Entscheidungsstichwort (Thema)

Ungerechtfertigte Bereicherung - Beweislast

 

Orientierungssatz

Dem Bereicherungsschuldner wird regelmäßig dann die Beweislast für den Rechtsgrund, also das "Behaltendürfen" auferlegt, wenn sich der Mangel des rechtfertigenden Grundes aus dem Bereicherungsvorgang selbst ergibt. Das wird angenommen, wenn unstreitig feststeht oder bewiesen ist, daß der Bereicherungsschuldner etwas aus einer eindeutig dem Anspruchsteller zugewiesenen Rechtsposition erlangt hat.

 

Tenor

Auf des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. Dezember 1997

- 3 Sa 684/96 - aufgehoben.

Auf Arbeitsgerichts Dessau vom 7. August 1996 - 7 Ca 16/96 -

abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung von 200.000,00 DM in Anspruch.

Die Klägerin befaßt sich ua. mit der Akquisition von Alten- und Pflegeheimen und der Verwaltung anderer Gesellschaften, die Alten- und Pflegeheime betreiben. Der Sitz der Klägerin liegt in Sachsen-Anhalt. Die Beklagte war Vorsitzende des Sozialausschusses des Rates der Stadt D /Sachsen-Anhalt. Vom 16. Oktober 1992 bis 31. Dezember 1995 war sie bei der Klägerin als "Gebietsleiterin" mit Prokura angestellt. Von den Bindungen des § 181 BGB war sie befreit. Zu ihren Aufgaben gehörte die Akquisition von Altenheimen und sozialen Pflegeeinrichtungen in den neuen Bundesländern zur Überführung in private Trägerschaft sowie die Betreuung der mit der Klägerin verbundenen Unternehmen. Außerdem war sie für die Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs der Klägerin zuständig und hatte die Gehälter einschließlich ihres eigenen zu überweisen. Für Geschäftskonten der Klägerin bei der B. Bank hatte sie alleinige Kontovollmacht. Ihr monatliches Bruttogehalt belief sich zuletzt auf 7.600,00 DM. Ihr stand ein Dienstfahrzeug zur Verfügung. In dem schriftlichen Arbeitsvertrag heißt es ua. "für Provisionen gelten besondere Regelungen."

Während der Beschäftigungszeit der Beklagten wurden drei Einrichtungen privatisiert, zuletzt der G in E . Die Betriebserlaubnis für dieses Objekt wurde im November 1994 erteilt. Die Beklagte und die Klägerin erwarben an den jeweils gegründeten Gesellschaften mbH Geschäftsanteile und wurden zu Geschäftsführern bestellt. Im Zusammenhang mit einem weiteren Objekt erhielt die Beklagte 1993/1994 5.000,00 DM Provision.

Die Beklagte veranlaßte, daß in ihren Gehaltsabrechnungen für Oktober und November 1994 sowie in der Gehaltsabrechnung März 1995 Provisionen/Tantieme von 80.000,00 DM, 90.000,00 DM und 30.000,00 DM erfaßt wurden. Sie überwies die entsprechenden Beträge von einem Geschäftskonto der Klägerin auf ihr Privatkonto.

Mit der im Mai 1996 anhängig gemachten Klage hat die Klägerin geltend gemacht, für diese Zahlungen bestehe kein Rechtsgrund. Die Beklagte sei deshalb zu deren Rückzahlung verpflichtet.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 200.000,00 DM

zuzüglich 4% Zinsen aus 80.000,00 DM seit dem 1. November 1994, 4%

Zinsen aus weiteren 90.000,00 DM seit dem 1. Dezember 1994 und

ebenfalls 4% Zinsen aus weiteren 30.000,00 DM seit 1. April 1995

zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, sie habe mit dem Geschäftsführer der Klägerin Ende August 1994/Anfang September 1994 die Zahlung von 200.000,00 DM als Provision vereinbart. Die Auszahlung habe nach Erteilung der Betriebserlaubnis für den G und aus den in Höhe von 1,7 Mio. DM übernommenen Konten dieses Objekts erfolgen sollen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten nach Beweisaufnahme über die behauptete Provisionsabrede zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer vom Bundesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Klägerin beantragt, diese zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und zur Abweisung der Klage.

I. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von 200.000,00 DM nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung.

1. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Anspruch der Klägerin folge aus § 812 Abs. 1 1. Alt. BGB. Die Beklagte sei durch die der Klägerin als Leistung iS der Vorschrift zuzurechnenden Überweisungen bereichert und zur Herausgabe verpflichtet. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme sei nicht als erwiesen anzusehen, daß der Geschäftsführer der Klägerin mit der Beklagten die Provision vereinbart habe. Vom Gegenteil sei das Berufungsgericht auch nicht überzeugt. Diese Unklarheit gehe zu Lasten der Beklagen, weil sie die konkreten Überweisungen ohne Wissen und Wollen der Klägerin getätigt habe. Deren Behauptung, ihr Geschäftsführer habe von diesen keine Kenntnis gehabt, sei als unstreitig zu beurteilen, da die Beklagte nicht konkret dargelegt habe, wann, wo und in welcher Weise die Modalitäten der Zahlungen vereinbart/angewiesen worden seien. Hierzu habe insbesondere deshalb Anlaß bestanden, weil die Zahlung der ersten Rate im Oktober 1994 nicht von ihrem Sachvortrag gedeckt sei, die Zahlung habe nach der Betriebserlaubnis erfolgen sollen. Auch habe die Beklagte widersprüchlich vorgetragen.

2. Diesen Ausführungen folgt der Senat nicht. Die Beweislast für die fehlende Provisionsvereinbarung trägt die Klägerin, nicht die Beklagte. Hierfür ist die Frage, ob die Vermögensverschiebung auf einer Leistung der Klägerin beruht (§ 812 Abs. 1 1. Alt. BGB) oder in sonstiger Weise auf ihre Kosten erfolgt ist (§ 812 Abs. 1 2. Alt. BGB), ohne Bedeutung.

a) Nach den allgemein geltenden Regeln hat der Anspruchsteller die Beweislast für die Tatsachen, aus denen er seinen Anspruch herleitet. Zu den anspruchsbegründenden Tatsachen im Sinne von § 812 Abs. 1 BGB gehört das Merkmal des fehlenden Rechtsgrundes. Auch dieser ist deshalb vom Gläubiger zu beweisen. Das gilt grundsätzlich unabhängig davon, ob die Bereicherung des Schuldners durch eine Leistung des Gläubigers bewirkt oder ob sie in sonstiger Weise erfolgt ist (Baumgärtel/Strieder, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Bd. 1 2. Aufl., § 812 Rn. 10).

b) Von dieser allgemeinen Regel ist für den Streitfall nicht abzuweichen.

aa) Dem Bereicherungsschuldner wird regelmäßig dann die Beweislast für den Rechtsgrund, also das "Behaltendürfen" auferlegt, wenn sich der Mangel des rechtfertigenden Grundes aus dem Bereicherungsvorgang selbst ergibt. Das wird angenommen, wenn unstreitig feststeht oder bewiesen ist, daß der Bereicherungsschuldner etwas aus einer eindeutig dem Anspruchsteller zugewiesenen Rechtsposition erlangt hat. So hat der Bundesgerichtshof den Besitzer eines fremden Sparbuches die Beweislast dafür auferlegt, der Inhaber sei mit den vom Schuldner getätigten Abhebungen einverstanden gewesen (BGH 5. März 1986 - IV a ZR 141/84 - NJW 1986, 2107; zustimmend Baumgärtel/Strieder, aaO, Rn. 13; vgl. auch Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl. S 196).

Damit ist der Streitfall nicht vergleichbar. Die Beklagte war für den bargeldlosen Zahlungsverkehr der Klägerin einschließlich der Überweisung der Gehälter an sich und die anderen Arbeitnehmer der Klägerin zuständig. Die Zahlung des Gehalts gehörte damit zu dem ihr übertragenen Aufgabenbereich. Das betrifft auch die Überweisung der hier streitigen Provision. Deren Zahlung war von ihr persönlich zu veranlassen, weil der Geschäftsführer der Klägerin aus nicht näher dargelegten Gründen der Bank gegenüber nicht zeichnungsbefugt war. Die in den Gehaltsabrechnungen offen ausgewiesenen Zahlungstatbestände lassen sich deshalb nicht ohne weiteres als Eingriff in eine ausschließlich der Klägerin zugewiesene Vermögensposition beurteilen.

bb) Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Umstand, daß der Geschäftsführer von den konkreten Überweisungen keine Kenntnis gehabt hat, wie das Landesarbeitsgericht als unstreitig angenommen hat. Daraus ergibt sich nicht, daß die Zahlungen "ohne sein Wissen und Wollen" erfolgt sind. Nach § 271 BGB ist mangels anderer Vereinbarung eine Forderung sofort fällig. Weitere Festlegungen oder Weisungen des Geschäftsführers der Klägerin an die Beklagte zur Zahlung bedurfte es mithin nicht. Wenn die Beklagte, was das Landesarbeitsgericht aufgrund der Aussagen der vernommenen Zeugen gerade nicht ausschließen konnte, tatsächlich einen Anspruch gegen die Klägerin auf Zahlung von 200.000,00 DM erworben hatte, so hat die Beklagte lediglich diesen Anspruch erfüllt. Daran ändert sich nichts deshalb, weil sie die erste Rate ggf. nach eigenem Vorbringen vor Fälligkeit überwiesen hat.

Dieser Umstand und die Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zu der von ihm gesehenen Widersprüchlichkeit im Sachvortrag der Beklagten hätten ggf. im Rahmen der Beweiswürdigung berücksichtigt werden können, sie rechtfertigen aber nicht die Umkehr der Beweislast (vgl. Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S 59).

cc) Die Beklagte trägt auch nicht aus anderen Gründen das Risiko der Ungewißheit über den streitigen Rechtsgrund. Das vom Landesarbeitsgericht angeführte Prinzip der Sachnähe kann ggf. den Umfang der Substantiierungslast beeinflussen, rechtfertigt für sich aber keine Umkehr der Beweislast. Soweit im Zusammenhang mit dem von den Bindungen des §181 BGB befreiten Vertreters angenommen wird, dieser müsse dem Vertretenen gegenüber die materielle Berechtigung der zu eigenen Gunsten getätigten Rechtsgeschäfte im Interesse des allgemeinen Rechtsverkehrs tragen, weil sich dieser Vorgang ausschließlich in seinem Wahrnehmungs- und Kontrollbereich abspiele, so trifft das den Streitfall nicht. Denn der Arbeitnehmer, der aufgrund des ihm übertragenen Aufgabengebiets sich die eigenen Gehälter anzuweisen hat, steht weiterhin unter der Aufsicht und Kontrolle des Arbeitgebers. Diese Rechte wahrzunehmen, obliegt dem Arbeitgeber. Eine Verteilung der Beweislast unter dem Aspekt "Wahrscheinlichkeit" ist mit dem Erfordernis, die Beweislast abstrakt, also gerade unabhängig vom Einzelfall zu bestimmen, nicht vereinbar.

II. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig.

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung von 200.000,00 DM ergibt sich nicht aus positiver Vertragsverletzung (§§ 280, 286 BGB analog).

Eine Haftung der Beklagten setzt voraus, daß die Klägerin einen Schaden erlitten hat, den die Beklagte durch eine schuldhafte Verletzung ihrer arbeitsvertraglichen Pflichten verursacht hat. Für die anspruchsbegründenden Tatsachen trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast (BAG 22. Mai 1997 - 8 AZR 562/95 - AP BGB § 611 Mankohaftung Nr. 1 = EzA BGB § 611 Arbeitnehmerhaftung Nr. 62). Hiervon ist die Klägerin nicht deshalb befreit, weil sich die Beklagte den Betrag von 200.000,00 DM selbst überwiesen hat. Daraus ergibt sich allein die Minderung des Vermögens der Klägerin zugunsten des Vermögens der Beklagten um diese Summe, nicht aber eine Vertragswidrigkeit dieser Vermögensverschiebung. Zum Verschulden hat die Klägerin nicht vorgetragen, auch nicht Vorsatz behauptet.

2. Ein Anspruch der Klägerin aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 266 StGB, scheidet ebenfalls aus. Lag der Überweisung der Gelder eine Provisionsvereinbarung mit dem Geschäftsführer der Klägerin zugrunde, wie die Beklagte behauptet, entfällt der Vorwurf der pflichtwidrigen Verwendung von ihr zur Verwaltung überlassenen Geldern. Die Beweislast für die entsprechende Pflichtwidrigkeit trägt nicht die Beklagte, sondern die Klägerin (BGH 17. März 1987 - VI ZR 282/85 - BGHZ 100, 190).

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Leinemann Der Richter am Bundesarbeitsgericht Reinecke Düwell ist gehindert zu unterschreiben, weil er Urlaub hat.

Fox H. Unger

 

Fundstellen

Dokument-Index HI611148

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