Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen nicht nur die bisherigen Fehlzeiten und die Art der Erkrankungen mitzuteilen, sondern auch die wirtschaftlichen Belastungen und Betriebsbeeinträchtigungen, die infolge der Fehlzeiten entstanden sind und mit denen noch gerechnet werden muß.

2. An die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat sind allerdings hinsichtlich der wirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen keine so strengen Anforderungen zu stellen, wie an seine Darlegungspflicht im Kündigungsschutzprozeß (Bestätigung von BAG Urteil vom 18.12.1980 2 AZR 1006/78 = BAGE 34, 309). Sie kann sogar entbehrlich sein, wenn der Betriebsrat oder der Betriebsratsvorsitzende die Folgen wiederholter Fehlzeiten genau kennt (im Anschluß an BAG Urteil vom 28.3.1974 2 AZR 472/73 = BAGE 26, 102).

 

Verfahrensgang

LAG Hamm (Entscheidung vom 16.06.1982; Aktenzeichen 2 Sa 309/82)

ArbG Bochum (Entscheidung vom 15.01.1982; Aktenzeichen 1 Ca 555/81)

 

Tatbestand

Der am 22. Oktober 1945 geborene Kläger ist spanischer Staatsangehöriger und seiner in Spanien lebenden Ehefrau sowie zwei Kindern unterhaltspflichtig. Er arbeitet seit Juni 1977 im Werk Bochum der Beklagten als Montagearbeiter gegen einen Stundenlohn von zuletzt 13,40 DM. Seine Tätigkeit im Getriebebau bestand darin, Führungsbuchsen, Lager, Dichtungsringe und Zylinderstifte auf eine Einpreßvorrichtung zu legen und in Getriebegehäuse einzupressen, sowie den Oel- und Fettvorgang zu überwachen.

In ihrem Werk Bochum beschäftigte die Beklagte 1981 rund 18.000 Arbeitnehmer, darunter etwa 17.000 Arbeiter. Es besteht ein 37-köpfiger Betriebsrat mit 15 freigestellten Mitgliedern.

Der bei der Betriebskrankenkasse der Beklagten versicherte Kläger war nach deren Auskunft seit seiner Einstellung wie folgt arbeitsunfähig krank:

vom Diagnosen

--- ---------

30.08.-13.09.77 Infekt, Sinusitis, LWS-Syndrom

31.10.-19.11.77 Lumbalgie

14.12.-16.12.77 Gastro-Enteritis

23.01.-04.02.78 Rhinobronchitis

24.02.-16.04.78 Gastro-Colitis, Ulcus-duodenie

26.08.-02.09.78 Distorsion li. Fuß

25.09.-24.11.78 Ulcus-duod.?, Gastritis, Ekzem,

veget. Übererregbarkeit

04.01.-26.01.79 Prellung li. Hand

27.02.-30.03.79 Gastritis

30.04.-01.06.79 Gastro-Enteritis, Pharyngitis

05.09.-06.10.79 fieberh. Bronchitis, Lumbago

21.01.-01.03.80 Sinusitis, Grippe-Inf., Verbrennung

1. Grades

14.04.-16.05.80 Gastritis, Metorismus

14.06.-23.06.80 Verdauungsstörungen

01.07.-01.08.80 Ulcus-duodeni

03.09.-12.09.80 Gastroenteritis

12.11.-23.11.80 Lumbago, Grippe, Cervical-Syndrom

25.11.-06.12.80 ak. Lumbago, Verd. a. Nervenwurzel-

syndrom

16.02.-06.03.81 Gastritis, Meteorismus

30.03.-06.04.81 ak. Lumbago

08.04.-11.04.81 Prellung u. Schürfung linker Unter-

schenkel

11.05.-01.06.81 Gastritis, Meteorismus, Grippe-Infekt

21.07.-23.07.81 Gastroenteritis

27.08.-06.09.81 Ischio-Lumbalgie li., Hämorrhoiden

07.09.-24.09.81 Verstauchung li. Mittel- und Ringfinger

Anläßlich von Gesprächen mit der Personalleitung am 22. November 1978, im April 1979 und am 18. August 1980 verwies der Kläger jeweils auf Magenleiden als Ursache seiner Erkrankungen. An Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wandte die Beklagte für den Kläger in den Jahren 1978 bis 1981 insgesamt 32.670,39 DM auf.

Mit Schreiben vom 21. September 1981 setzte die Beklagte den Betriebsrat von der beabsichtigten Kündigung in Kenntnis und teilte ihm folgendes mit:

"Es wird erwogen, das Arbeitsverhältnis mit dem Obenge-

nannten fristgemäß zu kündigen.

Kündigungsfrist: 14 Tage.

Wir bitten um Einhaltung der Frist gemäß § 102

Abs. 2 BetrVG.

Begründung:

-----------

Bei dem Werksangehörigen C sind seit seiner

Einstellung ab 29.06.1977 die nachstehend aufgeführten

Fehlzeiten angefallen:

Arbeitstage

30.08.77-13.09.77 krank 11

31.10.77-19.11.77 krank 13

28.11.77 unentsch.abwesend 1

14.12.77-16.12.77 krank 3

23.01.78-04.02.78 krank 10

24.02.78-16.04.78 krank 34

26.08.78-02.09.78 krank 5

25.09.78-24.11.78 krank 43

04.01.79-26.01.79 krank 17

05.02.79 unentsch.abwesend 1

27.02.79-30.03.79 krank 24

30.04.79-01.06.79 krank 23

06.07.79 unentsch.abwesend 1

05.09.79-06.10.79 krank 23

21.01.80-01.03.80 krank 10

14.04.80-16.05.80 krank 23

14.06.80-23.06.80 krank 5

24.06.80-30.06.80 krank o.Beleg 5

01.07.80-04.08.80 krank 25

03.09.80-12.09.80 krank 8

12.11.80-23.11.80 krank 7

25.11.80-06.12.80 krank 9

16.02.81-06.03.81 krank 15

30.03.81-06.04.81 krank 6

08.04.81-11.04.81 krank 3

11.05.81-01.06.81 krank 15

21.07.81-23.07.81 krank 3

27.08.81-zur Zeit krank 18

Mit dem Werksangehörigen C wurden bereits

mehrere Gespräche über die aufgetretenen Fehlzeiten

geführt, und zwar am 17.04.1978, 29.11.1978, April 1979

und 18.08.1980. In dem letzten Gespräch gab C. zum Aus-

druck, daß die Ausfallzeiten sich in Zukunft verringern

würden, was ihm jedoch nicht möglich war. Daher sind wir

der Auffassung, daß C. aus gesundheitlichen Gründen für

Tätigkeiten in unserem Werk nicht geeignet ist.

Der Werksangehörige C hat während seiner Be-

schäftigungszeit bis zum heutigen Tage an 360 Arbeits-

tagen gefehlt, das sind 34 %.

Bei diesem Sachverhalt kann uns die Fortsetzung des Ar-

beitsverhältnisses mit dem WA C nicht weiter

zugemutet werden."

Der Betriebsrat, dem diese Mitteilung am 22. September 1981 zuging, gab am 28. September 1981 folgende Stellungnahme ab:

"Der BR widerspricht der Kündigung gemäß § 102.3.3.

BetrVG. Der WA hat am 25.09.1981 die Arbeit wieder

aufgenommen. Die aufgeführten Fehlzeiten sind auf

ein bestimmtes Leiden zurückzuführen, das nach der

letzten Erkrankung ausgeheilt ist. Durch die Ver-

setzung nach Werk II sind erhöhte Fehlzeiten nicht

mehr aufgetreten. Der Firma ist die Weiterbeschäf-

tigung des WA an seinem jetzigen Arbeitsplatz zu-

zumuten."

Mit Schreiben vom 29. September 1981 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger fristgemäß zum 16. Oktober 1981.

Mit seiner Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung gewandt. Zur Begründung hat er die Ansicht vertreten, die Kündigung sei schon deshalb rechtsunwirksam, weil keine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrates gemäß § 102 Abs. 1 BetrVG stattgefunden habe, denn die Beklagte habe in ihrer Mitteilung vom 21. September 1981 dem Betriebsrat lediglich die Fehlzeiten angegeben, nicht aber deren betriebliche und wirtschaftliche Auswirkungen. Die Kündigung sei aber auch sozialwidrig, weil trotz der früheren Erkrankungen des Klägers eine negative gesundheitliche Prognose nicht gerechtfertigt sei. Auch fehle es an unzumutbaren betrieblichen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die die Kündigung bedingen könnten.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die

Kündigung vom 29. September 1981 nicht aufgelöst

worden ist.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.

Sie hat die Auffassung vertreten, sie habe das Anhörungsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt. Sie sei nicht verpflichtet, dem Betriebsrat die betrieblichen und wirtschaftlichen Auswirkungen ausdrücklich mitzuteilen. Sie brauche ihm nur die Tatsachen anzugeben, die dem Betriebsrat eine sachgerechte Entschlußfassung zur geplanten Kündigung ermöglichten. Die negative Prognose folge aus den überdurchschnittlich hohen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers. Die häufigen Fehlzeiten des Klägers hätten auch zu unzumutbaren betrieblichen Schwierigkeiten geführt. An den einzelnen Fehltagen sei bei Schichtbeginn die Abwesenheit des Klägers festgestellt worden. Etwa zehn Minuten lang habe der zuständige Meister seine Leute zur Arbeit einteilen müssen. Erst danach habe er dem Obermeister mitteilen können, er benötige für den fehlenden Kläger einen Ersatzmann. Der Obermeister habe dann wiederum zehn Minuten benötigt, bis er in einem anderen Betriebsteil oder in einem anderen Meisterbereich einen Mitarbeiter gefunden habe, der die entsprechende Eignung aufgewiesen habe und dessen Fehlen sich in dem abgebenden Betriebsteil habe verantworten lassen. In der Regel habe es insgesamt eine halbe Stunde gedauert, bis eine Ersatzkraft am Arbeitsplatz des Klägers eingetroffen sei. Diesem habe dann erst eine Unfallbelehrung gegeben werden müssen, dies habe wiederum etwa fünf Minuten gedauert. Anschließend sei der aushelfende Mitarbeiter etwa 24 Stunden lang angelernt worden. Die Ersatzkräfte hätten auch nie bis zum Ende der Arbeitsunfähigkeit des Klägers an dessen Arbeitsplatz bleiben können. Zumindest jede Woche habe ein neuer Mitarbeiter am Arbeitsplatz des Klägers während seiner Arbeitsunfähigkeit eingesetzt werden müssen. Ihr könne auch nicht vorgeworfen werden, sie habe keine ausreichenden Maßnahmen getroffen, um die geschilderten betrieblichen Schwierigkeiten auszugleichen. Über- oder Mehrarbeit wären ausgeschieden, weil im Betrieb in zwei Schichten gearbeitet werde. Sie berücksichtige aber vorausschauend Abwesenheit wegen Tarifurlaubs, Sonderurlaubs, unentschuldigten Fehlens und wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Für bereits eingeplante krankheitsbedingte Ausfallzeiten stünde den einzelnen Abteilungen eine ausreichende Anzahl von Mitarbeitern zur Verfügung. Das gelte auch für den Bereich Getriebebau, in dem der Kläger beschäftigt werde. Bei den krankheitsbedingten Abwesenheiten zwischen 6,8 und 13,1 % während der einzelnen Monate im Jahre 1980 und zwischen 5,8 und 13,0 % im Jahre 1981 verbiete es sich aber, die Personalreserve an dem Monat auszurichten, in dem die höchste Arbeitsunfähigkeitsquote auftrete. Vielmehr könne sie nur eine erheblich geringere Personalreserve vorhalten, das stehe auch in ihrer freien Unternehmerentscheidung. Es komme hinzu, daß bei den Lohnempfängern für das Jahr 1979 eine durchschnittliche Lohnfortzahlungsquote in Höhe von 2.815,13 DM und im Jahre 1980 in Höhe von 2.933,56 DM gezahlt worden sei, während für den Kläger für 1979 9.424,08 DM und 1980 10.423,-- DM, insgesamt für die Jahre 1978 bis 1981 32.670,39 DM an Lohnfortzahlungskosten hätten geleistet werden müssen. Dabei könnten die Lohnzusatzkosten nicht unberücksichtigt bleiben. Eine Kündigung sei aber immer dann unumgänglich, wenn zwischen dem Aufwand zur Überbrückung der Ausfallzeiten sowie den vom Arbeitnehmer verursachten Kosten und dem daraus resultierenden Nutzen eine vernünftige Relation nicht mehr gegeben sei.

Der Kläger hat erwidert, soweit die Beklagte geltend mache, seine krankheitsbedingten Ausfallzeiten hätten - weil überdurchschnittlich - nicht durch die von ihr vorgehaltene Personalreserve aufgefangen werden können, könne sie damit nicht gehört werden. Einerseits sei diese Argumentation kurzschlüssig, und andererseits sei das von ihr praktizierte System der Personaldeckung selbst und nicht die krankheitsbedingten Fehlzeiten verantwortlich für die bei ihr bestehenden organisatorischen Schwierigkeiten. Es sei ein typisches Organisationsverschulden, wenn die Beklagte ihren Betrieb so organisiere, daß jede Woche ein anderer Arbeitnehmer einen arbeitsunfähig erkrankten Mitarbeiter ersetzen müsse. Die Darstellung der Beklagten, sie berücksichtige bei ihrer Personalplanung bereits den durchschnittlichen Krankenstand in den jeweiligen Abteilungen, deshalb führten überdurchschnittliche Fehlzeiten zu unzumutbaren wirtschaftlichen und betrieblichen Belastungen, könne nicht überzeugen, weil sich aus den von der Beklagten vorgetragenen allgemeinen Zahlen in keiner Weise Rückschlüsse auf die konkreten Auswirkungen der Fehlzeiten des Klägers ziehen ließen. Eine sich an Durchschnittswerten orientierende Planung habe zu berücksichtigen, daß einige Arbeitnehmer wenig fehlen, einige umsomehr, wieder andere gar nicht. Es sei deshalb nicht nachvollziehbar, wieso das angeblich in allen Abteilungen bestehende Vorhaltepersonal, dessen Umfang auf einer Durchschnittsabwesenheit basiere, nicht den Arbeitsplatz des Klägers abdecken könne.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seinen Klagantrag weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht.

A. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Beklagte habe nicht gegen § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG verstoßen, da sie sich nicht damit begnügt habe, dem Betriebsrat als Kündigung allein "häufige Fehlzeiten" zu nennen, was als pauschale Bezeichnung unzureichend gewesen wäre. Vielmehr habe sie in ihrer Mitteilung alle krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers von August 1977 bis September 1981 einzeln aufgelistet, so daß der Betriebsrat ohne weiteres habe erkennen können, wie oft und wie lange der Kläger jeweils seiner Arbeit wegen Erkrankungen ferngeblieben sei. Wenn sich ein Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats darauf beschränke, die in der Vergangenheit liegenden Erkrankungen des Arbeitnehmers aufzuzählen, so bringe er damit für den Betriebsrat ohne weiteres erkennbar die Besorgnis weiterer Erkrankungen in der Zukunft zum Ausdruck. Die Wiederholungsgefahr könne sich aus den bisherigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Arbeitnehmers ergeben. Berufe sich der Arbeitgeber auf derartige Fehlzeiten, so habe er sogar im Kündigungsschutzprozeß zunächst seine Darlegungslast erfüllt und es sei dann Sache des Arbeitnehmers vorzutragen, daß die Art seiner früheren Erkrankungen die Befürchtung des Arbeitgebers nicht rechtfertige. Ebenso liege in einer Mitteilung des Arbeitgebers an den Betriebsrat im Rahmen der Anhörung nach § 102 Abs. 1 BetrVG, er beabsichtige, einen Arbeitnehmer wegen wiederholter krankheitsbedingter Fehlzeiten zu kündigen, zugleich die unausgesprochene Erklärung, die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses sei wegen der damit verbundenen negativen wirtschaftlichen und betrieblichen Auswirkungen nicht mehr möglich oder zumutbar. Habe der Betriebsrat gegen die geplante Kündigung Bedenken, weil er meine, es lägen weder eine Wiederholungsgefahr noch ungünstige Auswirkungen auf den Betrieb vor, so könne er trotz fehlender weiterer Angaben des Arbeitgebers durchaus entsprechende Einwendungen erheben. Wollte man den Arbeitgeber für verpflichtet halten, sich auch zu der Prognose sowie zu den wirtschaftlichen und betrieblichen Auswirkungen gegenüber dem Betriebsrat ausdrücklich zu äußern, so würde das zu einer Überspannung der Mitteilungspflicht führen. Es dürfe nicht das Anhörungsverfahren sozusagen schon zum "Kündigungsschutzprozeß" umgestaltet werden.

Die Kündigung sei als krankheitsbedingte sozial gerechtfertigt. Die Ausfallquote des Klägers habe durchschnittlich 28,8 % betragen und habe sich drei Jahre hindurch etwa auf der gleichen Höhe bewegt. Die Besorgnis zukünftiger wiederholter krankheitsbedingter Fehlzeiten folge indessen nicht nur aus der Häufigkeit, Dauer und Entwicklung der Erkrankungen, sondern auch aus deren Art. Die beiden Hauptleiden des Klägers im Magen- und Lendenbereich, mit denen laut Auskunft der Betriebskrankenkasse der Beklagten 19 Ausfallzeiten zusammenhängen, könnten nicht als ausgeheilt angesehen werden. Denn beide seien auch noch in der Zeit von Januar bis September 1981 zwei- bzw. dreimal aufgetreten. Daraus sei zu folgern, daß der Kläger in erhöhtem Maße krankheitsanfällig sei und sein Gesundheitszustand eine durchgreifende Besserung nicht erwarten lasse. Durch die häufigen Erkrankungen des Klägers sei die Beklagte betrieblich und auch wirtschaftlich unzumutbar belastet worden. Der Arbeitsplatz des Klägers als Montagearbeiter im Getriebebau habe nicht unbesetzt bleiben können, sondern beim Fehlen des Klägers jeweils anderweitig besetzt werden müssen. Die erforderlichen Vertretungen des Klägers seien zeitlich aufwendig gewesen und hätten nicht nur zu erheblichen Störungen des Betriebsablaufs geführt, sondern auch zu Unzuträglichkeiten bei den betroffenen Ersatzleuten. Durch Einstellung einer Aushilfskraft habe die Beklagte das Problem nicht lösen können, weil der Kläger stets unerwartet und für eine nicht voraussehbare Dauer erkrankt sei. Auch durch Über- oder Mehrarbeit habe die Beklagte das Fehlen des Klägers nicht ausgleichen können, weil in einem zweischichtig arbeitenden Automobilwerk schwerlich vor Schichtbeginn oder nach Schichtende die Arbeit für einen in der Schicht fehlenden Arbeiter vor- oder nachgeholt werden könne. Das von der Beklagten vorgehaltene Ersatzpersonal reiche für n o r m a l e Krankheitsfälle aus, nicht aber dann, wenn ein Arbeitnehmer, wie der Kläger, ungewöhnlich oft und lange fehle. Die unzumutbare Belastung der Beklagten in wirtschaftlicher Hinsicht ergebe sich daraus, daß sie dem Kläger von 1978 bis 1981 insgesamt rund 32.700,-- DM Lohnfortzahlung gewährt habe. Dieser Betrag übersteige die durchschnittlichen Zahlungen eines Arbeitgebers an einen Arbeitnehmer bei weitem. Insgesamt betrachtet müßten die Interessen der Beklagten als vorrangig betrachtet werden.

B. Diese Würdigung des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

I. Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Kündigung sei nicht nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam.

1. Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat ihm die Gründe für die Kündigung mitzuteilen. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam.

Die Betriebsratsanhörung hat eine objektive und eine subjektive Seite. Das bedeutet, der Arbeitgeber muß dem Betriebsrat nur diejenigen Kündigungsgründe mitteilen, auf die er die Kündigung stützen will, die seiner Meinung nach die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluß maßgebend gewesen sind. Eine bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Gründe hat nicht die Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG zur Folge. Denn Sinn und Zweck des Anhörungsverfahrens nach § 102 BetrVG ist es, dem Betriebsrat Gelegenheit zu geben, ohne eigene zusätzliche Ermittlungen anstellen zu müssen, seine Überlegungen zur Kündigungsabsicht aus der Sicht der Arbeitnehmerseite dem Arbeitgeber zur Kenntnis zu bringen, damit dieser bei seiner Entscheidung die Stellungnahme des Betriebsrats, insbesondere dessen Bedenken oder dessen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung, berücksichtigen kann. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigt der Betriebsrat nicht die Kenntnis von Tatsachen, die für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers ohne Bedeutung gewesen sind (vgl. insbesondere BAG 34, 309 = AP Nr. 22 zu § 102 BetrVG 1972 und BAG 35, 190 = AP Nr. 23 zu § 102 BetrVG 1972, beide m.w.N. und Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., 2. Band, § 102 Rz 110).

2. Eine andere Frage ist, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Ausmaß der Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß noch Tatsachen nachschieben darf, die ihm zum Zeitpunkt der Einleitung des Anhörungsverfahrens bereits bekannt gewesen sind, zu denen er den Betriebsrat aber nicht angehört hat. Der erkennende Senat (aaO) hat die Frage dahin entschieden, daß nur Tatsachen nachgeschoben werden dürfen, die, ohne den Kündigungssachverhalt wesentlich zu verändern, nur der Erläuterung und Konkretisierung der dem Betriebsrat mitgeteilten Kündigungsgründe dienen. Im übrigen sind nachgeschobene Tatsachen, die dem Betriebsrat nicht mitgeteilt worden sind, grundsätzlich zumindest dann nicht zu verwerten, wenn sie dem Arbeitgeber bereits vor der Einleitung des Anhörungsverfahrens bekannt gewesen sind, dem mitgeteilten Kündigungssachverhalt überhaupt erst das Gewicht eines Kündigungsgrundes geben oder weitere, selbständig zu würdigende Kündigungsgründe betreffen (BAG 34, 309 und BAG 35, 190; Dietz/Richardi, aaO, § 102 Rz 111 m.w.N.; zum Nachschieben erst später bekannt gewordener Gründe steht eine Entscheidung des BAG noch aus).

a) Die Beklagte hat vorliegend im Anhörungsverfahren die verschiedenen Fehlzeiten des Klägers angegeben und dem Betriebsrat mitgeteilt, aufgrund der zahlreichen Fehlzeiten und der mit dem Kläger geführten Personalgespräche sei sie der Auffassung, daß dieser aus gesundheitlichen Gründen für Tätigkeiten in ihrem Werk nicht geeignet sei. Es sei ihr die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch unter Berücksichtigung der 360 Fehltage nicht weiter zumutbar. Der Betriebsrat hat der in Aussicht genommenen Kündigung mit der Begründung gemäß § 102 Abs. 3 Ziff. 3 BetrVG widersprochen, der Kläger habe am 25. September 1981 die Arbeit wieder aufgenommen. Die aufgeführten Fehlzeiten seien auf ein bestimmtes Leiden zurückzuführen, das ausgeheilt sei. Infolge der Versetzung nach Werk II seien erhöhte Ausfallzeiten nicht mehr aufgetreten.

b) Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 23. Juni 1983 (- 2 AZR 15/82 - DB 1983, 2524, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt) kommt es bei einer Kündigung wegen häufiger Kurzerkrankungen darauf an, ob zum Zeitpunkt der Kündigung objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen rechtfertigen. Dabei ist zur Kündigung nur ein Sachverhalt geeignet, der die betrieblichen Interessen unzumutbar beeinträchtigt (so schon BAG 33, 1, 12 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit und BAG Urteil vom 25. November 1982 - 2 AZR 140/81 - EzA § 1 KSchG Nr. 10 Krankheit, zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung bestimmt, für die Kündigung wegen langanhaltender Arbeitsunfähigkeit). Dabei ist die Beeinträchtigung betrieblicher Interessen bereits auch Teil des Kündigungsgrundes. Trägt der Arbeitgeber dem Betriebsrat nicht die Tatsachen vor, aus denen sich eine betriebliche Beeinträchtigung und/oder wirtschaftliche Belastungen des Arbeitgebers aufgrund der Fehltage und der zu erwartenden Ausfallzeiten ergeben sollen, unterläßt er es, dem Betriebsrat einen Teil des Kündigungsgrundes mitzuteilen. Bei den vom Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozeß nachgeschobenen Tatsachen, aus denen sich die betrieblichen Beeinträchtigungen und wirtschaftlichen Belastungen ergeben sollen, handelt es sich dann nicht um eine Erläuterung und Substantiierung des Kündigungsgrundes, sondern um den erstmaligen Vortrag eines Sachverhalts, mit dem zusammen der dem Betriebsrat vorgetragene Sachverhalt erst kündigungsrechtlich relevant wird. Aus diesem Grunde ist in einem solchen Falle das Nachschieben der wirtschaftlichen und betrieblichen Beeinträchtigungen des Arbeitgebers unzulässig mit der Folge, daß der Klage stattzugeben ist, weil der verwertbare Sachverhalt die Kündigung nicht rechtfertigt (vgl. BAG 34, 309, 322 für den Fall einer nachgeschobenen Abmahnung).

Anders ist es, wenn der Betriebsrat, zumindest der Betriebsratsvorsitzende, den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers und die Folgen der wiederholten Ausfälle genau kennt (so auch LAG Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 1981 - 6 Sa 149/81 - BB 1981, 1151; vgl. auch BAG 26, 102, 105; 30, 386, 395). In einem solchen Falle kann die Angabe der Fehlzeiten ausnahmsweise ein ausreichender Hinweis auf die betrieblichen Auswirkungen sein. Allerdings spricht keine Erfahrungsregel dafür, daß der Betriebsrat Kenntnis von den betrieblichen und wirtschaftlichen Belastungen infolge der Fehlzeiten hat. Dies hat das Berufungsgericht verkannt.

3. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht grundsätzlich auf diese erforderliche Substantiierung gegenüber dem Betriebsrat verzichtet. Auf diesem Rechtsfehler beruht das angefochtene Urteil jedoch nicht. Die Auslegung des Anhörungsschreibens in Verbindung mit der Stellungnahme des Betriebsrats führt nämlich zu dem Ergebnis, daß die Beklagte dem Betriebsrat sämtliche Tatsachen mitgeteilt hat, die für den Grund bei einer Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen rechtlich erheblich sind, soweit sie dem Betriebsrat nicht schon bekannt waren. Bei der Überprüfung des Gegenstandes der Betriebsratsanhörung war zu berücksichtigen, daß die Informationspflicht des Arbeitgebers gegenüber dem Betriebsrat nicht so weit geht wie seine Darlegungspflicht im Kündigungsschutzprozeß (BAG 34, 309).

a) Vorliegend hat die Beklagte dem Betriebsrat sämtliche Kurzerkrankungen des Klägers vom 30. August 1977 bis zum Tage der Mitteilung der Kündigungsabsicht mit der Angabe der jeweiligen Fehlzeiten mitgeteilt. Damit hat sie zugleich die Umstände angegeben, die eine negative Prognose rechtfertigen. Weiterhin hat die Beklagte den Betriebsrat darüber informiert, daß sie mit dem Kläger zwischen dem 17. April 1978 und dem 18. August 1980 wegen der vielen Ausfallzeiten vier Personalgespräche geführt hatte und der Kläger beim letzten Gespräch zum Ausdruck gebracht habe, die Ausfallzeiten würden sich in Zukunft verringern. Statt dessen seien auch danach Fehlzeiten in ähnlichem Umfang aufgetreten. Der Kläger sei daher aus gesundheitlichen Gründen für Tätigkeiten in ihrem Werk nicht geeignet. Die Beklagte hat damit zwar nicht konkret betriebliche oder wirtschaftliche Beeinträchtigungen dargelegt. Aus der Äußerung der Beklagten zusammen mit dem Hinweis, "bei diesem Sachverhalt" könne ihr "die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses ... nicht weiter zugemutet werden", ergibt sich aber, daß die Beklagte ausschließlich wegen der ihr unzumutbar erscheinenden betrieblichen Belastungen das Arbeitsverhältnis hat kündigen wollen.

b) Die fehlende Darlegung der konkreten Umstände, die auf eine unzumutbare Belastung schließen lassen sollen, war vorliegend ausnahmsweise rechtlich unerheblich, weil der Betriebsrat über die betrieblichen und wirtschaftlichen Beeinträchtigungen und erheblichen Fehlzeiten informiert war, wie sich aus seiner Stellungnahme ergibt. Er hat nämlich seinen Widerspruch gegen die beabsichtigte Kündigung nicht etwa damit begründet, die Fehlzeiten hätten nicht zu unzumutbaren Betriebsbeeinträchtigungen geführt, zumindest seien ihm solche nicht bekannt, sondern damit, das ihm bekannte Leiden des Klägers sei ausgeheilt, und nach der Versetzung in das Werk II seien keine erhöhten Fehlzeiten mehr aufgetreten.

II. Bei der Überprüfung der Sozialwidrigkeit der Kündigung sind jedoch dem Landesarbeitsgericht Rechtsfehler unterlaufen, die zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache führen.

1. Bei der Frage der Sozialwidrigkeit handelt es sich um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das angefochtene Urteil den Rechtsbegriff selbst verkannt, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm des § 1 KSchG Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Interessenabwägung, bei der dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob es in sich widerspruchsfrei ist (vgl. u.a. BAG 1, 99 = AP Nr. 5 zu § 1 KSchG und BAG 29, 49 = AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Krankheit). Auch dieser beschränkten Nachprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.

2. Hinsichtlich des Zeitpunktes für die rechtliche Beurteilung der Kündigung ist das Berufungsgericht der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats gefolgt (vgl. zuletzt BAG Urteile vom 25. November 1982 - 2 AZR 140/81 - aaO und vom 23. Juni 1983 - 2 AZR 15/82 - aaO, beide zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung des Gerichts bestimmt).

a) Der Kläger hat aber zu Recht gerügt, die Feststellung der Besorgnis zukünftiger Ausfallzeiten beruhe auf einem Verstoß gegen § 286 ZPO.

Nach § 286 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten ist. Dem hat das Berufungsgericht nicht ausreichend Rechnung getragen. Die Beklagte hatte aufgrund der häufigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Klägers in der Vergangenheit und der Art seiner Krankheit vorgetragen, für die Zukunft sei mit einem entsprechenden Erscheinungsbild zu rechnen. Dem hatte der Kläger entgegengehalten, seine Grundleiden, eine Magenerkrankung und Rückenbeschwerden, seien zum Zeitpunkt der Kündigung ausgeheilt gewesen. Für diese Behauptung hatte er Beweis angeboten durch sachverständiges Zeugnis seines Hausarztes Dr. D und durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Diese Beweisangebote hat das Berufungsgericht übergangen und allein aufgrund des Vortrags der Beklagten sowie der unstreitigen Ausfallzeiten in der Vergangenheit festgestellt, der Kläger sei in erhöhtem Maße krankheitsanfällig und mit einer durchgreifenden Besserung sei nicht zu rechnen.

b) Möglicherweise hat das Berufungsgericht die Ausführungen des erkennenden Senats zur abgestuften Darlegungslast mißverstanden. Der Senat hat nämlich wiederholt darauf hingewiesen, daß häufige Fehlzeiten ein Indiz für ein entsprechendes Erscheinungsbild in der Zukunft sein könne (BAG 29, 49; BAG Urteil vom 26. Mai 1977 - 2 AZR 201/76 - AP Nr. 14 zu § 102 BetrVG 1972 sowie Urteil vom 23. Juni 1983, aaO). Aus diesem Grunde hat er entschieden, der Arbeitgeber dürfe sich zunächst für die negative Prognose auf die Angabe der in der Vergangenheit liegenden Fehlzeiten beschränken (BAG 29, 49 und Urteil vom 23. Juni 1983, aaO). Legt der Arbeitnehmer daraufhin aber dar, weshalb mit einer baldigen Genesung zu rechnen ist und bietet er hierfür auch noch Beweis an, dann hat das Gericht diesem Vortrag und Beweisantrag nachzugehen.

c) In diesem Zusammenhang wird für die erneute Verhandlung noch einmal darauf hingewiesen, daß eine Beweiserleichterung für die Feststellung der negativen Prognose mit Hilfe des Anscheinsbeweises - gestützt auf "Erfahrungssätze" - nicht möglich ist (vgl. Urteil des Senats vom 25. November 1982, aaO, zu B II 3 der Gründe). Von einem Erfahrungssatz kann nämlich erst dann gesprochen werden, wenn eine Erkenntnis objektiv gesichert ist. Hieran fehlt es gerade bei der angeblichen Lebenserfahrung, aus der Dauer der Arbeitsunfähigkeit in der Vergangenheit könne auf eine negative gesundheitliche Konstitution in der Zukunft geschlossen werden. Gerade das ist von Fall zu Fall unterschiedlich, je nach Art der Krankheit, Konstitution, Therapie und Entwicklungsstand der Medizin, um nur einige von vielen Faktoren zu nennen, die Einfluß auf die Frage haben, ob mit wiederholten Fehlzeiten zu rechnen ist. Mangels gesicherter Erkenntnisse über die allgemeine Lebenserfahrung entfällt damit die Möglichkeit, die Beweisanforderungen über den Anscheinsbeweis zu erleichtern. Vielmehr ist daran festzuhalten, jeweils vollen Beweis zu fordern, der in aller Regel wegen der erforderlichen Sachkenntnis nur durch ein medizinisches Gutachten zu führen ist (vgl. dazu auch Weller, Kündigung bei Krankheit, Das Arbeitsrecht der Gegenwart, Bd. 20, 1982, S. 77, 92).

3. Dem Landesarbeitsgericht kann auch nicht in allen Teilen seiner Ausführungen zu den betrieblichen und wirtschaftlichen Belastungen gefolgt werden.

a) Zutreffend hat das Berufungsgericht die für die relativ kurze Betriebszugehörigkeit von vier Jahren ungewöhnlich hohe Belastung der Beklagten mit Lohnfortzahlungskosten in Höhe von 32.700,-- DM zu deren Gunsten berücksichtigt. Der Senat hat inzwischen im Urteil vom 23. Juni 1983 (aaO) klargestellt, daß extrem hohe Lohnfortzahlungskosten die weitere Beschäftigung eines Arbeitnehmers unzumutbar machen können.

b) Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht die unzumutbare Belastung der Beklagten nicht allein mit den Lohnfortzahlungskosten begründet. Die Entscheidungsgründe lassen auch nicht erkennen, ob dem Berufungsgericht schon allein diese Belastung der Beklagten ausgereicht hat. Deshalb kommt es darauf an, ob die Lohnfortzahlungskosten zusammen mit den dargelegten Betriebsbeeinträchtigungen zu unzumutbaren Belastungen der Beklagten geführt haben.

Den Ausführungen des Berufungsgerichts zu den betrieblichen Beeinträchtigungen kann aber nicht gefolgt werden. Es ist zu Unrecht von dem Vortrag der Beklagten ausgegangen, die Fehlzeiten des Klägers hätten nicht durch die von ihr vorgehaltene Personalreserve ausgeglichen werden können. Die Schwierigkeiten, die durch die Erkrankung eines Arbeitnehmers entstehen können, ergeben sich insbesondere aus den Arbeiten, die der erkrankte Arbeitnehmer verrichtet und aus der Zahl der Arbeitnehmer, die ihn bei seiner Verhinderung vertreten können (BAG 29, 49, 55). Bereits hierzu fehlen die erforderlichen Feststellungen. Zwar hat das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf abgestellt, ob die Arbeit des Klägers jeweils von anderen Arbeitnehmern aushilfsweise übernommen oder anderweitig hätte erledigt werden können. Dies hat es mit der Begründung verneint, die vorhandene Personalreserve könne nur d u r c h s c h n i t t l i c h e Ausfälle ausgleichen, nicht aber solch ungewöhnlich häufige und lange Fehlzeiten, wie sie beim Kläger aufgetreten seien; ebensowenig kämen die vorhandenen Springer dafür in Betracht.

Im Gegensatz zu diesen zu allgemein gehaltenen Ausführungen kommt es darauf an, ob die unstreitig vorhandene Personalreserve herangezogen werden könnte, um gerade die Ausfallzeiten des Klägers auszugleichen. Wäre das nämlich aufgrund der gegebenen objektiven Umstände für die Zukunft zu bejahen, so könnte die Gefahr von erneuten Erkrankungen des Klägers nicht zu unzumutbaren Betriebsbeeinträchtigungen führen. Eine sich an den Durchschnittswerten orientierende Planung der Personalreserve zielt gerade darauf ab, die auch auftretenden überdurchschnittlichen Fehlzeiten einiger Arbeitnehmer auszugleichen, weil sich Durchschnittswerte erst aus der Einbeziehung über- und unterdurchschnittlicher Werte ergeben. Daher hätte geprüft werden müssen, ob und gegebenenfalls weshalb die Ausfallzeiten des Klägers künftig nicht mehr hätten abgedeckt werden können. Das Fehlen dieser konkreten Prüfung verstößt gegen § 1 Abs. 2 KSchG.

III. Bei der erneuten Verhandlung wird das Landesarbeitsgericht aufgrund der zu erhebenden Beweise festzustellen haben, ob zum Zeitpunkt der Kündigung für die Zukunft die ernsthafte Gefahr erheblicher Kurzerkrankungen bestand. Ist dies zu bejahen, hat das Berufungsgericht konkret zu prüfen, ob mit unzumutbaren wirtschaftlichen und/oder betrieblichen Belastungen zu rechnen ist, bzw. diese bereits vorliegen.

Hillebrecht Dr. Röhsler Dr. Weller

Hauenschild Brocksiepe

 

Fundstellen

Haufe-Index 437802

BAGE 44, 249-260 (LT1-2)

BAGE, 249

BB 1984, 1045-1046 (LT1-2)

DB 1984, 1149-1150 (LT1-2)

BlStSozArbR 1984, 291-292 (T)

JR 1985, 484

NZA 1984, 93-95 (LT1-2)

AP § 102 BetrVG 1972 (LT1-2), Nr 30

AR-Blattei, ES 1000 Nr 167

AR-Blattei, Krankheit des Arbeitnehmers Entsch 167 (LT1-2)

EzA § 102 BetrVG 1972, Nr 54 (LT1-2)

MDR 1984, 611-611 (LT1-2)

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