Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Kostenübernahme. Kieferorthopädische Behandlung. Morbus-Down-Syndrom. Lebensalter. Tatsächliches Entwicklungsalter

 

Orientierungssatz

Dafür, dass im Rahmen des § 28 Abs 2 S 6 SGB 5, entgegen seinem eindeutigen Wortlaut nicht das Lebensalter, sondern das "tatsächliche Entwicklungsalter" maßgeblich sein könnte, gibt es keinerlei Anhalt.

 

Normenkette

SGB 5 § 28 Abs. 2 S. 6 Fassung: 1996-11-01, S. 6 Fassung: 1998-06-16

 

Verfahrensgang

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 02.10.2003; Aktenzeichen L 5 KR 48/03)

SG Koblenz (Urteil vom 03.04.2003; Aktenzeichen S 5 KR 64/01)

 

Tatbestand

Der 1979 geborene, bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger, der an einem Morbus-Down-Syndrom leidet, begehrt - bislang erfolglos - die Kostenübernahme für eine beabsichtigte kieferorthopädische Behandlung (Behandlungsplan des Kieferorthopäden Dr. E. vom 22. November 1999). Das Landessozialgericht (LSG) hat in seinem die Berufung zurückweisenden Urteil ausgeführt, § 28 Abs 2 Satz 6 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V, in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung) stehe dem Klageerfolg entgegen. Danach sei die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten ausgeschlossen, die - wie hier - bei Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Einer der abschließend in § 28 Abs 2 Satz 7 SGB V aufgezählten Ausnahmetatbestände liege beim Kläger nicht vor, insbesondere bestehe keine schwere Kieferanomalie. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Leistungsausschluss bei Erwachsenen bestünden nicht. Entgegen dem Vorbringen des Klägers habe die streitige Behandlung nicht schon 1990 vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen; daher lasse sich der nunmehr aufgestellte Behandlungsplan nicht einer früheren kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahme zurechnen (Urteil vom 2. Oktober 2003).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und macht geltend, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 3 Satz 2 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des Revisionszulassungsgrundes der grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Wer sich auf diesen Zulassungsgrund beruft, muss eine konkrete Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Daran fehlt es hier.

Die Beschwerde formuliert zwar (sinngemäß) die Rechtsfragen, "Ist bei einer angeborenen Morbus-Down-Syndrom-bedingten Gebissentwicklungsstörung - bei durchgehender Behandlungsnotwendigkeit - für den Beginn der Behandlung iS des § 28 Abs 2 Satz 6 SGB V auf den Zeitpunkt der Erstbehandlung abzustellen?" sowie "Ist bei Morbus-Down-Syndrom-Erkrankten auf das tatsächliche Entwicklungsalter abzustellen?". Es kann dahinstehen, ob angesichts der Vielzahl der in der Medizin diskutierten Krankheitsbilder den Auswirkungen eines bestimmten einzelnen Leidens überhaupt der Rang einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zugemessen werden kann. Jedenfalls werden die Klärungsfähigkeit und -bedürftigkeit der Fragen in einem Revisionsverfahren nicht dargelegt. Bezüglich der ersten Frage unterstellt die Beschwerde einen Sachverhalt, der durch die Feststellungen des LSG, welche mit Revisionszulassungsgründen nicht angegriffen werden und daher für den Senat bindend sind (vgl § 163 SGG), nicht gedeckt ist; denn das Berufungsgericht hat gerade keine durchgehende Behandlungsnotwendigkeit im Anschluss an die Erstbehandlung bejaht, sondern ausgeführt, dass bei dem Kläger der Behandlungsplan von 1999 der kieferorthopädischen Behandlung von 1990 nicht mehr zugerechnet werden könne. Bei der zweiten Frage berücksichtigt die Beschwerde nicht, dass eine Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist, wenn ihre Beantwortung nach dem Inhalt der dafür einschlägigen rechtlichen Regelungen keinem vernünftigen Zweifel unterliegt (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6 und § 160a Nr 21 S 38). Dafür dass im Rahmen des § 28 Abs 2 Satz 6 SGB V, der die Ansprüche von "Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben" betrifft, entgegen seinem eindeutigen Wortlaut nicht das Lebensalter, sondern - wie von der Beschwerde befürwortet - das "tatsächliche Entwicklungsalter" maßgeblich sein könnte, gibt es keinerlei Anhalt. Dass verfassungsrechtliche Erwägungen bei Behinderten möglicherweise eine abweichende Handhabung rechtfertigen könnten, macht die Beschwerde indessen nicht geltend.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1755793

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