Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsärztliche Untersuchung außerhalb der Arbeitszeit

 

Orientierungssatz

Gewährung von Freizeitausgleich für eine betriebsärztliche Untersuchung außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit (hier: verneint).

 

Normenkette

TVG § 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Entscheidung vom 12.01.1993; Aktenzeichen 7 Sa 1044/92)

ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.04.1992; Aktenzeichen 5 Ca 440/91)

 

Tatbestand

Die Parteien streiten, ob dem Kläger Freizeitausgleich für eine betriebsärztliche Untersuchung außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit zu gewähren ist.

Der Kläger ist bei der Beklagten als Kraftfahrer beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Tarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundespost (TV Arb) Anwendung. Die Beklagte bestellte den Kläger außerhalb seiner dienstplanmäßigen Arbeitszeit am 12. Juni 1991 um 8.30 Uhr zu einer arbeitsmedizinischen Untersuchung zur Postbetriebsärztin. Der Kläger wandte dafür drei Stunden auf.

Der Kläger hat geltend gemacht, ihm sei für diese Stunden Freistellung von der Arbeit zu gewähren, da es sich bei der für die Untersuchung einschließlich Hin- und Rückfahrt aufgewandten Zeit um Überstunden handele. Der Freistellungsanspruch ergebe sich auch aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung, da die Beklagte die Untersuchung bei einem Teil ihrer Arbeitnehmer in die Arbeitszeit lege und hierfür Freistellung gewähre.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihn drei Stunden von

der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freizustel-

len als Ausgleich für seinen Arztbesuch außerhalb

der Arbeitszeit am 12. Juni 1991.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der durch das Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, daß der Kläger keinen Anspruch hat, von der Arbeitsleistung für drei Stunden freigestellt zu werden als Ausgleich für die aufgewandte Zeit der betriebsärztlichen Untersuchung außerhalb der dienstplanmäßigen Arbeitszeit.

1. Ein derartiger Anspruch kann aus § 6 Abs. 4 TV Arb nicht hergeleitet werden. Danach werden Überstunden grundsätzlich durch Freizeit ausgeglichen. Die für die außerhalb der Arbeitszeit durchgeführte betriebsärztliche Untersuchung aufgewandte Zeit stellt jedoch keine Überstunden i.S. dieser Tarifnorm dar. Nach § 6 Abs. 1 TV Arb sind Überstunden Arbeitsstunden, die auf Anordnung, Anforderung oder mit Billigung des Dienstvorgesetzten über die tägliche dienstplanmäßige Arbeitszeit hinaus geleistet werden. Bei der für die betriebsärztliche Untersuchung aufgewandten Zeit handelt es sich nicht um Arbeitsstunden i.S. des TV Arb. Dies ergibt die Auslegung des § 23 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b TV Arb. Danach ist der Arbeiter bei einer betriebsärztlichen Untersuchung, soweit nicht die Angelegenheit außerhalb der Arbeitszeit erledigt werden kann, von der Arbeit freizustellen. Mit dieser Regelung haben die Tarifvertragsparteien ausdrücklich klargestellt, daß die Zeit einer betriebsärztlichen Untersuchung keine Arbeitsstunden darstellten. Sonst wäre die Freistellung von der Arbeit rechtlich nicht erforderlich.

2. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung gemäß § 23 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b TV Arb. Sinn und Zweck dieser Tarifnorm ist es, das zeitliche Zusammentreffen einer zeitlich festgelegten Pflicht zur Arbeitsleistung mit einer zeitlich festgelegten Pflicht zur betriebsärztlichen Untersuchung dahingehend zu lösen, daß der Arbeiter bei einer solchen Kollision von der Arbeit freizustellen ist (vgl. dazu die Entscheidung des Senats zu § 52 Abs. 1 BAT vom 16. Dezember 1993 - 6 AZR 236/93 -, zur Veröffentlichung vorgesehen). Eine solche Kollision liegt jedoch nicht vor, wenn die betriebsärztliche Untersuchung, wie tariflich grundsätzlich gefordert, außerhalb der Arbeitszeit stattfindet.

3. Der Kläger kann sein Klagebegehren auch nicht aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz herleiten. Es stellt keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar, wenn Arbeiter, die während der Arbeitszeit zur betriebsärztlichen Untersuchung geladen werden, hierfür von der Arbeit freigestellt werden, während diejenigen, die zu solchen Untersuchungen außerhalb der Arbeitszeit bestellt werden, ihre Freizeit dafür verwenden müssen. Für die unterschiedliche Behandlung liegt der sachliche Grund in der von den Tarifvertragsparteien vorgenommenen Bewertung, daß die betriebsärztliche Untersuchung keine Arbeit darstellt (vgl. oben 1) und grundsätzlich außerhalb der Arbeitszeit zu erledigen ist. Bei dieser Rechtslage kann der Kläger aber keine Gleichbehandlung mit den Arbeitern verlangen, deren Untersuchung ausnahmsweise aus besonderen Gründen während der Arbeitszeit angeordnet wird. Nur sie haben gemäß § 23 c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b TV Arb einen Anspruch auf Arbeitsbefreiung.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Jobs Dr. Armbrüster Dr. Wißmann

Dr. Sponer Bruse

 

Fundstellen

EEK, I/1137 (ST1-2)

ZTR 1994, 288-289 (ST1)

GdS-Zeitung 1994, Nr 8, 15 (KT)

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