drei „Hilfsrichter” mitgewirkt haben, ist ihrem Vorbringen kein Verstoß gegen die geltenden Rechtsvorschriften zu entnehmen.

Unter „Hilfsrichtern” versteht man Richter auf Probe (§ 12 Deutsches Richtergesetz ≪DRiG≫), Richter kraft Auftrags (§ 14 DRiG) und abgeordnete Richter auf Lebenszeit (§ 37 DRiG; vgl Thomas/Putzo, ZPO mit Gerichtsverfassungsgesetz ≪GVG≫ 19. Aufl, RdNr 3 zu § 70 GVG; ebenso BSGE 9, 137; 11, 22 und SozR Nr 1 zu § 30 SGG). Da die Beschwerde von der Mitwirkung zweier Richter am Sozialgericht (SG) spricht, ist gemäß § 19a Abs 2 und 3 DRiG davon auszugehen, daß es sich bei ihnen um abgeordnete Richter auf Lebenszeit iS des § 37 DRiG gehandelt hat; denn Richter kraft Auftrages hätten die Amtsbezeichnung „Richter am LSG” (§ 19a Abs 2 DRiG) und Richter auf Probe hätten die Amtsbezeichnung „Richter” (§ 19a Abs 3 DRiG) getragen. Die Mitwirkung zweier abgeordneter Richter an dem angefochtenen Urteil stellt aber unter keinem denkbaren Gesichtspunkt eine falsche Besetzung dar. Denn zwar steht sie nicht im Einklang mit § 29 Satz 1 DRiG. Diese Bestimmung findet jedoch nach § 3 Abs 1 Satz 1 des Rechtspflege-Anpassungsgesetzes (RpflAnpG) vom 26. Juni 1992 idF des Gesetzes vom 7. Dezember 1995 (BGBl I S 1590) bis zum 31. Dezember 1999 in den neuen Bundesländern keine Anwendung. Für einen Verstoß gegen die statt dessen geltenden Vorschriften des RpflAnpG, insbesondere gegen § 3 Abs 2 Satz 2 dieses Gesetzes, hat die Klägerin keinen Anhaltspunkt geliefert. Nach dieser Bestimmung darf lediglich nicht mehr als ein Richter auf Probe oder Richter kraft Auftrages an der Entscheidung mitwirken, während für die Zahl der mitwirkenden abgeordneten Richter eine Einschränkung nicht vorgesehen ist. Verfassungsmäßige Bedenken gegen diese Regelung sind nicht zu erkennen (vgl BVerfG in DtZ 96, 175; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, Anm 8 zu § 32; Bley bei Peters/Sautter/Wolff, Anm 7 zu § 32 SGG).

Inwieweit es sich bei dem den Vorsitz führenden Richter am LSG C. um einen „Hilfsrichter” gehandelt haben könnte, geht aus dem Vorbringen der Klägerin nicht hervor. Ohne weitere Darlegung ist davon auszugehen, daß es sich hierbei um einen Richter auf Lebenszeit gehandelt hat.

b) Die Führung des Vorsitzes nicht durch einen Vorsitzenden Richter stellt ebenfalls keine fehlerhafte Besetzung dar. Zwar steht es nicht im Einklang mit § 21f Abs 1 GVG iVm § 6 SGG, wenn nach der Geschäftsverteilung des LSG – abgesehen von Vertretungsfällen – schon im Regelfall der Vorsitz nur durch einen Richter am LSG geführt wird (Meyer-Ladewig, aaO RdNr 3a zu § 33 SGG). Die Vorschrift des § 21f Abs 1 GVG gilt aber gemäß § 10 Abs 1 und 4 RpflAnpG idF des Gesetzes vom 7. Dezember 1995 bis zum 31. Dezember des Jahres 2000 nicht in den neuen Bundesländern. Dort können bis zu diesem Zeitpunkt auch andere Richter, insbesondere Richter am LSG den Vorsitz führen, wenn sie vom Präsidium bestellt sind (Meyer-Ladewig, aaO RdNr 3b zu § 33 SGG). Auch insofern bestehen also gegen die Besetzung des vorinstanzlichen Spruchkörpers unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Bedenken.

2. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache stützt (§ 160 Nr 1 SGG) und offenbar für die vorstehend aufgezeigten Fragen der ordnungsmäßigen Besetzung von landessozialgerichtlichen Senaten in den neuen Bundesländern noch Klärungsbedarf sieht, hat sie diesen nicht unter Auseinandersetzung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, insbesondere denen des RpflAnpG dargelegt (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNrn 116, 118 mwN).

3. Für die schließlich noch geltend gemachte angebliche Divergenz des landessozialgerichtlichen Urteils zu der Entscheidung des Senats vom 4. Februar 1998 (BSGE 81, 288 = SozR 3-3800 § 1 Nr 12) genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht den formalen Erfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Zur ordnungsgemäßen Bezeichnung der Entscheidung, von der das LSG in dem mit der Beschwerde angefochtenen Urteil abgewichen sein soll, gehört es, daß dargelegt wird, mit welcher genau bestimmten rechtlichen Aussage, dh mit welchem (abstrakten) Rechtssatz, das angegriffene Urteil von einer rechtlichen Aussage des Bundessozialgerichts oder eines anderen in § 160 Abs 2 Nr 2 SGG genannten Gerichts abgewichen ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nrn 21, 29). Es geht dabei nicht darum, ob das LSG einen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Rechtssatz fehlerhaft oder unvollständig angewendet oder übersehen hat, sondern um die Aufstellung und Befolgung eines anderen, davon abweichenden Rechtssatzes durch das LSG (vgl Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, RdNrn 163 ff mit zahlreichen Nachweisen). Die Klägerin hat zwar aus der genannten Entscheidung des Senats den Rechtssatz hergeleitet, daß „der Beweis des ersten Anscheines” eine (begrenzte) Beweiserleichterung zu bieten vermag, auch wenn der Täter unbekannt geblieben ist. Sie hat es aber unterlassen, eine diesem Rechtssatz widersprechende rechtliche Aussage aus dem angefochtenen landessozialgerichtlichen Urteil herzuleiten.

Die sonach unzulässige Beschwerde ist in entsprechender Anwendung des § 169 SGG zu verwerfen, ohne daß es dabei der Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern bedarf (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; BVerfGE 48, 246 = SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung entspricht § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1175980

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