Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang – Beendigung des Vertragsverhältnisses bei Betriebsverpachtung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rückgabe eines verpachteten Betriebs an den Verpächter nach Ablauf des Pachtverhältnisses kann nur dann einen Betriebsübergang darstellen, wenn der Verpächter den Betrieb tatsächlich selbst weiterführt. Die bloße Möglichkeit, den Betrieb selbst unverändert fortführen zu können, erlaubt nicht die Annahme eines Betriebsübergangs (Anpassung der Senatsrechtsprechung an die Rechtsprechung des EuGH, vgl. Senatsurteil vom 27. April 1995 – 8 AZR 197/94 – BAGE 80, 74 = AP Nr. 128 zu § 613 a BGB einerseits und – zuletzt – EuGH Urteile vom 10. Dezember 1998 – verb. Rs C-173/96 u.a. – NZA 1999, 189 ff., 253 ff. andererseits).

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

LAG Köln (Urteil vom 24.09.1997; Aktenzeichen 2 Sa 39/97)

ArbG Köln (Urteil vom 09.10.1996; Aktenzeichen 15 Ca 6725/96)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 24. September 1997 – 2 Sa 39/97 – aufgehoben.

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 9. Oktober 1996 – 15 Ca 6725/96 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Bestand eines Arbeitsverhältnisses im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang sowie über Arbeitsvergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs.

Die Beklagte betrieb einen Handel mit Kraftfahrzeugen nebst Reparaturwerkstatt in B . Sie verpachtete den Betrieb mit Vertrag vom 20. Dezember 1984 ab dem 2. Januar 1985 an den Kaufmann M. Der Pachtvertrag enthält u.a. folgende Regelungen:

  1. „Der Pächter übernimmt das vorhandene Personal und tritt in die mit den Mitarbeitern geschlossenen Verträge ein.

  2. Der Pächter verpflichtet sich, den übernommenen Betrieb im Rahmen des wirtschaftlich Möglichen, mindestens im jetzigen Umfange, aufrechtzuerhalten und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft fortzuführen.
  3. Bei Beendigung des Pachtvertrages ist der Pächter verpflichtet, den Betrieb mit allen dann bestehenden Verträgen, wie sie vorstehend übernommen wurden, sowie mit dem Kundenstamm und allen nicht bilanzierten Vermögenswerten einschließlich des Goodwills unentgeltlich auf den Verpächter zurückzuübertragen.
  4. Der Pächter verpflichtet sich, die bei Beendigung des Pachtvertrages dem Betrieb zuzuordnenden Warenbestände, insbesondere Ersatzteile, Vorführwagen, Neuwagen und Gebrauchtwagen sowie Kleinteile auf den Verpächter zu Einkaufspreisen, oder wenn der Zeitwert niedriger ist, zu diesem Wert zurückzuübertragen. Dieser ist andererseits berechtigt und verpflichtet, die Warenbestände zu diesen Werten zu übernehmen.
  5. Für den Fall, daß zum Zeitpunkt der Rückgabe die zuzuordnenden Verpflichtungen des Verpächters den Wert der zurückzuübertragenden Vermögenswerte übersteigen, bleibt der Verpächter zur Rücknahme zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet.
  6. Der Pachtvertrag wird bis zum 31. Dezember 1994 fest geschlossen.

    Das Vertragsverhältnis verlängert sich jeweils um 5 Jahre, wenn es nicht mit einjähriger Frist erstmals zum 31. Dezember 1994 von einer der Parteien gekündigt wird.

  7. Der Verpächter ist berechtigt, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist das Vertragsverhältnis vorzeitig zu kündigen, wenn der Pächter mit einer Pachtrate länger als 4 Wochen in Verzug gerät, oder wenn Tatsachen bekannt werden, die darauf schließen lassen, daß der Pächter seinen Zahlungsverpflichtungen aus diesem Vertrage nicht wird nachkommen können, wenn er in Vermögensverfall gerät oder wenn er eine Verpflichtung, die er in diesem Vertrag übernommen hat, nach Abmahnung nicht erfüllt. …”

Im August 1986 stellte M die Klägerin als Kontoristin des Betriebs ein.

Mit Schreiben vom 20. Juni 1996 kündigte die Beklagte den Pachtvertrag außerordentlich zum 29. Juni 1996, weil der Pächter mit drei aufeinanderfolgenden Pachtraten in Rückstand geraten war. Am 28. Juni 1996 teilte die Beklagte diesem mit, sie verweigere unter Bezugnahme auf Nr. 11 des Pachtvertrages die Rücknahme des Lagers und der Mitarbeiter, weil die Firma infolge der Mißwirtschaft während der Pachtzeit illiquide und überschuldet und eine Fortführung des Betriebes nicht möglich sei; eine Übernahme des Betriebes hätte zur Folge, daß sich zwangsläufig ein weiterer Konkurs anschließen würde; die Räumlichkeiten seien am 29. Juni 1996 geräumt herauszugeben. Bereits am 21. April 1995 hatte die Firma N den Händlervertrag gegenüber dem Pächter fristlos gekündigt.

Am 29. Juni 1996, einem Samstag, übergab der Pächter die Betriebsräume mit dem darin befindlichen Inventar an die Beklagte. Nach dem 25. Juni 1996 hatte er noch Reparaturaufträge von mindestens vier Kunden angenommen, die ihre Fahrzeuge zwischen dem 1. und 5. Juli 1996 zurückerhalten sollten. Die Parteien haben nichts dazu vorgetragen, ob diese Reparaturaufträge ausgeführt wurden.

Die Klägerin bot der Beklagten ihre Arbeitsleistung mit Schreiben vom 26. Juni 1996 ab Montag, dem 1. Juli 1996 an. Die Beklagte lehnte dies ab. Sie verschloß mit Wirkung ab 1. Juli 1996 die Betriebsräume. Vorsorglich kündigte sie ein etwaiges Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 5. Juli 1996 aus betriebsbedingten Gründen zum 30. September 1996, weil eine Fortführung der Firma wirtschaftlich nicht möglich sei.

Die Beklagte führte den Betrieb nicht weiter. Der Geschäftsführer K setzte die Räumlichkeiten in Stand. Mit Inserat vom 26. Juni 1996 bot er die Vermietung des Autohauses im B Handelsblatt an. Zum Abschluß eines Vertrages kam es zunächst nicht. Erst ab März oder April 1997 konnte die Beklagte die Betriebsräume vermieten. Dort werden jetzt Mercedes Fahrzeuge verkauft, gewartet und repariert.

Die Klägerin, die bis zum 30. Juni 1996 Konkursausfallgeld bezogen hat, verlangt von der Beklagten ihre monatliche Vergütung von 3.300,00 DM brutto für die Zeit vom 1. Juli bis 30. September 1996 abzüglich des erhaltenen Arbeitslosengeldes. Sie hat die Ansicht vertreten, ihr Arbeitsverhältnis sei nach § 613 a BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte habe sich ab dem 1. Juli 1996 mit der Annahme der Dienste in Verzug befunden. Der Betrieb des Pächters M sei bei Beendigung des Pachtverhältnisses nicht stillgelegt gewesen. Das folge aus dem Übergabeprotokoll vom 29. Juni 1996 und daraus, daß der Pächter noch in den letzten Tagen des Juni 1996 Reparaturaufträge angenommen habe. Werkstatteinrichtungen und Ersatzteillager hätten keineswegs lediglich noch Schrottwert gehabt. Auch seien Neuwagen vorhanden gewesen. Erst die Beklagte habe die Betriebsräume geschlossen und damit die weitere Arbeitstätigkeit unmöglich gemacht.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien bis zum 30. September 1996 fortbestanden habe,
  2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 9.900,00 DM brutto abzüglich 3.044,20 DM Arbeitslosengeld zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, der Betrieb sei im Zeitpunkt der Beendigung des Pachtverhältnisses bereits stillgelegt gewesen. Der Pächter habe Lieferantenrechnungen und Gehälter nicht mehr bezahlen können, er sei zahlungsunfähig gewesen. Wegen der Aufkündigung des Händlervertrages, der das Herzstück des Betriebes gewesen sei, sei dessen Weiterführung wirtschaftlich nicht möglich gewesen. Die an die Beklagte zurückgefallenen Räumlichkeiten seien in einem desolaten Zustand gewesen. Das Inventar habe nur noch Schrottwert, das Ersatzteillager einen Wert von allenfalls 20.000,00 DM gehabt. Mehrere Arbeitsverhältnisse seien bereits gekündigt gewesen. Seit dem 1. Juni 1996 seien nur noch Abwicklungs- und Restarbeiten durchgeführt worden. Der Pächter habe nach der fristlosen Kündigung des Pachtvertrages seiner Bank die Betriebsschließung eröffnet. Eine Verpflichtung zur Rücknahme des Betriebes habe nach Nr. 11 des Pachtvertrages unter den gegebenen Umständen nicht bestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückweisung der Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts. Die Klage ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:

Die Beklagte sei gem. § 613 a Abs. 1 BGB mit Wirkung ab 30. Juni 1996 Arbeitgeberin der Klägerin geworden, das Arbeitsverhältnis habe erst durch die Kündigung der Beklagten zum 30. September 1996 geendet. Der Betrieb, in dem die Klägerin beschäftigt gewesen sei, sei mit Beendigung des Pachtverhältnisses am 29. Juni 1996 an die Beklagte als Verpächterin zurückgefallen. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses könne nicht durch Vereinbarungen im Pachtvertrag ausgeschlossen werden. Deshalb sei der Hinweis der Beklagten, sie habe unter Berufung auf Nr. 11 des Pachtvertrages nur die Räumlichkeiten zurückgenommen, nicht geeignet, den Übergang auszuschließen. Entscheidend sei vielmehr, ob im Zeitpunkt des Rückfalls des Pachtobjektes noch ein Betrieb vorhanden sei, in dem der Verpächter die Leitungsmacht übernehmen und den Betriebszweck im wesentlichen weiterverfolgen könne. Unerheblich sei, daß die Beklagte den Betrieb nicht tatsächlich fortgeführt habe; denn es genüge die Möglichkeit hierzu. Weiterhin sei unerheblich, ob es sich um einen florierenden oder um einen wirtschaftlich zugrunde gerichteten Betrieb handele.

Der Pächter M habe den Betrieb nicht vor Ablauf der Pachtzeit stillgelegt. Er habe weder Betriebsmittel veräußert noch alle Arbeitsverhältnisse aufgekündigt. Zumindest die Arbeitsverhältnisse der Klägerin und zweier anderer Arbeitnehmer hätten gegen Ende der Pachtzeit ungekündigt bestanden. Der Händlervertrag hätte nach Behebung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten neu abgeschlossen oder fortgesetzt werden können. Auch wenn der Pächter den Betrieb durch Mißwirtschaft an den Rand des Konkurses gebracht habe, stelle das noch keine Betriebsstillegung dar. Zudem habe er die Betriebstätigkeit nicht vollständig eingestellt, sondern noch nach dem 25. Juni 1996 Reparaturaufträge angenommen.

Auch die Beklagte habe den Betrieb nicht vor Beendigung der Pachtzeit stillgelegt. An der ernstlichen Absicht einer Stillegung auf Dauer oder doch auf unabsehbare Zeit fehle es, wenn der Verpächter gegen Ende der Pachtzeit einen neuen Pächter oder Mieter für das Objekt suche. Das gelte auch dann, wenn sich ein zur Fortführung bereiter Pächter oder Mieter wegen der wirtschaftlichen Situation des Betriebes wahrscheinlich kaum finden lasse. Zumindest bestünden angesichts des Inserats im B Handelsblatt und der Instandsetzung der Betriebsräume Zweifel daran, die Beklagte habe bereits Ende Juni 1996 die unbedingte Absicht der Betriebsschließung gehabt. Das Unternehmen sei auch nicht faktisch so zerschlagen gewesen, daß eine Übernahme der Leitungsmacht und die Weiterverfolgung des Betriebszwecks unmöglich gewesen wäre. Die Betriebsräume, das Warenlager, die Werkstatt mit Inventar und ein Bestand an Neuwagen seien noch vorhanden gewesen.

Nichts anderes ergäbe sich, wenn sich die Beklagte unmittelbar nach Rückfall des Pachtobjektes zur Stillegung entschlossen hätte. Der Verpächter eines Betriebes trete in die im Zeitpunkt des Rückfalls des verpachteten Betriebes bestehenden Arbeitsverhältnisse selbst dann ein, wenn er bereits bei Beendigung des Pachtverhältnisses zur Stillegung des Betriebes entschlossen sei. Deshalb habe die Beklagte den Übergang der Arbeitsverhältnisse nicht mehr dadurch verhindern können, daß sie mit Wirkung vom 1. Juli 1996 die Betriebsräume verschlossen habe.

II. Diesen Ausführungen vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Der Kfz-Betrieb ist nicht gem. § 613 a Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Beklagte übergegangen. Die Beklagte ist deshalb nicht in das Arbeitsverhältnis der Klägerin eingetreten. Vielmehr hat das Arbeitsverhältnis über den 30. Juni 1996 hinaus mit dem bisherigen Arbeitgeber M fortbestanden. Damit fehlt es an einer Grundlage sowohl für das Feststellungsbegehren als auch für den Zahlungsantrag.

1. Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit. Eine Einheit darf nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln (ständige Rechtsprechung des Senats im Anschluß an das Urteil des EuGH vom 11. März 1997 – Rs C-13/95 – EuGHE I 1997, 1259 = AP Nr. 14 zu EWG – Richtlinie Nr. 77/187 [Ayse Süzen]; vgl. nur Senatsurteil vom 22. Januar 1998 – 8 AZR 775/96 – AP Nr. 174 zu § 613 a BGB). Der Betriebsübergang tritt mit dem Wechsel in der Person des Inhabers des Betriebs ein. Der bisherige Inhaber muß seine wirtschaftliche Betätigung in dem Betrieb oder Betriebsteil einstellen. Einer besonderen Übertragung einer irgendwie gearteten Leitungsmacht bedarf es daneben nicht. Allerdings tritt kein Wechsel der Inhaberschaft ein, wenn der neue „Inhaber” den Betrieb gar nicht führt (Senatsurteil vom 12. November 1998 – 8 AZR 282/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen, zu B I 1 der Gründe).

2. Der bisherige Betriebsinhaber M hat seine wirtschaftliche Betätigung in dem Kfz-Betrieb eingestellt. Die Beklagte hat die Führung des Betriebs aber nicht übernommen. Sie hat zu keiner Zeit eine betriebliche Tätigkeit im Kfz-Gewerbe entfaltet. Die Instandsetzung der Betriebsräume und die Suche nach einem neuen Pächter oder Mieter stellen keine bestimmungsgemäße Nutzung des Betriebs dar. Der seit 1985 auf Verpachtung des Betriebs gerichtete Unternehmenszweck der Beklagten hat sich seitdem nicht geändert. Die Beklagte hat auch 1996/1997 nur die Verpachtung des Betriebs zum Zweck der Erzielung von Pachteinkünften betrieben. Dies ist von der verantwortlichen Führung, Weiterführung oder Wiederaufnahme des Kfz-Betriebs als solchem zu unterscheiden. Allein die Rückgabe des Pachtbetriebs an den Verpächter bewirkt deshalb keinen Betriebsübergang gem. § 613 a BGB. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Betrieb spätestens zum Ablauf des Pachtverhältnisses stillgelegt wurde.

Im Streitfalle kommt hinzu, daß die Beklagte den Betrieb verpachtet hatte, weil ihr Inhaber sich altershalber zur Ruhe gesetzt hat. Die Beklagte hat – über elf Jahre später – den Betrieb nur deswegen zurückgenommen, weil sie wegen Zahlungsverzugs des Pächters zur außerordentlichen Kündigung des Pachtverhältnisses gezwungen war. Eine Fortführung durch sie selbst war deshalb von vornherein nicht zu erwarten.

3. Allerdings hat der Senat mit Urteil vom 27. April 1995 (– 8 AZR 197/94 – BAGE 80, 74 = AP Nr. 128 zu § 613 a BGB) entschieden, die vertragsgemäße Rückgabe eines verpachteten Betriebes an den Verpächter stelle auch dann einen Betriebsübergang dar, wenn der Verpächter die Leitungsmacht zuvor nicht ausgeübt habe und selbst keine entsprechenden Betriebe führe. Daran kann nicht uneingeschränkt festgehalten werden. Zwar bleibt bei der Rückgabe eines funktionsfähigen Betriebes die Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit gewahrt. Wird der Betrieb nicht gleichzeitig oder nicht schon vorher stillgelegt, bleibt die organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestehen. Die Absicht des Verpächters, die Leitungsmacht nicht selbst zu übernehmen, steht dem nicht entgegen. Sie bedeutet für sich genommen keine Stillegungsabsicht. Deshalb geht die wirtschaftliche Einheit mit vertragsgemäßer Rückgabe aber nicht ohne weiteres auf den Verpächter über. Denn nach der neueren Rechtsprechung des Senats genügt die bloße Möglichkeit zu einer unveränderten Fortsetzung des Betriebes für die Annahme eines Betriebsübergangs nicht mehr (vgl. demgegenüber noch Senatsurteil vom 27. April 1995, aaO, zu B II 2 b und 3 a der Gründe, m.w.N.; ferner BAG Urteil vom 19. November 1996 – 3 AZR 394/95 – AP Nr. 152 zu § 613 a BGB, zu II 1, 2 der Gründe, m.w.N. sowie Senatsurteile vom 16. Juli 1998 – 8 AZR 80/97 – und – 8 AZR 81/97 – n.v., jeweils zu B II 2 a der Gründe, für den Fall der Verpachtung eines funktionsfähigen Betriebes). Vielmehr bedarf es der Übernahme einer wirtschaftlichen Einheit nach den oben unter 1. genannten Merkmalen.

4. Wesentliches Kriterium für den Übergang ist die tatsächliche Weiterführung oder Wiederaufnahme der Geschäftstätigkeit beim Wechsel der natürlichen oder juristischen Person, die für den Betrieb verantwortlich ist (EuGH Urteil vom 10. Februar 1988 – Rs 324/86 – EuGHE 1988, 739 [Daddy's Dance Hall], zu Nr. 9 ff. der Gründe; EuGH Urteil vom 15. Juni 1988 – Rs 101/87 – EuGHE 1988, 3057 [Bork], zu Nr. 13 ff.; EuGH Urteil vom 12. November 1992 – Rs C 209/91 – EuGHE I 1992, 5755 = AP Nr. 5 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187 [Rask ./. ISS Kantine Service], zu Nr. 15, 19 der Gründe; EuGH Urteil vom 11. März 1997, aaO, zu Nr. 10, 12 der Gründe, m.w.N.; vgl. auch EuGH Urteil vom 12. März 1998 – Rs C 319/94 – AP Nr. 19 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187, zu Nr. 22 ff.; zuletzt EuGH Urteile vom 10. Dezember 1998 – verb. Rs.C-173/96 u. C-247/96 – NZA 1999, 189 ff., zu Nr. 21, 23, 29 der Gründe sowie vom 10. Dezember 1998 – verb. Rs.C-127/96, C-229/96 u. C-74/97 – NZA 1999, 253 ff., zu Nr. 22, 23, 29 der Gründe). Führt der Verpächter den an ihn zurückgefallenen Betrieb auch nicht vorübergehend, können zwar materielle und immaterielle Betriebsmittel auf ihn übergehen; er übt die wirtschaftliche Tätigkeit mit eigener Zielsetzung aber nicht aus. Er nutzt nicht die vorhandene Organisation, übernimmt weder die Hauptbelegschaft noch die Kundschaft. Ohne jegliche Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit geht der Betrieb regelmäßig nicht auf ihn über. Der Betriebsübergang kann sich dagegen auf den neuen Pächter vollziehen, wenn er die Betriebstätigkeit fortsetzt oder wieder aufnimmt. Dessen wesentlich andere Betriebstätigkeit, völlig neue betriebliche Organisation oder die erhebliche Unterbrechung der Betriebstätigkeit können dem Betriebsübergang entgegenstehen (vgl. nur Senatsurteil vom 11. September 1997 – 8 AZR 555/95 – BAGE 86, 271, 274 ff. = AP Nr. 16 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187, zu B 2 der Gründe). Schließt danach schon die gänzlich andersartige Betriebstätigkeit oder -organisation den Betriebsübergang aus, wenn die bisherige Einheit auch nicht zeitweise genutzt wird, so liegt erst recht kein Betriebsübergang vor, wenn überhaupt keine betriebliche Tätigkeit entfaltet wird. Wird der Betrieb nicht auf Dauer stillgelegt, bleibt der Pächter demnach Inhaber des Betriebs, auch wenn er die betriebliche Tätigkeit einstellt.

III. Die Klägerin hat die Kosten der Berufung und der Revision gem. §§ 91, 97 ZPO zu tragen.

 

Unterschriften

Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, Dr. Haible, R. Iskra

 

Veröffentlichung

Veröffentlicht am 18.03.1999 durch Anderl, Amtsinspektorin in als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

 

Fundstellen

Haufe-Index 436087

BAGE, 121

BB 1999, 1222

DB 1999, 1223

DStR 1999, 1626

HFR 2000, 51

NJW 1999, 2461

NWB 1999, 2429

EBE/BAG 1999, 90

ARST 1999, 198

EWiR 1999, 783

FA 1999, 203

NZA 1999, 704

RdA 2000, 242

SAE 2001, 10

ZIP 1999, 1318

AP, 0

MDR 1999, 1071

ZInsO 1999, 483

RdW 1999, 597

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