Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung einer Ergänzungsvereinbarung zur Zusatzversorgung. Revisibilität der Auslegung von vielfach und wortgleich von demselben Arbeitgeber verwendeten Individualvereinbarungen. konstitutive und deklaratorische Vereinbarungen. Recht der betrieblichen Altersversorgung. Vertragsauslegung

 

Orientierungssatz

  • Es ist zweifelhaft, ob die Auslegung einer vom Arbeitgeber für eine Vielzahl von Fällen wortgleich vorgegebene Vertragsformulierung durch das Landesarbeitsgericht einer uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt.
  • Der Senat hatte eine Arbeitsvertragsergänzung mit dem folgenden Wortlaut auszulegen:

    “Es besteht die Pflicht zur Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an. Das Berufsförderungswerk übernimmt für die Person des Arbeitnehmers die monatlichen Pflichtbeiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.”

    Der Inhalt dieser Regelung entsprach der arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Rechtslage zum Zeitpunkt ihrer Vereinbarung. Der Senat hat sich deshalb der Auslegung des Landesarbeitsgerichts angeschlossen, wonach die Vereinbarung keine konstitutive Bedeutung hat. Aus ihr konnte deshalb keine Pflicht des Arbeitgebers hergeleitet werden, die durch den 24. Änderungstarifvertrag zum Tarifvertrag über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe eingeführte Beteiligung der Arbeitnehmer an der Umlagefinanzierung zu übernehmen.

 

Normenkette

BetrAVG § 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 06.02.2001; Aktenzeichen 2/9 Sa 1348/00)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 21.06.2000; Aktenzeichen 7 Ca 8397/99)

 

Tenor

  • Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. Februar 2001 – 2/9 Sa 1348/00 – wird zurückgewiesen.
  • Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob der Beklagte die zum 1. Januar 1999 eingeführten Arbeitnehmerbeiträge zur Zusatzversorgung unter Einschaltung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) übernehmen muß.

Der Kläger, der am 9. März 1941 geboren ist und bis zur Gründung von verdi Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) war, ist beim Beklagten seit dem 1. Januar 1976 als Angestellter beschäftigt. Grundlage ist der Anstellungsvertrag vom 18. Dezember 1975, in dem es ua. heißt:

“§ 2

Tarifverträge

(1) Für das Arbeitsverhältnis gilt der BAT – Bund und Länder – mit Ausnahme der §§ 22 und 23a in der jeweiligen Fassung, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist.

§ 3

Sonderregelungen

(2) Mit dem Abschluß einer Versorgungsvereinbarung mit der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) kommen die entsprechenden Tarifverträge zum BAT zur Anwendung.

…”

Der Beklagte ist ein 1969 gegründeter eingetragener gemeinnütziger Verein, der seit 1974 Maßnahmen zur beruflichen Rehabilitation für volljährige Behinderte anbietet. Unter anderem waren Gründungsmitglieder das Land Hessen und die Bundesanstalt für Arbeit. Gemäß § 4 Abs. 3 der Satzung können ordentliche Mitglieder nur öffentlich-rechtliche Träger mit Berufsförderungsaufgaben werden.

Seit dem 1. April 1974 meldete der Beklagte seine jeweiligen Mitarbeiter bei der VBL an. Bis 1977 waren Pflichtbeiträge zu leisten. Seit dem 1. Januar 1978 gab es keine Pflichtbeiträge der Arbeitnehmer zur VBL mehr. Die Finanzierung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst erfolgte seither in einem Umlageverfahren, an dem allein die Arbeitgeber teilnahmen. Auch der Beklagte übernahm die Zahlung der Umlagen.

In den Jahren 1978 und 1981 vereinbarte der Beklagte mit der Gewerkschaft ÖTV Haustarifverträge, die – von hier nicht interessierenden Ausnahmen abgesehen – auf den BAT und alle ändernden und ergänzenden Tarifverträge verweisen und deren Geltung im hier wesentlichen anordnen.

Im Jahre 1983 kam es zu einem Schriftwechsel zwischen der VBL und dem Beklagten. Mit Schreiben vom 11. Oktober 1983 wiederholte die VBL einen schon zuvor gegebenen Hinweis:

“Nach § 26 Abs. 1 Buchstabe d unserer Satzung ist jedoch Voraussetzung für die Pflichtversicherung eines Arbeitnehmers, daß auf Grund eines Tarifvertrages oder Arbeitsvertrages die Pflicht zur Versicherung besteht.

Da für Ihre Mitarbeiter die Tarifverträge der Tarifgemeinschaft deutscher Länder gelten, besteht für diejenigen Ihrer Mitarbeiter, die Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind, eine diesbezügliche tarifvertragliche Regelung für die Zusatzversicherung … . Demzufolge wäre für Ihre übrigen Arbeitnehmer, die nicht Mitglied der Gewerkschaft ÖTV sind, die Pflicht zur Versicherung arbeitsvertraglich zu vereinbaren.”

Der Beklagte vereinbarte daraufhin mit dem Kläger unter dem 21. Dezember 1983 ebenso wie mit allen zur VBL angemeldeten Mitarbeitern eine “Ergänzung des Anstellungsvertrages/Arbeitsvertrages”:

“Es besteht die Pflicht zur Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an. Das Berufsförderungswerk übernimmt für die Person des Arbeitnehmers die monatlichen Pflichtbeiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.”

Mit Schreiben vom 9. Januar 1984 wandte sich der Beklagte erneut an die VBL und führte ua. aus:

“… können wir Ihnen mitteilen, daß nach Beratung dieses Problems in den Gremien des Hauses die von Ihnen geforderten Ergänzungen der Arbeitsverträge mit allen Arbeitnehmern erstellt worden sind. …”

Am 20. Mai 1998 wurde durch § 1 Nr. 3 des 24. Änderungstarifvertrages § 8 Abs. 1 des gemäß § 46 BAT geschlossenen Tarifvertrages über die Versorgung der Arbeitnehmer des Bundes und der Länder sowie von Arbeitnehmern kommunaler Verwaltungen und Betriebe vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV) geändert. Er erhielt den folgenden Wortlaut:

“Der Arbeitgeber hat eine monatliche Umlage in Höhe des nach § 76 der Satzung der VBL festgesetzten Satzes des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts (Absatz 5) des Arbeitnehmers einschließlich des vom Arbeitnehmer zu zahlenden Beitrags an die VBL abzuführen. Bis zu einem Umlagesatz von 5,2  trägt der Arbeitgeber die Umlage allein, der darüber hinausgehende Finanzierungsbedarf wird zur Hälfte vom Arbeitgeber durch eine Umlage und zur Hälfte vom Arbeitnehmer durch einen Beitrag getragen. Den Beitrag des Arbeitnehmers behält der Arbeitgeber vom Arbeitsentgelt ein.”

Die VBL setzte 1998 den Umlagesatz ab 1. Januar 1999 auf 7,7 vH des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts des Arbeitnehmers fest. Seit dem 1. Januar 1999 behält der beklagte Verein 1,25 vH der monatlichen Bruttovergütung der Mitarbeiter ein und führt diesen Betrag als Arbeitnehmerbeitrag an die VBL ab. Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zu diesem Vorgehen.

Mit Schreiben von August 1999 teilten das Landesarbeitsamt und die LVA Hessen dem beklagten Verein ihre Auffassung mit, daß die weitere Übernahme der Arbeitnehmeranteile durch den beklagten Verein eine nicht erstattungsfähige freiwillige soziale Leistung sei. Dem lag ein “Rahmenvertrag über die Zusammenarbeit zwischen Rehabilitationsträgern und Berufsförderungswerken” aus Anfang 1999 zugrunde, an dem der Beklagte als Vertragspartner beteiligt war und der eine Berücksichtigung der Personalkosten bei der Kostenerstattung nur vorsah, soweit sie nicht über das tarifvertraglich Gebotene hinausgingen.

Nachdem der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom Juni 1999 erfolglos aufgefordert hatte, die einbehaltenen Beträge zu erstatten, hat er mit seiner Klage den Standpunkt eingenommen, die Ergänzungsvereinbarung umfasse unabhängig von den Regelungen des Zusatzversorgungstarifvertrages eine Übernahmepflicht des Beklagten, was alle etwaigen Pflichtbeiträge angehe, die auf die Arbeitnehmer entfielen. Dies ergebe sich schon aus der Verwendung des 1983 nach Satzungsrecht gar nicht mehr vorgesehenen Begriffs der Pflichtbeiträge.

Der Kläger hat zuletzt beantragt:

  • Es wird festgestellt, daß der Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 1. November 1999 die ihm jeweils zustehende monatliche Vergütung zu zahlen, ohne den Arbeitnehmeranteil der Umlage zur VBL, derzeit 1,25 % seines Bruttogehalts, einzubehalten.
  • Der Beklagte wird verurteilt, an ihn die restlichen Gehälter für die Monate Januar 1999 bis 31. Oktober 1999 in Höhe von DM 1.045,81 netto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. November 1999 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Nach seiner Auffassung ist mit der Ergänzungsvereinbarung erkennbar nicht die Festlegung einer übertariflichen Leistungspflicht verbunden gewesen. Eine solche in Zukunft immer teurer werdende, sich auf derzeit rund 300.000,00 DM jährlich belaufende Verpflichtung könne er überhaupt nicht eingehen, weil sie nicht refinanzierbar sei. Für sie habe im Jahre 1983 auch gar kein Anlaß bestanden. Sein Geschäftsführer, der diese Vereinbarungen unterzeichnet habe, sei zu einer solchen Verpflichtungsübernahme auch nicht berechtigt gewesen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit seiner Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils erster Instanz an, wobei er die Feststellung auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 beschränkt. Zu diesem Zeitpunkt hat der Beklagte eine vorsorgliche Änderungskündigung mit dem Ziel ausgesprochen, daß der Kläger in jedem Falle die Beiträge zur VBL zu tragen hat. Diese Änderungskündigung hat der Kläger nicht angegriffen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Seit dem 1. Januar 1999 ist der Beklagte berechtigt, monatlich 1,25 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts des Klägers einzubehalten und an die VBL abzuführen. Das Landesarbeitsgericht hat seine hiergegen gerichtete Feststellungsklage deshalb ebenso zu Recht abgewiesen, wie seinen Leistungsantrag auf Auszahlung der einbehaltenen Beträge.

  • Das Recht des Beklagten, die Arbeitnehmer-Pflichtbeiträge zur Versorgung unter Einschaltung der VBL vom Bruttogehalt des Klägers einzubehalten und an die VBL abzuführen, ergibt sich aus § 8 Abs. 1 Versorgungs-TV in der Fassung des 24. Änderungstarifvertrages.

    • Durch diesen Tarifvertrag ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Finanzierung der Leistungen der VBL wieder eingeführt worden, wie sie in etwa der Rechtslage zu Beginn der Neuregelung der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst entsprach, die dann durch den 11. Änderungstarifvertrag vom 3. März 1977 von Grund auf verändert wurde. Bis zum 31. Dezember 1977 waren von Arbeitgeber und Arbeitnehmer Beiträge zu leisten. Jedoch hatten die Arbeitgeber seit dem 1. Juli 1972 die Pflichtbeiträge der Arbeitnehmer, die sich auf 1,5 % belaufen hatten, zunächst zur Hälfte und seit dem 1. Juli 1973 vollständig übernommen (Berger/Kiefer/Langenbrinck Das Versorgungsrecht für die Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Stand Juni 2002 Teil A 1 § 8 Erl. 1; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese BAT Stand August 2002 Teil VII-Versorgungs-TV VBL § 8 Erl. 1.1a). Seit dem 1. Januar 1978 wurde die Zusatzversicherung durch alein vom Arbeitgeber aufzubringende Umlagen finanziert.
    • Der Versorgungs-TV findet auf das Arbeitsverhältnis des Klägers in seiner jeweiligen Fassung Anwendung. Dies ergibt sich aus der Mitgliedschaft des Klägers in der am Abschluß der Firmentarifverträge vom 19. Juni 1978 und 13. August 1981 beteiligten Gewerkschaft ÖTV. Durch diese Tarifverträge ist von den Tarifvertragsparteien für den Betrieb des Beklagten mit der Geltung aller den BAT ergänzenden Tarifverträge, die zwischen der Tarifgemeinschaft deutscher Länder und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossen worden sind “bzw.” zukünftig abgeschlossen werden, auch die Geltung des Versorgungs-TV in seiner jeweiligen Fassung angeordnet worden. Auch dieser Tarifvertrag ist von den im Firmentarifvertrag genannten Tarifvertragsparteien abgeschlossen worden.
    • Die Geltung des Versorgungs-TV in seiner jeweiligen Fassung ergibt sich aber auch aus § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages der Parteien. Zwar heißt es dort nur, mit dem – bereits 1974 erfolgten – Abschluß einer Versorgungsvereinbarung mit der VBL kämen die entsprechenden Tarifverträge zum BAT zur Anwendung. Daß mit einer solchen Verweisung im Zweifel eine Inbezugnahme des betreffenden Regelwerks in seiner jeweiligen Fassung gewollt ist, hat der Senat schon mehrfach entschieden (zuletzt 11. Dezember 2001 – 3 AZR 512/00 – zVv., zu I 1 der Gründe mwN). Hiervon Abstand zu nehmen besteht kein Anlaß. Anhaltspunkte dafür, daß im Arbeitsvertrag ausnahmsweise nur eine statische Verweisung auf den Versorgungs-TV in seiner bei Abschluß der Versorgungsvereinbarung mit der VBL geltenden Fassung gewollt gewesen sein könnte, bestehen nicht.
    • Daß die Höhe der Einbehaltungen durch den Beklagten den tarifvertraglichen Vorgaben entsprach, die ihrerseits auf der satzungsgemäßen Festlegung des Umlagesatzes auf 7,7 vH des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts durch die VBL beruhen, steht zwischen den Parteien nicht im Streit.
  • Die Parteien haben mit der Ergänzungsvereinbarung vom 21. Dezember 1983 keine von § 8 Versorgungs-TV nF abweichende, für den Kläger günstigere individualvertragliche Vereinbarung getroffen, auf Grund deren der Beklagte gehindert wäre, den Arbeitnehmerbeitrag zur VBL vom Arbeitsentgelt des Klägers einzubehalten. Dies hat das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt.

    • Das Landesarbeitsgericht hat zur Auslegung der Ergänzungsvereinbarung ausgeführt: Die einzelvertragliche Ergänzung des Arbeitsvertrages vom 21. Dezember 1983 enthalte keine Abweichung von den tarifvertraglichen Regelungen zur Zusatzversorgung zugunsten des Klägers. Der Kläger habe die Vertragsergänzung nicht dahingehend verstehen dürfen, der beklagte Verein wolle gegebenenfalls tarifvertraglich von ihm zu tragende Zahlungen an die VBL an seiner Stelle übernehmen. Es sei zwar richtig, daß die dem Versorgungs-TV unterfallenden Arbeitnehmer bis 1977 selbst Beiträge zur VBL zu entrichten gehabt hätten. Darauf komme es aber nicht an, weil der für die Umstände der für ihn günstigen Vertragsauslegung darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht dargetan habe, daß diese 1983 nahezu sechs Jahre zurückliegende Tariflage bei Abgabe der beiderseitigen Willenserklärungen eine erkennbare Bedeutung gehabt und man die Vereinbarung getroffen habe, um eine Beitragsverpflichtung der Arbeitnehmer des Beklagten ein für alle Mal auszuschließen. Vom 1. Januar 1978 bis zum 31. Dezember 1998 – mithin 21 Jahre lang – habe es keine Pflichtbeiträge der Arbeitnehmer zur VBL gegeben. Es sei nicht ersichtlich, daß die Parteien 1983 Anlaß gehabt hätten anzunehmen, daß mit der Wiedereinführung von Pflichtbeiträgen der Arbeitnehmer überhaupt und erst recht in absehbarer Zeit zu rechnen gewesen wäre. Aus der Verwendung des offensichtlich unzutreffenden Begriffs der “Pflichtbeiträge”, welche es damals nicht gegeben habe, könne der Kläger nichts herleiten. Getragen werde die Auslegung von weiteren auch dem Kläger bekannten Umständen. So sei dem Kläger als Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes im weiteren Sinne bewußt, daß Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes zur sparsamen Haushaltsführung verpflichtet seien und deshalb regelmäßig ihren Mitarbeitern nur die Leistungen gewährten, zu denen sie gesetzlich oder tarifvertraglich verpflichtet seien. Diese Grundsätze würden nicht nur hinsichtlich der Frage gelten, ob eine Handhabung als betriebliche Übung Vertragsinhalt geworden sei, sondern auch bei der Auslegung vertraglicher Vereinbarungen.
    • Dem folgt der Senat im Ergebnis und in wesentlichen Teilen der Begründung.

      • Es ist schon fraglich, inwieweit die Auslegung der Ergänzungsvereinbarung durch das Landesarbeitsgericht überhaupt einer revisionsgerichtlichen Überprüfung unterliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Auslegung von atypischen Verträgen und Willenserklärungen Sache der Tatsachengerichte. Sie ist in der Revision nur in Grenzen nachprüfbar. Der Überprüfung unterliegt hier allein, ob bei der Auslegung die Rechtsvorschriften über die Auslegungstechnik, also insbesondere §§ 133, 157 BGB, richtig angewendet worden sind, ob der Tatsachenstoff vollständig verwertet wurde, und ob bei der Auslegung gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen worden ist (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 4. Aufl. § 73 Rn. 16 mwN). Anders sieht das Bundesarbeitsgericht seine Aufgabe, wenn es um die Auslegung von typischen Verträgen geht, hier wird eine umfassende Revisibilität angenommen. Solche Verträge werden revisionsrechtlich wie Rechtsnormen behandelt (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge aaO § 73 Rn. 15 mwN).

        Ob es sich bei den mit allen bei der VBL angemeldeten Beschäftigten des Beklagten wortgleich abgeschlossenen Ergänzungsvereinbarungen um typische Verträge in diesem Sinne handelt, ist zweifelhaft. Dafür spricht, daß sie in einer Vielzahl von Fällen gleichlautend verwendet werden, so daß es auf besondere Umstände der Einzelfälle bei der Inhaltsfeststellung nicht ankommen kann, dagegen, daß die Vertragsformulierung soweit ersichtlich so nur von einem Arbeitgeber verwendet worden ist (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge aaO).

      • Die aufgeworfene Frage kann unentschieden bleiben. Das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts ist auch dann nicht zu beanstanden, wenn man es einer uneingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung unterzieht.

        • Die Auffassung des Klägers, der Ergänzungsvertrag sei eindeutig in seinem Sinne zu verstehen und weder auslegungsfähig noch auslegungsbedürftig, ist unrichtig.

          Es gibt keine Willenserklärung, die nicht auslegungsfähig und auslegungsbedürftig ist. Die Feststellung, daß eine Willenserklärung nach dem vorgefundenen Wortlaut eindeutig sei und ein über den Wortlaut hinausgehender oder von ihm abweichender Wortinhalt nicht bestehe, kann nur mit Hilfe einer an den allgemeinen Auslegungsregeln, insbesondere den §§ 133, 157 BGB, orientierten Auslegung erfolgen.

        • Die vereinbarte “Ergänzung des Anstellungsvertrages” vom 21. Dezember 1983 ist, anders als der Kläger meint, nicht so zu verstehen, daß sich der Beklagte hiermit verpflichtete, eine etwaige, in der Zukunft tarifvertraglich festgelegte Beitragspflicht der Arbeitnehmer zur VBL als übertarifliche Leistung zu übernehmen. Die Ergänzungsvereinbarung ist insgesamt nur als Wiedergabe der im Jahre 1983 bestehenden Rechtslage in der Zusatzversorgung ohne darüber hinausgehenden Verpflichtungswillen des Beklagten zu verstehen.

          • Im ersten Satz der Ergänzungsvereinbarung wird “vereinbart”, daß eine Pflicht zur Versicherung bei der VBL vom Beginn des Beschäftigungsverhältnisses an “besteht”. Schon diese Vereinbarung war allein aus sich heraus für einen Arbeitnehmer wie den Kläger unverständlich. Die hier angesprochene Rechtspflicht bestand bereits seit Beginn des Arbeitsverhältnisses des Klägers im Jahre 1976 auf Grund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung in § 3 Abs. 2 des Arbeitsvertrages, nachdem bereits 1974 die erforderliche Versorgungsvereinbarung mit der VBL abgeschlossen worden ist. Der Beklagte hatte dieser Rechtspflicht auch schon längst genügt. Für den Kläger war dieser Teil der Ergänzungsvereinbarung damit nur als formalisierte Wiedergabe der bestehenden Rechtslage zu verstehen.
          • Für den zweiten Satz der Ergänzungsvereinbarung (“Das Berufsförderungswerk übernimmt für die Person des Arbeitnehmers die monatlichen Pflichtbeiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder.”), von dem die Entscheidung des Rechtsstreits in erster Linie abhängt, gilt Entsprechendes. Der Kläger hatte jedenfalls seit dem Jahre 1978 keine Beiträge mehr aus seinem Arbeitseinkommen an die VBL zu leisten. Es gab seither keine Beitragspflicht mehr und auch der Kläger benennt keine Anhaltspunkte, die im Jahre 1983 dafür gesprochen hätten, sie würden irgendwann wieder eingeführt werden. Wäre es mit der Ergänzungsvereinbarung darum gegangen, für einen solchen derzeit nicht absehbaren Fall Vorsorge zu treffen, hätte es nahe gelegen, die Übernahmeverpflichtung als theoretisch denkbare künftige Pflicht auch entsprechend sprachlich zum Ausdruck zu bringen. Eine Formulierung im Futur und nicht das Ansprechen “der” monatlichen Pflichtbeiträge, sondern “etwaiger” Pflichtbeiträge hätte zumindest nahegelegen.

            Darüber hinaus verkennt der Kläger auch, daß die Ergänzungsvereinbarung nicht festlegt, daß der Beklagte nicht vom Arbeitnehmer geschuldete Pflichtbeiträge, sondern “für die Person des Arbeitnehmers die monatlichen Pflichtbeiträge zur Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder übernimmt”. Die Ergänzungsvereinbarung regelt damit gar nicht eine etwaige Beitragspflicht des Klägers, sondern gibt nur die im Jahre 1983 geltende Rechtslage wieder, wonach der Beklagte die Zahlungen an die VBL aufzubringen hatte, die “für die Person des Arbeitnehmers”, zur Finanzierung seiner Zusatzversorgung aufzubringen waren. Daß die Ergänzungsvereinbarung dabei den früheren Begriff der Pflichtbeiträge und nicht den 1983 satzungs- und tarifgemäßen Begriff der Umlage verwendet, ist ohne wesentliche Bedeutung. Es konnte sich daraus für den Kläger im Kontext der gesamten Ergänzungsvereinbarung nicht die Vorstellung ergeben, es werde hierdurch nur eine Regelung für die Zukunft, für den Fall der Wiedereinführung von Pflichtbeiträgen geschaffen. Im übrigen wäre in einem solchen Fall auch fraglich, ob überhaupt der streitbefangene Sachverhalt mitgeregelt wäre. Satzungsgeber und Tarifvertragsparteien haben im Jahre 1998 den Begriff der Pflichtbeiträge nicht wieder eingeführt, sondern eine als Beitrag bezeichnete Beteiligungspflicht der Arbeitnehmer an der Umlage zur VBL.

            Dafür, daß am 21. Dezember 1983 nur der derzeitige Rechtszustand beschrieben werden sollte, spricht auch, daß die knapp gehaltene “Ergänzung des Anstellungsvertrages” einen Arbeitsvertrag betraf, dem es deutlich erkennbar darum ging, das Arbeitsverhältnis umfassend, nur mit Ausnahme der Eingruppierungsbestimmungen, dem Tarifrecht des öffentlichen Dienstes zu unterstellen. Dieses für den Kläger wie für alle anderen Arbeitnehmer des Beklagten offenkundige Regelungsziel des Beklagten wurde durch die bereits vor der Ergänzungsvereinbarung abgeschlossenen Firmentarifverträge bestätigt und verstärkt, die ebenfalls jeweils nur die Eingruppierungsbestimmungen aus der umfassenden Inbezugnahme der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst ausnehmen. Angesichts dessen hätte eine gewollte Abweichung vom Tarifrecht des öffentlichen Dienstes im Bereich der Zusatzversorgung einer größeren Deutlichkeit bedurft, als sie in der lediglich den derzeitigen Zustand beschreibenden, die Zukunft durch die Formulierung nicht einbeziehenden und nur als Ergänzung und nicht als Änderung bezeichneten Vereinbarung vom 21. Dezember 1983 zum Ausdruck gekommen ist.

        • Es kann angesichts dieses Auslegungsergebnisses dahinstehen, ob man den Beklagten mit dem Landesarbeitsgericht als einen Teil des öffentlichen Dienstes im weiteren Sinne anzusehen hat. Richtig ist jedenfalls seine Annahme, die Entstehungsgeschichte der Ergänzung des Anstellungsvertrages spreche dafür, daß der Beklagte lediglich das derzeit Geltende, dem Versorgungs-TV Entsprechende schriftlich niedergelegt haben wollte. Hierfür spricht die durch die eingereichten Unterlagen belegte externe Verursachung der Ergänzungsvereinbarung: Die VBL hat mehrfach dringend eine besondere arbeitsvertragliche Vereinbarung der Versicherungspflicht mit den bei ihr angemeldeten Beschäftigten angemahnt. Dem und nur dem wollte der Beklagte genügen, wie etwa sein Schreiben vom 9. Januar 1984 deutlich zeigt. Mit der Ergänzungsvereinbarung vom 21. Dezember 1983 hat der Beklagte aus den genannten Gründen keinen über diese Absicht hinausgehenden Regelungswillen zum Ausdruck gebracht.

          Der Kläger wendet demgegenüber zu Unrecht ein, die Schreiben der VBL zeigten doch, daß mit ihm als Mitglied der ÖTV eine solche Ergänzungsvereinbarung gar nicht habe abgeschlossen werden müssen. Gesonderte Vereinbarungen über die Zusatzversorgungspflicht seien doch nur mit den nicht gewerkschaftlich organisierten Beschäftigten des Beklagten gefordert worden. Der Beklagte hat zu Recht und in der Sache unwidersprochen darauf hingewiesen, daß er weder gewußt habe, noch habe wissen können, wer seiner Beschäftigten 1983 gewerkschaftlich organisiert gewesen sei und wer nicht. Es entspricht allgemeiner Praxis, daß Arbeitgeber sich in solchen Fällen damit helfen, daß sie gleichlautende Verträge mit allen Arbeitnehmern abschließen, um sicherzustellen, daß sie alle Arbeitnehmer unabhängig davon gleich behandeln können, ob sie Mitglied der zuständigen Gewerkschaft sind oder nicht.

        • Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Abgrenzung von konstitutiven und deklaratorischen Regelungen in Tarifverträgen (ua. 16. Juni 1998 – 5 AZR 728/97 – BAGE 89, 119) ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der Beklagte hat mit der Ergänzung des Anstellungsvertrages keine Regelung formuliert, die für künftige ungewisse Ereignisse eine Ordnung vorgeben sollte. Er hat bereits mit den verwendeten Formulierungen deutlich gemacht, daß es nur um die vertragliche Niederlegung des derzeitigen Rechtszustandes ging.
      • Nach alledem kann unentschieden bleiben, ob der vom Landesarbeitsgericht hilfsweise angestellten Überlegung, der Geschäftsführer des Beklagten hätte für eine vom Tarifinhalt abweichende Individualabrede ohnehin keine Vollmacht gehabt, zu folgen ist. Eine solche Vereinbarung ist nicht getroffen worden. Es kommt deshalb auch nicht auf die insoweit erhobene Aufklärungsrüge des Klägers an.
  • Da die Ergänzung des Anstellungsvertrages nach alledem keine Regelung dazu enthält, daß die tarifvertraglich angeordnete Beitragspflicht für Arbeitnehmer vom Beklagten zu übernehmen ist, bleibt es bei dieser tarifvertraglichen Regelung; eine günstigere einzelvertragliche Vereinbarung ist nicht zustande gekommen.
 

Unterschriften

Reinecke, Kremhelmer, Bepler, G. Hauschild, Stemmer

 

Fundstellen

Haufe-Index 893651

NZA 2003, 519

ZTR 2003, 246

AP, 0

NJOZ 2003, 1468

Tarif aktuell 2003, 12

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